Terrorismus Verfassungsschutz warnt vor „Einsamen Wölfen“

Wenn Terroristen allein handeln, sind sie kaum zu stoppen. Nach SPIEGEL-Informationen registriert der Verfassungsschutz verstärkt dschihadistische Aufrufe zu Anschlägen von solchen Einzeltätern.

Ausschnitt aus IS-Propaganda-Video (veröffentlicht vom FBI im Oktober 2014)

Samstag, 17.03.2018  
08:49 Uhr

Die islamistischen Anschläge von Hannover, Würzburg, Ansbach, Berlin und Hamburg gingen auf das Konto einzelner Islamisten, die allein mordeten und verletzten. Sie beriefen sich dabei auf den „Islamischen Staat“ (IS). Teilweise standen die Attentäter auch mit sogenannten Mentoren der Terrormiliz in Kontakt, die sie über Messenger-Dienste aufhetzten und anleiteten.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) warnt nun in einer vertraulichen Analyse erneut vor Anschlägen einzelner Islamisten. In dem aktuellen Dokument heißt es nach SPIEGEL-Informationen, dass die Zahl dschihadistischer Aufrufe zu Anschlägen Einzelner in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen sei. Auch habe sich die Qualität der Hassbotschaften verändert, sie sei variantenreicher geworden.

„In dieser quantitativen Dichte und inhaltlichen Vielfalt bildet das Thema der ‚Einsamen Wölfe‘ mittlerweile ein prägendes Element vor allem der inoffiziellen dschihadistischen Propaganda und nimmt dort einen immer größeren Raum ein“, so das Bundesamt. Fast täglich erschienen in den sozialen Medien und in Messenger-Gruppen Anschlagsanleitungen, die sich an einzelne potentielle Terroristen richteten. Dabei würden auch gezielt Kinder als mögliche Opfer benannt. So rufe der IS konkret zu Angriffen auf Kindergärten und Kinderkrankenhäuser im Westen auf, warnt der Verfassungsschutz.

IS-Terrorkommandos suchten sich Tatorte mit Symbolkraft, wie Kindergärten

Die Propaganda scheint nach Wertung der Sicherheitsbehörde in der Vergangenheit verfangen zu haben. Tatsächlich seien 2017 mehr Anschläge einzelner Islamisten in Europa begangen worden als in den Vorjahren, heißt es. Häufig seien Messer verwendet worden. Der Geheimdienst-Analyse zufolge ist der IS nach seinen territorialen Verlusten auf Einzeltäterattacken angewiesen, um „den Fortbestand seiner Schlagkraft unter Beweis zu stellen“.

Für die Sicherheitsbehörden sind solche Anschläge einzelner Täter, begangen mit Alltagsgegenständen wie Messern oder Lastern, kaum zu verhindern. Es fehlten bei ihnen jegliche „erfolgversprechenden Ermittlungs- und Präventionsansätze“, steht in einer Analyse der Polizei: Die Täter reisten nicht, weil sie im Zielland lebten. Sie nutzten Waffen, die leicht und unauffällig zu beschaffen seien. Sie handelten kurzfristig oder spontan. Und vielleicht beziehen sie vor ihrer Tat noch nicht einmal jemanden in die Planung ein.

Oft verlaufen Tatplanung und Vorbereitung rasend schnell. Als Impuls reichten häufig „nahezu beliebige, subjektiv als islamfeindlich empfundene Äußerungen oder Handlungen aus“, heißt es in dem Polizei-Papier.

Der Frankfurter Flughafenattentäter Arid U. etwa, der im März 2011 zwei amerikanische Soldaten tötete, hatte zuvor einen Spielfilm über US-Kriegsverbrechen gesehen, den er später selbst als Auslöser für seine Tat benannte.

Kennzeichnend für Anschläge „selbstradikalisierter Personen“ oder „einsamer Wölfe“, wie sie im Fachjargon genannt werden, ist häufig auch eine andere Zielauswahl als bei den mit großem Aufwand geplanten Operationen.

Die Terrorkommandos des IS suchten sich Tatorte mit Symbolkraft. Paris und Brüssel sind europäische Metropolen, pulsierende Zentren der in den Augen der Terroristen verhassten westlichen Lebensweise, Städte von erheblicher historischer und politischer Bedeutung. Die Einzeltäter hingegen schlagen häufig in ihrem persönlichen Nahbereich zu, das können Weltstädte sein, müssen es aber nicht. Die Kulisse ist ihnen weniger wichtig als bei konzertierten Aktionen terroristischer Organisationen.

„Wir wollen unbedingt Anschläge von Terrorkommandos in Deutschland verhindern“, sagt ein hochrangiger Beamter aus dem Sicherheitsapparat. „Aber Attacken von Einzeltätern wird es leider auch weiterhin geben.“

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