Eskalation im Zollstreit Und dann kommt die Stunde X

Die Zeit läuft ab: Der EU drohen ab Dienstag hohe US-Zölle auf Stahl und Aluminium. Lässt Donald Trump doch noch mit sich reden? Und falls nein: Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Duisburger Stahlhütte

Montag, 30.04.2018  
16:55 Uhr

Der vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump angezettelte Streit mit der Europäischen Union (EU) über neue Handelsbeschränkungen steuert auf einen Höhepunkt zu. Einen Tag vor dem Auslaufen einer Schonfrist für europäische Unternehmen gibt es noch immer keine Einigung zwischen beiden Seiten. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström will in einem Telefonat US-Handelsminister Wilbur Ross doch noch umstimmen. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen im Überblick:

Worum geht es im Zollstreit?

Die USA und die EU erheben auf bestimmte Produkte Einfuhrzölle. Diese variieren je nach Branche und Ware – und für bestimmte Produkte verlangt die EU sogar höhere Zölle als die Amerikaner (siehe Grafik).

Da die USA gegenüber der EU zudem ein Handelsdefizit von mehr als 150 Milliarden Dollar ausweisen, also deutlich mehr Waren importieren als exportieren, droht Trump mit Strafzöllen auf europäische Produkte wie Aluminium und Stahl. Er inszeniert sich als Opfer des Welthandelssystems, das die USA jedoch über Jahrzehnte mitgeprägt haben.

Was droht den europäischen Unternehmen?

Vor einigen Wochen hatte die US-Regierung bereits Strafzölle für Einfuhren aus China und anderen Ländern angekündigt: 25 Prozent auf Stahl und 10 Prozent auf Aluminium. Die EU hatte noch mal eine Schonfrist erhalten – bis zum 1. Mai. Gibt es in den nächsten Stunden also keine Einigung, sollen die erhöhten Zölle auch für die EU-Staaten gelten.

Die Produkte europäischer Stahl- und Aluunternehmen könnten in den USA also deutlich teurer werden. Dem Stahlverband Eurofer zufolge könnten insgesamt 35 Millionen Tonnen Stahl im Gesamtwert von 30 Milliarden Dollar von den Zöllen betroffen sein. Eurofer-Generaldirektor Axel Eggert schätzte Anfang März, die US-Einfuhren könnten durch die Strafzölle „um etwa 20 bis 25 Millionen Tonnen“ zurückgehen.

Aus Deutschland stammen allerdings nur drei Prozent der US-Stahlimporte – und die Aluminiumimporte kommen überwiegend aus Kanada.

Stahl- und Aluzölle allein dürfte die deutsche Wirtschaft also verschmerzen können. Allerdings könnte durch die Beschränkung in den USA künftig mehr billiger Stahl aus Fernost auf dem bislang ja noch wenig reglementierten EU-Markt landen – und dort die Konkurrenz verschärfen.

Dementsprechend warnte Nordrhein-Westfalens FDP-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart im WDR auch vor Folgen für den Arbeitsmarkt hierzulande. Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Joachim Lang, sieht sogar Zehntausende Jobs in Gefahr.

Gefährlich wäre auch das Signal, das von den Zöllen für andere Branchen ausginge. Sollten etwa auch auf Autos Strafzölle verhängt werden, könnte das Baden-Württemberg „hart treffen“, warnte die dortige CDU-Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut am Wochenende. Mit acht Milliarden Euro seien etwa ein Drittel der Südwest-Exporte in die USA Fahrzeuge und Autoteile. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben hatte bereits im März gewarnt, die exportorientierte deutsche Wirtschaft sei wie kaum eine andere auf offene Märkte angewiesen. Zölle „kosten die deutsche Wirtschaft Millionen“.

Wie wür
den sich die Zölle auf die US-Wirtschaft auswirken?

Profitieren dürften von den Zöllen amerikanische Stahl- und Aluminiumfirmen. Es ist Trumps erklärtes Ziel, bei ihnen Industriearbeitsplätze zu sichern. Allerdings könnten auch US-Unternehmen unter den neuen Zöllen leiden, wenn sie etwa Stahl und Alu verarbeiten und importieren müssen. Das betrifft zum Beispiel Automobilbauer wie Ford, aber auch BMW oder VW, die große Werke in den USA haben. Für sie werden die Vorprodukte teurer, die sie zum Bau ihrer Autos brauchen.

Hinzu kommt, dass die US-Zölle auch Gegenmaßnahmen der EU auslösen könnten. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, hatte die „Abschottungspolitik der USA“ deshalb jüngst als Fehler bezeichnet. Präsident Trump riskiere eine Spirale des Protektionismus, „die am Ende auch amerikanische Jobs kosten werde“. Auch der internationale Währungsfonds geht von einem Schaden für die US-Wirtschaft aus.

Wie würde Europa reagieren?

EU-Handelskommissarin Malmström versucht am Montag noch vieles, um höhere Zölle zu vermeiden. Neben dem Telefonat mit US-Handelsminister Ross sind auch Gespräche mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und dem französischen Finanzminister Bruno Le Maire eingeplant.

Sollte das alles nichts mehr nützen, will die EU zurückschlagen. Die Kommission erwägt eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO), Schutzmaßnahmen für die eigene Wirtschaft – sowie Zölle auf US-Produkte. Dazu hat sie bereits eine Liste mit amerikanischen Waren erstellt, deren Einfuhr man potenziell verteuern könnte. Insgesamt geht es um Produkte im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Dazu gehören neben Eisen und Stahl auch Textilien, Motorräder oder Kidneybohnen.

Wie genau die EU reagieren wird, ließ die Kommission offen. Man sei „geduldig , aber auch vorbereitet“, hieß es am Montag bloß. Der Tag der Arbeit werde für die Behörde wohl sehr arbeitsreich.

Wie könnten Strafzölle doch noch verhindert werden?

Die Trump-Regierung verlangt Insidern zufolge von der EU ein Entgegenkommen für US-Unternehmen – oder Obergrenzen bei den EU-Stahlexporten. Wie angesichts dessen ein Kompromiss genau aussehen könnte, ist offen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte für ein Angebot der EU geworben. Man müsse versuchen, weiter zu verhandeln, auch wenn Trump die Zölle beschließe. Der CDU-Politiker äußerte sich kritisch gegenüber den von der EU angedrohten Vergeltungsmaßnahmen, lehnte im Deutschlandfunk Ausfuhrbegrenzungen jedoch ab: „Was wir nicht versprechen können und wollen, ist aber, dass wir unsere Exporte begrenzen.“

Im Gespräch ist auch ein neuer Versuch, das gescheiterte Freihandelsabkommen TTIP doch zu beschließen – womöglich in abgespeckter Form. Für ein solches „TTIP light“ haben sich unter anderem Außenhandelspräsident Holger Bingmann und EU-Kommissar Günther Oettinger ausgesprochen. Bingmann schlug vor, Trump könne die Zoll-Ausnahmen um sechs Monate verlängern, während an einer Art Industriezollabkommen gearbeitet werde. Linken-Politiker Fabio De Masi warnte vor diesem Schritt: „Ein Mini-TTIP zur Senkung von Industriezöllen wird den Außenhandel nicht ins Lot bringen.“

Quelle