GroKo-Pläne für mehr Bauland Die Boden-Offensive

Vielen Deutschen mangelt es an bezahlbarem Wohnraum, auch weil zu wenig Bauland verfügbar ist. Mit einer Strafsteuer für Spekulanten will die Bundesregierung Land gewinnen. Kann das funktionieren?

Baugrundstück in Frankfurt am Main (Archivbild)

Donnerstag, 15.02.2018  
14:29 Uhr

Wenig Zeit? Am Textende gibt’s eine Zusammenfassung.

Dass Bauland in Deutschland knapper wird, kann Angela Merkel täglich von ihrem Amtssitz aus beobachten. Bislang ging der Blick vom Kanzleramt in einer großzügigen Sichtachse hinüber zum Berliner Hauptbahnhof. Nun wird der Bahnhofsvorplatz mit einem Glaskasten namens „Cube“ zugestellt. Ein Bürokomplex, wie es in der Hauptstadt schon so viele gibt.

Woran es hingegen nicht nur in Berlin immer mehr Bürgern mangelt, ist bezahlbarer Wohnraum. Steigende Mieten und Kaufpreise belasten Gering- und Normalverdiener zunehmend, heißt es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Die GroKo verspricht deshalb eine „Wohnraumoffensive“.

Als Teil dieses Versprechens will der Staat mehr Bauland nutzbar machen. Städte und Gemeinden sollen künftig eine sogenannte Grundsteuer C auf unbebaute, aber baureife Grundstücke erheben dürfen. Sie würde höher ausfallen als die heute üblichen Grundsteuern A und B und soll Investoren dazu bringen, ihr Land entweder bald zu bebauen oder weiterzuverkaufen.

„Mit Baurechten wird viel spekuliert“, bestätigt Philipp Deschermeier, der am Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt (IWU) zu Wohnungsmärkten forscht. Gerade in deutschen Ballungsräumen werden Grundstücke immer mehr zum lukrativen Spekulationsobjekt. Das zeigt auch ein Blick in den Jahresbericht der Gutachterausschüsse zur Grundstücksbewertung. Demnach wurden 2016 mit Bauplätzen für Mehrfamilienhäuser gut vier Milliarden Euro umgesetzt. Weit mehr als die Hälfte der Summe entfiel dabei auf die sieben größten deutschen Städte.

Das viele Geld, das in Berlin, Hamburg oder München verdient wird, bedeutet aber keineswegs, dass hier auch besonders viele Grundstücke auf den Markt kommen. Nur 14 Prozent der Transaktionen über Bauplätze fanden in den größten Städten statt. Damit landeten die zum Teil rasant wachsenden Metropolen noch hinter dünn besiedelten ländlichen Kreisen. Viele Investoren sitzen offenbar auf ihren Grundstücken.

Könnte eine Grundsteuer C daran etwas ändern? Skepsis ist auch deshalb erlaubt, weil es das Instrument schon einmal gab. Ab 1961 erhob der Fiskus eine Grundsteuer C, die umso höher ausfiel, je länger ein baureifes Grundstück ungenutzt blieb. Sie wurde nach nur zwei Jahren wieder abgeschafft.

Als Gründe nennt eine Kurzanalyse für den Bundestag, „dass sich das Grundstücksangebot entgegen den Erwartungen nicht erhöht hatte“ und mit „einem Anstieg der Grundstückskäufe durch Spekulanten eine unerwünschte Folge eintrat“. Für Reiche und Unternehmen sei die Steuer kaum ins Gewicht gefallen. Ärmere Bürger hingegen „konnten die höhere Steuerlast nicht tragen und mussten ihre Grundstücke verkaufen“. Auch heute dürfte eine Strafsteuer internationale Immobilienunternehmen mit hohen Gewinnspannen nur begrenzt beeindrucken.

Wird die Grundsteuer C reaktiviert, stellt sich zudem die Frage nach ihrer Berechnung. Derzeit wird die Grundsteuer anhand von jahrzehntealten Werten erhoben, weshalb das Bundesverfassungsgericht von der Politik in Kürze eine Reform fordern dürfte. Die Spielräume dafür sind aber beschränkt, weil die Länder einerseits die ihnen zustehenden Einnahmen aus der Grundsteuer sichern, andererseits aber oft Mehrbelastungen für ihre Bürger verhindern wollen.

Ein Verfallsdatum für Grundstücke?

IWU-Wissenschaftler Deschermeier hält vor diesem Hintergrund wenig von einem Comeback der Grundsteuer C. „Es wäre sinnvoller, das Baurecht mit einem Verfallsdatum zu versehen“, sagt er. „Dadurch könnte ein Investor innerhalb von zwei oder drei Jahren nach dem Kauf zum Bau verpflichtet werden.“

Doch nicht jeder sieht das schnelle Scheitern der Grundsteuer C in den Sechzigern als Gegenargument. „Warum wurde sie wieder abgeschafft?“, sagt Arno Bunzel, Vizechef des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIfU) in Berlin. „Nicht aufgrund von Mängeln, sondern aufgrund veränderter politischer Konstellationen.“ Ab 1961 regierte Konrad Adenauer mit der FDP, sie beantragte im Bundestag die Abschaffung.

Zumindest für Städte, die den bürokratischen Aufwand nicht scheuen, könnte die Grundsteuer laut Bunzel auch heute ein geeignetes Instrument sein. Sie sei aber „sicher nicht der große Wurf und wird allein die bodenpolitischen Probleme nicht lösen“.

Sinnvoll wäre nach Ansicht von Bunzel und anderen Experten eigentlich eine umfassende Reform der Grundsteuer hin zu einer Bodenwertsteuer. Die Unterscheidung zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken würde dabei komplett wegfallen, entscheidend wäre allein der Wert des Bodens. Heute dagegen steigt die Grundsteuer durch Bebauung – Baulücken oder Brachen sind steuerlich günstiger. „Grundstückspekulationen auf Kosten der Gemeinschaft bleiben somit attraktiv“, kritisierte das Bündnis „Grundsteuer Zeitgemäß!“

Neben der Grundsteuer gibt es im Koalitionsvertrag noch eine Reihe anderer Ansätze, um mehr Bauland zu schaffen. So sollen Länder und Kommunen künftig für den sozialen Wohnungsbau Grundstücke des Bundes „im beschleunigten Verfahren zu vergünstigten Konditionen“ erhalten. Bislang bevorzugt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hingegen häufig Privatinvestoren, weil diese in sogenannten Höchstgebotsverfahren am meisten Geld bieten (mehr dazu lesen Sie hier bei SPIEGEL Plus).

Damit soll Schluss sein, finden Bunzel und andere. Als das DIfU kürzlich mit anderen Experten eine „Bodenpolitische Agenda“ bis 2030 erarbeitete, war die erste Forderung eine „Abkehr vom Höchstgebotsverfahren auf allen staatlichen Ebenen“. Neben den Einnahmen müssten bei der Grundstücksvergabe immer auch sozialpolitische, städtebauliche oder ökologische Aspekte eine Rolle spielen. „Das Ausspielen der planerischen durch fiskalische Ziele wird so beendet und ein nachhaltiger Umgang mit dem nicht vermehrbaren Gut Boden etabliert.“

Zusammengefasst: Um mehr Wohnraum zu schaffen, plant die Große Koalition eine Rückkehr der sogenannten Grundsteuer C. Durch sie könnten unbebaute und baureife Grundstücke höher besteuert werden. Viele Experten halten die in den Sechzigerjahren schon einmal gescheiterte Steuer jedoch entweder für untauglich oder fordern eine Ergänzung durch andere Schritte. Dazu könnte eine Abkehr vom sogenannten Höchstgebotsverfahren für Grundstücke der öffentlichen Hand gehören.

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