Streit mit Brüssel Polens Premier will EU-Verfahren abwenden

Mateusz Morawiecki, seit Dezember Regierungschef in Polen, will Warschaus Politik in Brüssel besser erklären. Im SPIEGEL-Gespräch deutet er Chancen für einen Kompromiss in der Frage der Rechtsstaatlichkeit an.

Mateusz Morawiecki

Freitag, 16.02.2018  
12:46 Uhr

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sieht offenbar Chancen, das EU-Rechtsstaatsverfahren gegen sein Land abzuwenden. „Wir werden versuchen, auf die Bedenken Punkt für Punkt zu antworten“, sagt Morawiecki in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL.

Die EU wirft Polen vor, mit der Reform des Gerichtswesens gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung zu verstoßen. „Diesen Vorwurf halten wir für falsch“, erwidert Morawiecki: „Wir werden das erklären und können so hoffentlich die Basis für einen Kompromiss ausarbeiten.“

Der seit Dezember amtierende Premier wies auch Kritik an der Flüchtlingspolitik seiner Regierung zurück. Polen gebe Millionen Euro aus, um syrischen Kriegsflüchtlingen im Libanon zu helfen und habe Zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen.

In diesem Zusammenhang warnt Morawiecki erneut vor dem Bau der Ostseepipeline Nordstream 2 zwischen Russland und der Bundesrepublik: „Wird sie gebaut, wie von Deutschland gewünscht, kann Russland Gas nach Westen liefern, ohne auf die Rohrleitungen durch die Ukraine angewiesen zu sein. Das Land stünde dann völlig wehrlos da, und Russland könnte im Osten noch aggressiver vorstoßen. Nicht ausgeschlossen, dass dann an der Ostflanke der EU plötzlich etliche Millionen Flüchtlinge stehen.“

Polens Premier kritisiert im SPIEGEL-Gespräch, dass Europa die von Russland ausgehende Bedrohung nicht ernst genug nehme: „Russland spielt nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Syrien eine unheilvolle Rolle.“ Morawiecki beklagt, Deutschland betreibe eine zu passive Sicherheitspolitik: „Obwohl wir nicht wissen, welche Politik das Weiße Haus wählen wird, sitzen wir alle unter dem Schirm der Amerikaner. Die Deutschen fahren insofern schwarz – sie geben wenig aus, genießen aber vollen Schutz.“

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