Politische Fernsehaufsicht Können wir, bitte, über etwas anderes reden?

Bislang war Sandra Maischberger der Liebling des hellen Deutschlands. Jetzt gilt sie als Stichwortgeberin der neuen Rechten, weil sie zu viel über Zuwanderer reden lässt. Der Flüchtlingsdiskurs erreicht eine neue Stufe des Irrsinns.

WDR/ Max Kohr
„Maischberger“-Talkrunde am 6. Juni 2018

Donnerstag, 14.06.2018  
15:37 Uhr

Ich habe Schuld auf mich geladen. Ich habe an der schlimmsten Talkshow des Landes teilgenommen. Am Mittwoch vor einer Woche saß ich bei „Maischberger“, um über die Deutschen und den Islam zu reden.

Bislang dachte ich immer, ein Auftritt bei „Maischberger“ sei okay. Wenn es jemand gibt, auf den man sich politisch verlassen kann, dann doch Sandra Maischberger. Lieber würde sie sich einen Arm abhacken, als etwas zu wählen, was als rechts gilt. Wenn nur Menschen wie Maischberger bei Bundestagswahlen abstimmen dürften, würde die Sozialdemokratie seit Willy Brandt ununterbrochen den Kanzler stellen.

Trotzdem: „Maischberger“ geht gar nicht. Nach der Sendung meldete sich der Deutsche Kulturrat zu Wort und forderte eine einjährige Talkshow-Pause. Auch mein Kollege Georg Diez holte zum Schlag aus. TV-Talkshows wie die von Maischberger trügen zur Spaltung der Gesellschaft bei.

Alles, was schief laufe in Deutschland, die Angst, die Häme, der Hass, werde durch die Talkshows potenziert und befördert. „Durch ihre verzerrende Themensetzung hält die Talkshow die zentrifugalen Kräfte unserer Gesellschaft in Schwung“, las ich. Noch ein, zwei solche Sendungen und die AfD stellt den nächsten Kanzler. So gesehen ist eine Zwangspause, um die Beteiligten zur Besinnung bringen, ein vergleichsweise moderates Mittel. Am besten wäre ein generelles Talkshow-Verbot.

Lieber gefährlich als belanglos

Für mich ist die Talkshow-Diskussion ein Zeichen für die Konfusion und Ratlosigkeit im linken Lager. Wenn einem nichts mehr einfällt, womit man Menschen für seine politischen Anliegen begeistern kann, schimpft man darüber, dass sie zu dumm seien zu begreifen, wie gut man es mit ihnen meine, weil sie die falschen Zeitungen läsen oder die falschen Sendungen sähen.

Ich will ja nicht hochnäsig klingen, aber die lautesten Tröten im Klagechor sind oft Leute, von denen man bis dahin noch nie etwas gehört hat. „Deutscher Kulturrat“ klingt toll. In Wahrheit ist es eine Art Abmahnverein, dessen Vorsitzender im Einmannbetrieb Pressemitteilungen verschickt.

Bislang hielt man sich im Feuilleton vor allem an der Oberflächlichkeit der Talkshow auf. Zu seicht, zu unstrukturiert, zu viel Gequatsche, das waren die Vorwürfe gegen diese Art von Sendung. Jetzt gelten Moderatoren wie Plasberg oder Maischberger plötzlich als demokratiegefährdend. Wenn ich es mir aussuchen dürfte, ob ich lieber als gefährlich oder als belanglos gelten möchte, wäre ich für gefährlich. Aber so denken vermutlich nur wenige.

Man solle endlich über die wichtigen Themen reden, über den fehlenden Breitbandanschluss oder die Bildungsungerechtigkeit, heißt es jetzt. Es gebe so viel Wichtigeres als die Einwanderung. Nichts gegen den Breitbandausbau als Thema, das ist sicher eine faszinierende Sache. Leider interessieren sich die Leute für das, für was sie sich interessieren. In vielen Umfragen rangiert die Flüchtlingspolitik weit oben, noch vor Rente oder Bildung. Die Gewitzten sehen die Umfragen als Beweis, dass in Deutschland über das Falsche diskutiert wird. Würde im Fernsehen mehr über Breitband und Bildung geredet, hätten die Menschen nicht das Gefühl, die Flüchtlinge seien ein Problem.

Ich glaube keine Sekunde, dass es die Talkshows braucht, um das Interesse auf einen Fall wie den Mord an dem armen Mädchen in Wiesbaden zu lenken, das einem Asylbewerber aus dem Irak zum Opfer gefallen ist. Selbst die bedächtige „Zeit“ verlangt auf ihrem aktuellen Titel, dass sich etwas grundsätzlich ändern müsse. Das zeigt, wie aufgewühlt das Land durch Schreckenstaten ist, bei denen die Täter junge Männer sind, die das Land längst hätten verlassen sollen.

Wie Lügenpresse, nur andersherum.

Ich wage an dieser Stelle eine Prophezeiung. Wenn es nicht bald gelingt, den Bürgern das Gefühl zu geben, dass die Regierung alles tut, um die Kontrolle über die Asylpraxis zurückzugewinnen, wird die AfD bei 20 Prozent liegen, alle Hitlereien hin oder her. Viele Leute haben sich schon in der Vergangenheit die Nase zugehalten, als sie bei der AfD ihr Kreuz setzten. Beim nächsten Mal halten sie sich die Nase eben noch fester zu. Auch deshalb kämpft Horst Seehofer ja so entschieden darum, dass Deutschland wieder seine Grenzen sichert.

Wie ich es sehe, ist die CSU die einzige Partei, die wirklich den Kampf gegen die AfD aufgenommen hat. Alle anderen haben sich mit deren Existenz abgefunden. Die Linkspartei hält an ihrem Mantra fest, dass die Grenzen für alle offen bleiben müssen. Die SPD blinkt ein bisschen rechts, zuckt aber sofort zurück, wenn es ernst wird. Mit den Genossen ist es nicht einmal möglich, Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, wie die Parteivorsitzende gerade lernen musste. Und der CDU hängt der Entschluss der Kanzlerin, bei ihrer Flüchtlingspolitik zu bleiben, wie ein Mühlstein um den Hals.

Die Diskussion über den Anteil der Medien am Aufstieg der Rechten gibt es seit der Bundestagswahl. Im Herbst waren es die Leute aus dem Kanzleramt, die sagten, dass die AfD ihren Erfolg dem Fernsehen verdanke. Entweder behandeln die Talkshows die falschen Themen oder sie stellen die falschen Fragen. Das ist wie Lügenpresse, nur andersherum.

Fehlt eigentlich nur noch, dass man über die Mainstreampresse klagt, die den Kontakt zur Wirklichkeit verloren habe. Aber halt, genau so steht es ja bei meinem Kollegen Diez: Die Talkshows seien exemplarisch für „die etablierten Medien, die so tun, als seien sie diejenigen, die darüber entscheiden, was und wie diskutiert wird“.

Willkommen beim AfD-Talk. Ganz ohne Maischberger.

Quelle