ARD und ZDF bei der WM „Wenn du Ronaldo siehst, greif ihn ab!“

Das können lange vier Wochen werden: „Der Bommes“ und die anderen Moderatoren und Experten plaudern bei ARD und ZDF über die WM in Russland. Mit viel Stammtischhumor aus dem Würstchen-Witzebuch.

ARD-Team Opdenhövel, Hitzlsperger, Kuntz und Bommes (v.l.)

Sonntag, 17.06.2018  
11:30 Uhr

Fünf farbenscheue Bankkaufmann-Cousins rudeln sich um ein Konversationstischchen. Sie tragen sämtlich dunkelblaue Anzüge, dazu schüchterne Hemd-Shirt-Variationen in weiß und blau. Ein bisschen sehen sie aus wie Mitglieder einer Barbershop-Gesangstruppe, die sich nicht hundertprozentig an das in quälend langen Besprechungen ausdiskutierte Auftrittsoutfit gehalten haben, weil alle dachten: Och, das muss ich nicht extra kaufen, so was Ähnliches habe ich doch noch daheim. Und sie wirken wie die Reste nach einer besonders kniffligen Partie Diversity-Memory. Wer genau hinschaut, findet immerhin noch zwei Doppelte in weißem Shirt.

Die minimalistisch-palettigen Herren sind die WM-Moderatoren und Experten der ARD, die zum Auftaktspiel in ganzer Mannschaftsstärke aufgelaufen sind. Nur Kevin Kuranyi schert optisch mit einem Sakko in einem selten unaparten, stumpfen Schlammton aus, aber der steht auch nicht am Tischchen, sondern ist tatsächlich in Moskau, während die Blue Man Group die Spiele ja kostengünstig aus dem Studio in Baden-Baden kommentiert.

Fünf Jahre lang spielte Kuranyi für FK Dynamo Moskau in der russischen Liga. Das könnte ihn durchaus als Experten qualifizieren, noch beschränken sich seine Kreativkommentare allerdings stilistisch auf Mein-schönstes-Ferienerlebnis-Nacherzählungen des gerade beendeten Spiels und „Beide Mannschaften sind sehr gut drauf“-Tiefenanalysen. Matthias Opdenhövel schickt ihn nach Portugal gegen Spanien trotzdem ins sportjournalistische Gestrüpp wie ein realitätsleugnender Jäger seinen hinkenden, blinden Dackel: „Wenn du Cristiano Ronaldo unten in den Katakomben siehst, greif ihn ab!“

„Whoa, ist die schön, die Station!“

Zweiter ARD-Moderator neben Opdenhövel ist Alexander Bommes, die im Team mit diversen Experten wie Thomas Hitzlsperger oder Stefan Kuntz (Hitz und Kuntz, wie man sprichwörtlich sagt) die Rahmenbetrachtungen zu den Spielen liefern. Und zum Beispiel zentrale Spielszenen rekapitulieren, die „von den Analysten in der Technik aufbereitet wurden“, was bedeutet, dass auf Ronaldo ein Lichtkegel und ein Namensschildchen gelegt wurden.

„Der Bommes“ klingt ein ja so bisschen nach einer Traditionsfigur im rheinischen Karnevalszusammenhang, tatsächlich lieferte aber Stefan Kuntz am Freitag den ersten moderatorischen Knallerscherz: Spanien gegen Portugal, das sei ja eine Paarung, für die auch die eine oder andere Frau ihre Rosamunde-Pilcher-Verfilmung sausen lassen würde. Frisch aus dem Würstchen-Witzbuch, herausgegeben von Mario Barth. Manchmal ist man einfach so müde.

Mit dem gleichen Humorverständnis schickt die ARD Palina Rojinski auf schmerzhaft simpelgemütige Russland-Reportägchen – dabei könnte deren Witzigkeit relativ aufwandsarm sofort durch den kleinen Scherz gesteigert werden, wenn auch Rojinski dabei ein dunkelblaues Sakko und ein weißes Shirt trüge. Aber nein, stattdessen plärrt sie irgendwo in Moskau von einem Schiedsrichterhochstuhl aus „Olé, olé-olé-olé“ in ein Megaphon und interviewt Russen, die sich, man glaubt es ja kaum, freuen, wenn die russische Mannschaft gewinnt.

Angeblich soll sie den Zuschauern Land und Leute näher bringen, leider spricht sie dabei in Fibelsätzen: Die Menschen hier sind freundlich, und es ist alles sehr modern. Sie geht im Regen im Gorki-Park spazieren und hofft, dort geknutscht zu werden, und sie fährt U-Bahn: „Whoa, ist die schön, die Station!“ Typischer Palina-Satz 1: „Da ist das Stadion!“ Typischer Palina-Satz 2: „Auffällig ist, dass hier sehr viele Schnurrbart tragen.“

Lustiger, wenn auch in einem anderen Humor-Genre, könnte da die Interviewreihe „Weltmeister im Gespräch“ werden, in der Jessy Wellmer Philipp Lahm interviewt. Zum Auftakt plauderten die beiden in einer bizarr pittoresken Sofa-Bötchen-Kulisse am Tegernsee. „Das war sehr angenehm“, befand hinterher Lahm, als habe er gerade eine alpine Bürstenmassage hinter sich. Heute wird er direkt aus dem deutschen Camp in Watutinki berichten, hoffentlich ist es dort ähnlich kommod.

Am Samstag übernahm das ZDF die Berichterstattung und überraschte direkt mit einem tegernseesofamäßig angenehmen neuen Nachmittagsspiel-Experten: Nationalspieler Christoph Kramer ist dieses Mal nicht im Kader und hat darum Zeit und augenscheinlich auch Lust auf die Beobachterperspektive.

Gemeinsames Dopingprobenpinkeln mit Messi

Wie bei den Kollegen von der ARD standen auch er und der ihm zugesellte Moderator Jochen Breyer in ulkiger Heckel-und-Jeckelhaftigkeit im Partnerlook herum, dunkelblaue Jäckchen und weiße Shirts – gab es da irgendwann ein entsprechendes Memo, das männlichen Fernsehmenschen jedwede Farbeskapaden in Grün- oder gar Gräuliche verbietet?

Dafür plauderte Kramer entspannt und durchaus unterhaltsam, angereichert mit unfreiwilligen Putzigkeiten. Paul Pogba und Cristiano Ronaldo – könne man die in Punkto Gockeligkeit denn vergleichen, will Jochen Breyer vor dem Spiel Frankreich gegen Australien wissen: „Pogba ist ähnlich wie Ronaldo, auf eine andere Art, aber auf gewisse Weise auch gleich“, schwurbelt Kramer, dann erzählt er hübsch vom Campo Bahia, der Sommer seines Lebens sei das gewesen: „Ich bin rumgelaufen wie so’n Schwamm und habe alles aufgesaugt.“ Und vom gemeinsamen Dopingprobenpinkeln mit Messi.

Kramer liefert knappe, plattitüdenfreie Einschätzungen zur isländischen Mannschaft, während die Einspieler ringsherum immer noch an deren Trademark-Wikinger-Blökruf herumhühnern, auch Stadionreporter Alexander Ruda verfolgt die Tribünensituation vor dem Spiel aufgeregt, „sie haben noch nicht gehuht, vielleicht huhen sie ja noch“, als wären die isländischen Fans eine besonders scheue Schleiereulen-Unterart.

Die beiden Abendspiele übernehmen die eingespielten Olivers Welke und Kahn, sie wirken ein bisschen wie die letzten Überbleibsel eines möglicherweise über differierendem Humorverständnis zerstrittenen Stammtisches, zu dem sich immer mal wieder ein Experte dazugesellen darf. Sie sitzen hinter einem Pult, was beim Zuschauen irgendwie angenehmer ist, bei den Steh-Kollegen der ARD sieht es immer irgendwie danach aus, als sei man in das beim Netzworking-Speeddate einer Cebit-Randveranstaltung geraten.

Kahn, der gütige oder strenge Oheim

Eine schöne Rolle für Kahn ist die des gütigen, aber auch strengen Oheim, der nichts Schlechtes daran finden kann, dass die deutsche Nationalmannschaft dieses Mal in einer deutlich unluxuriöseren Herberge untergekommen ist als noch bei der letzten WM: „Das Schlichte tut denen auch mal gut“, onkelt er. „Wir schalten jetzt mal rüber zum Stadion“, sagt Welke hinter dem Baden-Baden-Pult und meint damit: ganz, ganz weit rüber.

Am Ende des ersten ZDF-WM-Tags hat Kahn, daran erkennt man den Profi, schon seine persönliche Schrulle etabliert. „Wenn man sich die Nigerianer so anschaut, dann merkt man, dass sie wo am schwächsten sind? Bei den Eckbällen“, doziert er lempelig. „Ich liebe das, wenn du dir selbst Fragen stellst und sie beantwortest“, freut sich Welke, und weil Kahn das in den nächsten zwanzig Minuten noch zwei weitere Male macht, hat man damit schon mal den ersten gesetzten Punkt für das Trinkspiel, das man bei jeder WM ja immer wieder neu modifizieren muss.

Machen wir uns nichts vor, vier Wochen können sehr lang werden.

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