Vor WM-Halbfinale in Kopenhagen Warum die Schweden so gut Eishockey spielen

19 der 25 schwedischen Spieler bei der Eishockey-WM spielen in der NHL, die meisten sind Leistungsträger: Als einziges Team haben die Tre Kronor jedes WM-Spiel gewonnen – woran liegt das?

Viktor Arvidsson (r.), Oliver Ekman-Larsson

Samstag, 19.05.2018  
13:51 Uhr

Natürlich hätte er auch gleich nach Hause fliegen können. Einmal in Ruhe darüber nachdenken, ob er nach neun Jahren in Arizona wechseln oder für Dutzende Millionen Dollar verlängern soll. Sich einmal erholen von der langen NHL-Saison und den vielen Reisen. Zumal er bereits 2017 in Köln Weltmeister geworden war. Aber danach steht Oliver Ekman-Larsson nicht der Sinn.

„Gewinnen wird niemals langweilig“, sagte er nach dem Viertelfinalerfolg der Schweden bei der WM in Dänemark: „Deswegen spielst du doch Eishockey“.

Oliver Ekman-Larsson, 26, Verteidiger, spielt sogar besonders gut Eishockey. So wie viele Schweden. Kein anderes Land in Europa hat mehr Spieler in der NHL untergebracht. Jeder Zehnte in der nordamerikanischen Eliteliga hat einen schwedischen Pass. In der aktuellen Saison sind es 96 Spieler. Dass die NHL vergangenen November zwei Spiele in Stockholm austrug, sei laut Liga-Boss Gary Bettman „unsere Art, den Schweden für ihre Verdienste für unsere Liga zu danken“.

Halbfinale gegen die USA

Das wird er noch häufiger tun können. Wenn die 31 Teams beim Draft Ende Juni die größten Talente unter sich aufteilen, ist der nächste Jahrgang dran. In der Europa-Rangliste, die das Heer an Scouts im Auftrag der NHL erstellt hat, befinden sich sechs Schweden unter den Top Ten. Allen voran Rasmus Dahlin, 18 Jahre alt, Verteidiger-Juwel.

Bei der WM in Kopenhagen fehlt Dahlin. Benötigt wird er nicht. 19 der 25 Spieler verdienen ihr Geld bereits in der NHL, die meisten viele Millionen als Leistungsträger. Warum sie zu einem Turnier kommen, das sich andere Topspieler gern schenken? „Wenn der eine geht, gehen auch die anderen. Die Chance auf Gold steigt, das lockt noch mehr an“, sagt John Klingberg von den Dallas Stars.

Entsprechend sind die Ergebnisse: Die Tre Kronor haben als einzige Mannschaft jedes ihrer acht WM-Spiele gewonnen. Geht es am Samstag (15.15 Uhr; Sport 1) im Halbfinale gegen die USA so weiter, können sie ihren Titel am Sonntag verteidigen. Egal, ob es dann gegen Kanada oder die Schweiz geht.

350 Eishallen und knapp 150 Freilufteisbahnen

Wann immer zuletzt ein Eishockeyturnier auf gehobenem Niveau anstand, waren die Schweden weit vorne zu finden. Seit 2013 gewannen sie zwei Mal WM-Gold, Olympia-Silber 2014 sowie World-Cup-Bronze 2016. Und obwohl kein Topteam in der NHL ohne Schweden auskommt, bleibt genug Qualität für die heimische Liga. Fünf der acht Finalisten der 2014 wiederbelebten Champions League kamen aus der SHL, ebenso drei der vier Sieger.

Geht es nach Dusan Umicevic, Kommentator beim öffentlich-rechtlichen Sender Sveriges Television und einer der bekanntesten Eishockey-Journalisten des Landes, liegt das an Verbands-Generalsekretär Tommy Boustedt: „Der hat vor Jahren ein spezielles Programm entwickelt, um die Toptalente gezielt zu fördern. Das zahlt sich aus.“ Ebenso die Infrastruktur: Für die zehn Millionen Einwohner gibt es 350 Eishallen und knapp 150 Freilufteisbahnen, das achtmal so bevölkerungsreiche Deutschland hat etwa die Hälfte an künstlichen Eisflächen.

Vor allem im Norden ist Eishockey für viele Lebensmittelpunkt. Allein in und um die Kleinstadt Örnsköldsvik gibt es sechs Vereine für 45.000 Einwohner. Der bekannteste ist Modo, die Talentschmiede überhaupt. Peter Forsberg, Markus Näslund, die Sedin-Zwillinge oder Victor Hedman haben dort Weltkarrieren begonnen. Und es gibt mehrere solcher Zentren.

35 Minuten brauchen die schwedischen Fans nach Kopenhagen

Davon und von der Eliteförderung des Verbands profitieren vor allem die Nationalmannschaften. Die U20 hat seit 2006 kein Gruppenspiel bei der jährlichen WM verloren. „Die Klubs bilden gut aus, der Verband macht die Arbeit weiter. Ich bin seit der U16 dabei und immer sehr gut betreut worden“, sagt Filip Forsberg, Torjäger der Nashville Predators, der zahlreiche WM-Spieler aus der Jugend kennt. Auch Trainer Rikard Grönborg. Für Journalist Umicevic der Hauptgrund, warum es so gut läuft: „Das Verhältnis untereinander ist über Jahre gewachsen, auch das zum Trainer, der früher die U18 und die U20 trainiert hat.“

John Klingberg sagt: „Wir kennen uns aus der Jugend, das ist bei einem kurzen Turnier viel wert. Man muss schnell zueinanderfinden und Spaß haben. Das haben wir.“ Auch, weil sich das Turnier laut Oliver Ekman-Larsson „wie eine Heim-WM anfühlt“. Die Bahn braucht von Malmö bis Kopenhagen nur 35 Minuten, tausende Fans sind in der Stadt, ganze Kneipen sind blau-gelb geschmückt. Nun wartet alles auf die Titelverteidigung.

„Danach“, sagt Ekman-Larsson, „haben wir noch genug Zeit zur Erholung.“

Quelle