Spaniens WM-Coach Last Action Hierro

Real Madrids Klublegende Fernando Hierro soll Spanien zum WM-Titel führen. Als Trainer hat er aber kaum Erfahrung. Warum der Job trotzdem ideal für ihn ist.

Donnerstag, 14.06.2018  
15:47 Uhr

Dass Fernando Hierro ein Alleskönner ist, hat er während seiner aktiven Karriere bewiesen. Für Real Madrid erzielte er in 584 Pflichtspielen 123 Tore – als Abwehrspieler. Doch nun steht der 50-Jährige vor einer Aufgabe, die selbst ihn überfordern könnte: Er soll Spanien als Trainer zum WM-Titel führen, mit einer Vorbereitungszeit von rund 48 Stunden. Keine leichte Aufgabe, aber sie passt in Hierros Lebenslauf.

Kurz vor Beginn der WM in Russland ging alles ganz schnell: Real Madrid verpflichtete Spaniens Nationaltrainer Julen Lopetegui für die kommende Saison. Die Königlichen hatten den Verband um Chef Luis Rubiales allerdings erst wenige Minuten vor Bekanntmachung des Transfers informiert. Rubiales entließ daraufhin Lopetegui – und machte aus Sportdirektor Hierro den Cheftrainer. Für Hierro kommt damit wieder einmal alles anders als gedacht.

Rückblick ins Jahr 1989: Hierro, damals 21 Jahre alt, galt in Spanien als hoffnungsvolles Talent. Mit seinem Klub Real Valladolid hatte er überraschend den sechsten Platz in der Liga erreicht und gehörte als Libero zu den Säulen des Teams. Durch den Erfolg mit Valladolid wurden größere Teams auf ihn aufmerksam, auch Hierro suchte eine neue Herausforderung. Im Juni 1989 posierte er bereits mit dem Trikot von Atlético Madrid, wenige Wochen später lief Hierro jedoch für Atléticos Stadtrivalen Real auf.

Ebenso zügig wie sein Wechsel nach Madrid über die Bühne ging, machte er sich bei Real als Stammspieler unverzichtbar. Bereits in seiner ersten Saison in Madrid absolvierte er 42 Pflichtspiele, in denen er sieben Treffer erzielte. Der Defensivspezialist war nicht nur für die Abwehr des Klubs enorm wichtig, sondern zeichnete sich auch als sicherer Elfmeter- und Freistoßschütze aus. Real wurde souverän Meister.

Plötzlich sollte er Real Madrid verlassen

In den Jahren darauf sammelte Hierro mit dem Klub weitere Titel. Insgesamt wurde er fünfmal spanischer Meister, einmal spanischer Pokalsieger, dreimal Champions-League-Sieger und gewann zweimal die Klub-Weltmeisterschaft. 14 Jahre stand er bei Real unter Vertrag – der Klub wurde zu einer Konstante auf Hierros Lebensweg. Im Sommer 2003 jedoch sollte er den Verein abrupt verlassen.

Im Fernduell mit Real Sociedad ging es für Madrid um die Meisterschaft. Beide Klubs konnten am letzten Spieltag den Titel holen. Doch in Madrid wurde in jenen Tagen nur über ein Thema geredet: David Beckham. Der Wechsel des damaligen Stars von Manchester United für eine Summe von 35 Millionen Euro wurde kurz zuvor öffentlich gemacht. Hierro kritisierte, dass sich alles nur um den Beckham-Transfer drehe. Der Klub solle die Meisterschaft nicht aus den Augen verlieren. Real-Präsident Florentino Pérez gefiel Hierros Verhalten gar nicht, schließlich hatte er den Millionen-Deal mit Beckham eingefädelt.

Im entscheidenden Spiel gewann Madrid 3:1 gegen Athletic Bilbao, das reichte zum Gewinn der Meisterschaft. Hierro wurde in der 88. Minute von Trainer Vicente Del Bosque unter Standing Ovations der Zuschauer ausgewechselt. Es sollte das letzte Mal gewesen sein.

Hierro musste den Verein auf Druck von Pérez verlassen und ließ seine Karriere anschließend noch für zwei Jahre bei Al-Rayyan in Katar und bei den Bolton Wanderers in der Premier League ausklingen. Heutzutage wird Hierro in einem Atemzug mit Klub-Legenden wie Alfredo Di Stéfano, Ferenc Puskás, Raúl oder Zinédine Zidane genannt. Und auch Pérez hat ihm mittlerweile verziehen.

Wenig Erfahrung als Trainer

Für die Saison 2014/2015 holte Pérez Hierro als Co-Trainer von Carlo Ancelotti zurück zu den Königlichen. 2016 wurde Hierro erstmals Cheftrainer eines Klubs – er verließ den spanischen Zweitligisten Real Oviedo allerdings nach einer durchwachsenen Saison auf dem achten Tabellenplatz wieder.

Ende November 2017 wurde er Sportdirektor des spanischen Fußballverbands. Diesen Job hatte er bereits von 2007 bis 2011 ausgeübt, damals hatte er mit der Nationalmannschaft die EM 2008 und die WM 2010 gewonnen. Als Spieler waren ihm die beiden Titel noch verwehrt geblieben. Trotzdem zählt er mit 30 Toren in 89 Länderspielen zu den größten Spielern, die Spanien je hatte.

„Das Ziel ist, um den Titel zu kämpfen. Wir haben keine Zeit, an etwas anderes zu denken. Alles, was passiert ist in den vergangenen Tagen, taugt nicht als Rechtfertigung für irgendwas“, sagte Hierro bei seiner Antrittspressekonferenz.

In seinem ersten Spiel als Trainer des spanischen Teams trifft Hierro in Russland gleich auf Europameister Portugal (20 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV: ARD). Es könnte leichtere Gegner bei einem WM-Auftakt geben.

Quelle