SPD-Krise Nahles und Scholz starten GroKo-Tour mit Heimspiel

Die neue SPD-Spitze beginnt ihre Werbetour für die Große Koalition in Hamburg. Dort treffen Andrea Nahles und Olaf Scholz auf wenig Widerstand. In einem Punkt gibt es aber Kritik.

Samstag, 17.02.2018  
15:49 Uhr

Es ist ein Heimspiel für Olaf Scholz. Von einer „wichtigen, demokratischen Veranstaltung“ spricht der kommissarische SPD-Chef, als er am Samstagvormittag an der Hamburger Messe eintrifft. Gemeinsam mit jener Frau, die in zwei Monaten sein Amt übernehmen soll: Andrea Nahles.

Das neue Führungsduo der SPD startet an diesem Tag seine parteiinterne Werbetour für die Große Koalition. Auf dem Programm stehen sieben Regionalkonferenzen in allen Teilen des Landes. Bis zum 2. März können dann rund 463.000 SPD-Mitglieder abstimmen, ob die Partei in die Große Koalition gehen soll.

Dass die Parteispitze ihre Werbetour in Hamburg startet, dürfte kein Zufall gewesen sein: Scholz ist Erster Bürgermeister und Landesvorsitzender – und die Zustimmung einer Mehrheit der Hamburger Genossen gilt als sicher. 650 Mitglieder, darunter auch einige aus Schleswig-Holstein, waren in der Messe dabei. Teilnehmer beschrieben die nicht öffentliche Debatte als konstruktiv und sachlich.

Ein guter Start also für Nahles und Scholz. Und das ist wichtig für die neue SPD-Führung, die chaotische Tage hinter sich hat. Nach eigentlich gelungenen Koalitionsverhandlungen sorgten die Ex-Parteichefs Sigmar Gabriel und Martin Schulz dafür, dass die SPD als zerstrittener Haufen wahrgenommen wurde. Ein weiteres Abrutschen in den Umfragen war die Folge.

Auch Nahles und Scholz haben in den vergangenen Tagen einige Fehler gemacht. Vor allem unterschätzten sie, wie vehement die Basis den Plan, Schulz zum Außenminister zu machen, ablehnte.

Auch bei der Regionalkonferenz hätten mehrere Mitglieder das Postengeschacher kritisiert, heißt es danach von Teilnehmern. Doch wichtiger sei vielen Genossen die Frage gewesen, wie sich die SPD in der Regierung erneuern und ausreichend Profil zeigen könne.

„Warum sind hier keine profilierten GroKo-Gegner?“

Nahles zog nach dem Treffen ein positives Fazit. Sie reise „sehr optimistisch“ aus Hamburg ab. „Kritik haben wir heute auch gehört“, sagte Nahles. Es habe aber auch Anerkennung dafür gegeben, was die SPD im Koalitionsvertrag ausgehandelt habe.

Auch Schleswig-Holsteins Landeschef Ralf Stegner äußerte sich zuversichtlich. „Es war eine sachliche und offene Debatte“, sagte er dem SPIEGEL. „Das zeigt, dass es sich lohnt, kritisch mit den Mitgliedern zu diskutieren und keine Propaganda zu machen.“

Einige Teilnehmer der Regionalkonferenz beurteilten das Format hingegen kritischer. „Warum sind hier keine profilierten GroKo-Gegner?“, fragte etwa Christoph Gerken, 35. Er sei selbst noch unentschlossen, wie er abstimmen werde, sagte er. Ihn verwundere aber, warum die Parteiführung sich nicht profilierten No-GroKo-Protagonisten stelle – zum Beispiel Juso-Chef Kevin Kühnert. Gerken bemängelte, die Parteiführung habe die Veranstaltung zu stark dominiert.

Parteispitze hofft auf Stimmungswandel

Dazu kommt: Während die Jusos sonst fast überall GroKo-kritisch sind, kritisiert der Hamburger Parteinachwuchs Kühnerts Kampagne. Juso-Landeschefin Armita Kazemi, die am Samstag mit Nahles und Scholz auf dem Podium saß, wollte sich zuletzt zwar nicht festlegen , wie sie abstimmen werde. Sie hinterfragte aber Kühnerts kategorische Ablehnung und beklagte persönliche Angriffe. Kazemis Vize spricht sich sogar klar für die GroKo aus.

In der SPD-Führung regt sich inzwischen Hoffnung, die Stimmung könne sich zu ihren Gunsten wenden. „Ich glaube, der Wind hat sich gedreht“, sagte der Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek, dem Deutschlandfunk. Das Verhandlungsergebnis werde anerkannt und „die Alternativen zur Bildung einer Großen Koalition werden von zunehmend mehr Mitgliedern als nicht tragfähig angesehen“, sagte Groschek.

Tatsächlich könnte es vor allem ein Blick auf die Umfragen sein, der viele Mitglieder, die eigentlich skeptisch sind, am Ende doch für die GroKo stimmen lässt. Denn bei Neuwahlen, die bei einem Nein vermutlich relativ schnell kommen würden, könnte die SPD noch deutlich unter die 20,5 Prozent der jüngsten Bundestagswahl rutschen. Ein Blick auf die Umfragen zeigt: Das historisch schlechteste Wahlergebnis der Nachkriegsgeschichte ist derzeit in weiter Ferne.

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