Heiko Maas im Außenamt Von Null auf Hundert

Kaum im Amt, muss Außenminister Heiko Maas zum Antrittsbesuch nach Paris. Zuvor hatte er in Berlin bei der Amtsübernahme Kontinuität beschworen – aber auch Standhaftigkeit angemahnt.

Außenminister Heiko Maas (l.) mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian

Mittwoch, 14.03.2018  
23:18 Uhr

Es ist ein kleiner Vorgeschmack für Heiko Maas. Für das, was ihn nun erwartet. Nachmittags noch die Amtsübergabe in Berlin, an der Seite seines Vorgängers Sigmar Gabriel. Am Abend bereits in Paris, um sich bei seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian vorzustellen.

Bis vor Kurzem noch Justizminister mit geringer Reisetätigkeit, startet er als Außenminister von Null auf Hundert. Nach Paris geht es am Freitag nach Warschau, zum polnischen Nachbarn. Das ist fast schon so etwas wie gute Tradition für Deutschland, dem Land in der Mitte der EU.

Der Saarländer hat außenpolitisch keine großen Erfahrungen, auch wenn er sich in der Vergangenheit als Justizminister schon mal kritisch zur Rolle des US-Präsidenten Donald Trump oder zum Streit um das Verfassungsgericht in Polen äußerte. Nun also soll Maas das diplomatische Parkett bespielen.

In Paris, im Außenministerium, geht es bei einem Abendessen mit Le Drian um die ganze Palette – deutsch-französische Beziehungen, Ukraine, Syrien, Iran, die angespannten Beziehungen zwischen Großbritannien und Russland nach dem Attentat auf einen früheren russischen Doppelspion und dessen Tochter in London. Am späten Nachmittag hat Maas, kurz vor dem Abflug, noch an einer ersten Kabinettssitzung teilgenommen. Er war da unter einigen neuen Gesichtern am Tisch schon eine der erfahreneren Kräfte.

Maas ergreift Macrons „ausgestreckte Hand“

Maas nennt seine Visite am Mittwochabend ein wichtiges Zeichen für die deutsch-französische Zusammenarbeit, um die „ausgestreckte Hand“ des Präsidenten Emmanuel Macron zur Erneuerung Europas „endlich zu ergreifen.“ Es ist ein erstes Vortasten auf fremdem Terrain. Vor den Mitarbeitern in Berlin, im Weltsaal des Auswärtigen Amtes, hatte er „um Geduld und starke Nerven“ gebeten, er komme „mit Demut“.

Sein Vorgänger Sigmar Gabriel präsentierte sich in seiner letzten Rede als deutscher Außenminister von einer ungewohnt weichen Seite. Seinen Ärger darüber, dass ihn die SPD-Führung aus dem Spiel genommen hat, ließ er sich nicht anmerken, höchstens ein bisschen Wehmut. „Ich will nicht verheimlichen, dass es Spaß gemacht hat – ich hoffe Ihnen auch!“ Damit spielte Gabriel auf seinen – für Diplomaten gewöhnungsbedürftigen – Hang zur kraftvollen Äußerungen und einem gewissen Trieb zur Selbstdarstellung an. Er habe ja seinem Vorgänger Frank-Walter Steinmeier vor 14 Monaten am selben Ort versprochen, „keinen Scheiß zu machen“. Das sei ihm wohl gelungen, „zumindest ist es heute nicht zur Sprache gekommen“, fügte er selbstironisch hinzu.

Gegenüber seinem Nachfolger Heiko Maas sparte er nicht mit Vorschusslorbeeren. „Sie bekommen einen exzellenten neuen Minister“, rief er den Beamten zu. Maas habe nicht nur „einen klugen Kopf, sondern auch ein gutes Herz“. Der neue Minister ging nur kurz auf Gabriels Amtszeit ein. Dem großen Applaus für Gabriel könne man entnehmen, dass dieser die Mitarbeiter des Auswärtigen Amts offenbar beeindruckt habe, sagte Maas – „und das scheint ja nicht einfach zu sein.“ Seinem Vorgänger wünschte er „alles Gute“. Die Komplimente überließ er dem Staatssekretär Walter Lindner. Auch wenn in der Zeremonie Brahms gespielt worden sei, so Lindner, verlasse mit Sigmar Gabriel ein echter Rock’n’Roller das Auswärtige Amt.

Neugierig auf die „DNA“ des neuen Kollegen

Nun also Maas, der eher den leisen Tonfall pflegt, aber mit seiner wiederholten Kritik an der rechtspopulistischen AfD gezeigt hat, dass er auch klare Kante kann. Der 51-Jährige, liiert mit der Schauspielerin Natalia Wörner (die demnächst im dritten Teil der ARD-Serie „Die Diplomatin“ zu sehen ist) muss nun zeigen, wie er das Amt ausfüllt. Oder, wie es Staatssekretär Walter Lindner bei der Amtseinführung sagte, man sei „neugierig, wie die DNA des neuen Kollegen“ sei.

Im neuen Amtssitz am Werderschen Markt, war Maas am Nachmittag vor die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes getreten. Zwischen seinem neuen Büro und dem früheren Amtssitz der Justiz liegen nur ein paar hundert Meter. Und doch ist Maas Wechsel nicht nur ein Ortswechsel – es ist ein Wechsel in eine andere Liga. Künftig ist Maas ein Akteur auf der unruhigen Bühne der Weltpolitik. Er tritt in die Fußstapfen sozialdemokratischer Vorgänger wie Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und auch Willy Brandt, der in der Großen Koalition von 1966 bis 1969 das Außenamt führte. Auf Brandt hat Maas in den vergangenen Tagen hingewiesen – welche „Ehre“ es sei, in diesem Haus mit dieser Geschichte zu wirken. Wer Maas verstehen will, der findet es womöglich in seinem besonderen Verhältnis zu Israel. Er sei nicht wegen Willy Brandt oder der Friedensbewegung in die Politik und die SPD eingetreten, sondern wegen Auschwitz, sagte er bei der Amtseinführung. Und er kündigte an, den jüdischen Staat möglichst bald zu besuchen.

In Richtung Moskau, das derzeit durch die russisch-britische Krise im Gefolge des Nervengans-Anschlags auf den Doppelspion Skripal und dessen Tochter belastet ist, spricht er – in Berlin und später auch in Paris -, von einem „nicht hinnehmbaren Verbrechen“, er erwarte von Russland, dass es sich „aktiv an der Aufklärung beteiligt“.

Maas bleibt vage

Sein Besuch in Frankreich kommt in einer wichtigen Phase der deutsch-französischen Beziehungen. Präsident Emmanuel Macron will die EU reformieren, erst am Mittwoch – pünktlich zur Vereidigung der neuen Kanzlerin und ihrer Regierung in Berlin – hat der französische Präsident gegenüber der Frankreich-Korrespondentin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt: „Wenn Deutschland sich nicht bewegt, ist ein Teil meines Projektes zum Scheitern verurteilt“. Das ist große Dramatik, wie sie französische Präsidenten gerne benutzen, zumal vor dem Besuch der Kanzlerin am Freitag in Paris und des neuen deutschen Finanzministers und Vizekanzlers Olaf Scholz.

Maas steht ab heute in einem Amt, das sich in den vergangenen Jahren daran gewöhnen musste, sich immer wieder und manchmal sehr rasch auf neue Lagen einstellen zu müssen. Nun ändert sich diese sich gerade einmal mehr in Rekordgeschwindigkeit – erst am Tag vor Maas Amtsübernahme hat der US-Präsident seinen Außenminister Rex Tillerson entlassen. Nun wird Maas mit Mike Pompeo, dem früheren CIA-Direktor, womöglich mit einem Mann mit härteren Ansätzen zu tun haben – etwa beim strittigen Thema des Nuklearabkommens mit dem Iran. Das, wie er in Paris erklärte, erhalten bleiben müsse und von allen Seiten umzusetzen sei.

Eigentlich war eine rasche Reise von Maas nach Washington und New York vorgesehen – auch das eine Tradition der neuen Amtsinhaber. Doch die Volten der US-Politik bringen manches durcheinander. Wegen der neuen Personallage muss die Reise zum wichtigsten Verbündeten wohl noch ein wenig nach hinten verschoben werden.

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