Debatte über Vollverschleierung Worum es beim Burkaverbot geht

Die AfD provoziert im Bundestag mit der Forderung nach einem Verschleierungsverbot. Lesen Sie hier die wichtigsten Fakten zu Burka, Religion und der Rechtslage in Deutschland.

Burka-Trägerin

Donnerstag, 22.02.2018  
19:48 Uhr

Die AfD hat im Bundestag ein generelles Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit gefordert – und damit die anderen Fraktionen provoziert. Mehrere Parlamentarier hielten der rechtspopulistischen Partei vor, sich als Verteidigerin der Frauenrechte zu inszenieren, obwohl sie das Gegenteil bezwecke.

Die AfD führe eine Scheindebatte, sagte CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. Die Bundesregierung habe aber bereits in der vergangenen Wahlperiode mit dem teilweisen Verschleierungsverbot die Regelungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft. Lesen Sie alle wichtigen Fakten rund um das sogenannte „Burkaverbot“.

Um was geht es?

Mit dem Schlagwort „Burkaverbot“ fordern Politiker seit einiger Zeit, die Vollverschleierung im öffentlichen Raum zu verbieten. Aus ihrer Sicht symbolisiert der Ganzkörperschleier die Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen. Auch die AfD-Bundestagsfraktion schreibt nun in ihrem Antrag, ein gesetzliches Verbot der Vollverschleierung diene „dem Schutz des Individual-Freiheitsrechts der muslimischen Frau“ – zugleich außerdem „der inneren Sicherheit und dem staatlichen Ziel der Sicherstellung des gesellschaftlichen Zusammenlebens“.

Welche Formen der muslimischen Verschleierung gibt es?

In der gesellschaftlichen Diskussion wird die Burka oft mit der Verschleierung muslimischer Frauen gleichgesetzt. Tatsächlich existieren verschiedene Formen der Verhüllung, die je nach Region und Gesellschaftsschicht üblich sind.

Die Burka ist ein weites Gewand, das Körper und Gesicht der Frau vollständig verdeckt. Die Trägerin blickt durch ein feinmaschiges Gitter aus Stoff oder Rosshaar. Getragen wird die Burka vor allem in Pakistan und Teilen Afghanistans, dort war sie unter den Taliban für Frauen Pflicht.

Der Nikab ist ein Gesichtsschleier der meist mit einem bodenlangen Gewand kombiniert wird. Es bleibt nur ein schmaler Sehschlitz für die Augen frei. Den Nikab tragen Frauen vor allem in Saudi-Arabien, im Jemen und anderen Regionen der arabischen Halbinsel, aber auch in Europa.

Ein Tschador ist eine traditionelle Verhüllung in Iran. Er besteht aus einem großen Tuch, das die Frauen als Umhang um Kopf und Körper schlingen. Das Gesicht bleibt frei. Meist hat der Tschador eine dunkle Farbe.

Von muslimischen Frauen auf der ganzen Welt getragen wird der Hidschab. Der allgemeine arabische Begriff Hidschab („Vorhang, Schleier“), bezeichnet heute oft eine Kombination aus Kopftuch und weitem Mantel. Das Gesicht bleibt dabei frei, wobei Haare, Ohren, Hals und meistens auch die Schultern bedeckt sind.

Ist von Vollverschleierung die Rede, sind mit Vollverschleierung sind Burka oder Nikab gemeint. Die Frage, ob und in welcher Form sich muslimische Frauen verschleiern sollen, wird übrigens seit etwa 100 Jahren von den Rechtsgelehrten intensiv diskutiert. Ein eindeutiges Verschleierungsgebot lässt sich aus dem Koran (Sure 24, Vers 31 und Sure 33, Vers 59) nicht herauslesen.

DER SPIEGEL

Wie häufig kommt die Vollverschleierung in Deutschland vor?

Wie viele Frauen sich in Deutschland voll verschleiern, ist nicht bekannt. Auf eine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Özcan Mutlu antworte das Innenministerium, dass der Regierung keine Erkenntnisse über die Anzahl der Burka-Trägerinnen vorlägen. Die Bundesregierung führt auch keine Statistik darüber, wie viele Burka-Trägerinnen in Behörden arbeiten, wie aus einer weiteren Frage des Abgeordneten hervorgeht. Auch das Statistische Bundesamt und der Verband der Muslime zählen Burka-Trägerinnen nicht.

Wie ist die bisherige Rechtslage in Deutschland?

In Deutschland sind die islamischen Ganzkörperschleier oder Gesichtsschleier im Unterschied zu anderen europäischen Ländern nicht grundsätzlich untersagt. Einem gesetzlichen Verbot steht auch das Grundgesetz entgegen: Die in Artikel 4 der Verfassung garantierte Religionsfreiheit schützt nämlich das Tragen einer Verschleierung, wenn sie religiös motiviert ist. Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes legt fest: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Das bedeutet: Nicht nur der Glaube selbst ist geschützt, sondern auch, einen Glauben zu äußern.

Dazu zählt auch das Tragen religiöser Symbole und Kleidungsstücke, wie Nikab oder Burka. Eingeschränkt werden könnte die freie Religionsausübung nur dann, wenn sie gegen die Verfassung verstößt oder die Grundrechte Dritter beschneidet. Wenn eine Frau sich aus anderen Gründen verschleiern würde, könnte rechtlich bereits dagegen vorgegangen werden. Das gilt auch, wenn die Frau dazu gezwungen wird.

Trotzdem gibt es einige rechtliche Einschränkungen, die die Bundes- und Landesregierungen beschlossen haben. Zuletzt etwa verabschiedete der Bundestag im Juni 2017 ein Gesetz, das es Beamtinnen und Soldatinnen verbietet, ihr Gesicht bei der Arbeit zu verschleiern.

In verschiedenen Bundesländern haben Gerichte muslimischen Schülerinnen und Studentinnen das Tragen eines Nikab im Unterricht untersagt. Die Richter argumentierten, dass die Verschleierung eine offene Kommunikation behindere.

In welchen anderen EU-Staaten ist die Vollverschleierung verboten?

In den meisten EU-Ländern gibt es kein generelles Vollverschleierungsverbot. Als erstes europäisches Land hat Frankreich im April 2011 ein generelles Verbot der Vollverschleierung erlassen. Bei Verstößen drohen Geldbußen, es kann auch ein Kurs in Staatsbürgerkunde angeordnet werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte nach der Klage einer französischen Muslimin 2014 die Rechtmäßigkeit des Verbots.

Auch Belgien verfügt seit Juli 2011 über ein solches Verschleierungsverbot. Bei Verstößen drohen eine Geldstrafe oder mehrere Tage Haft. In Bulgarien ist es seit September 2016 grundsätzlich verboten, das Gesicht in der Öffentlichkeit zu verhüllen. Verstöße werden mit Geldstrafen bis zu 770 Euro geahndet. Erlassen wurde das Gesetz vor dem Hintergrund einer Debatte um Terrorismus und Islamismus. Vor einem ähnlichen Hintergrund wurde auch in Lettland ein Vollverschleierungsverbot im April 2016 beschlossen.

Das niederländische Parlament stimmte im November 2016 für ein Verbot in staatlichen Gebäuden, im öffentlichen Nahverkehr, in Schulen und in Krankenhäusern. Die Erste Kammer muss dem jedoch noch zustimmen. Zuletzt erließ Österreich im Oktober 2017 das so genannte Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, wonach es Personen unter Geldstrafe verboten ist, in der Öffentlichkeit ihre „Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände“ zu verhüllen.

Quelle