Gesichter Russlands Julia, Torhüterin, nutzt ihre Chance

Ekaterina Anokhina
Seit sie ein kleines Mädchen war, ist Julia Gritschenko verrückt nach Fußball. Sie schaffte es bis in die russische Nationalmannschaft. Und hat zur WM in ihrem Land einen großen Wunsch.

Donnerstag, 14.06.2018  
16:08 Uhr

[STECKBRIEF]
Julia Gritschenko28 Jahre alt
Klub: Lokomotive Moskau

Ekaterina Anokhina

Moskau, Training der Frauen-Fußballnationalmannschaft auf dem Platz von Lokomotive, Julia Gritschenkos Verein im Nordosten der russischen Hauptstadt.

Julia ist die erste Torwartin der Nationalmannschaft. Anders als die Männer, denen die große Bühne gehört, wenn sie am Donnerstag als Gastgeber die WM gegen Saudi-Arabien im Luschniki-Stadion eröffnen, müssen sich die Frauen für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr qualifizieren. Es wird nicht leicht, bei den letzten Wettbewerben haben die Frauen es nicht geschafft. Julia glaubt trotzdem dran: „Wir müssen noch ein Spiel gewinnen. Dann sind wir dabei.“

Ekaterina Anokhina

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Torwarttrainer Dimitrij sagt über Julia:

„Sie ist ruhig, verfügt über eine gute Technik, hat einen großen Willen, zu wachsen.“

Sie sagt über sich:

„Für mich ist es im Tor wie im Leben auch, du musst konzentriert sein. Auf jeden Moment warten, sich auf jede mögliche Variante einzustellen. Hoffnungsfroh sein.“

Julia lacht, als sie gefragt wird, woher sie nur die Konzentration und Ruhe nehme, immer dem Ball zu folgen, stets reaktionsbereit zu sein? „Wenn du im Leben verantwortungsbewusst, fair und konzentriert bist – dann bist du es auch auf dem Platz.“

Ekaterina Anokhina

Mit fünf, sechs Jahren hat Julia, geboren im Süden Russlands in Batajsk, mit dem Kicken angefangen. „Damals galt das noch als wild, wenn ein Mädchen im Hof spielte“, erinnert sich Julia. Zum Fußball brachten sie ihr Bruder und ihr Vater, die sie als kleines Mädchen mit ins Stadion nahmen. Es hat sofort gefunkt, erzählt sie, „Fußball ist seitdem mein Leben“.

Als Kind spielte sie erst im Angriff, durch einen Zufall, weil Keeper fehlten, stellte der Trainer sie ins Tor, und da steht sie noch heute, seit 2013 für die russische Nationalmannschaft.

Ihre Karriere verdankt Julia ihrem Vater. Selbst einmal ein guter Spieler und große Hoffnung, hatte er nicht die Möglichkeit, Profi zu werden. Seine Eltern ließen ihn nicht, erzählt Julia. Als sie die Chance hatte, habe er ihr gesagt: „Ich möchte nicht, dass du mit mir später schimpfst. Mir hat man eine solche Möglichkeit nicht gegeben, ich gebe sie dir.“ Diese Chance, sagt Julia, „habe ich genutzt“.

Ekaterina Anokhina

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Tagesplan der russischen Frauennationalmannschaft – Aushang im Hotel des Teams

8 Uhr Frühstück
9.15 Uhr Abfahrt zum Training
10 Uhr Training
13.30 Uhr Mittagessen
14 bis 16 Uhr Erholung
19.30 Uhr Abendessen
20 Uhr regenerierende Maßnahmen wie z.B. Massagen
22.30 Uhr Nachtruhe
Eine besondere Diät hält Julia nicht. Sie achte auf ihre Ernährung, Fast Food und Cola sind tabu , aber Schokolade ist schon erlaubt – „einige Gramm“. Auf ihrem Zimmer, das sie sich mit der Mittelfeldspielerin Ekaterina Bratko teilt, liegt eine Tafel Nussschokolade im Kühlschrank. „Wie könnte man ohne?“, lachen die Frauen.

Und die Zukunft, Julia?

Die WM der Männer verändere alles, sagt Julia. Sie rechnet mit einem „riesengroßen Fußballboom“ in Russland. Jungs und Mädchen werden die Stars mit eigenen Augen sehen, die Ronaldos, Messis, Salahs und Müllers. „Die Kinder werden ihre Fußballgötter erleben, begeistert sein und sich eine eigene Mannschaft suchen“, da ist sich die Torhüterin sicher.

Die Fußballweltmeisterschaft sei ein entscheidender Schritt für die Entwicklung des Fußballs im Land, auch für die Frauen. Der Fußballverband listet bisher nur 160 Profispielerinnen auf, bei den Männern sind es 15-mal so viele. „Es müssen und werden mehr werden.“

„Was alles gemacht, welche Stadien gebaut wurden – das ist cool“, sagt Julia. Ich wünsche mir, dass es öfters solche Ereignisse gibt. Dass wir eine WM für uns Frauen in Russland bekommen.“

SPIEGEL ONLINE

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