Trump und die US-Konzerne Wehe, wenn er wütet

Harley-Davidson, Pfizer, Amazon: Donald Trump übt massiven Druck auf heimische Unternehmen aus. Wer nicht spurt, bekommt die ungezähmte Wut des Präsidenten zu spüren.

US-Präsident Donald Trump mit seinem Vize Mike Pence und Harley-Motorrädern im Februar 2017

Donnerstag, 12.07.2018  
10:18 Uhr

Es dauerte nur gut einen Tag, bis einer der größten Konzerne Amerikas klein beigab. Der Pharmahersteller Pfizer teilte mit, man habe es sich anders überlegt und nehme die zuvor erklärten Preiserhöhungen für Medikamente zurück. Vorstandschef Ian Read lieferte die Erklärung gleich mit: „eine ausführliche Diskussion mit Präsident Donald Trump heute“.

Tatsächlich war es wohl weniger das längliche Gespräch als ein kurzer Tweet Trumps, der die Kehrtwende des Pharmagiganten erzwang. „Pfizer und andere sollten sich schämen, dass sie ohne Grund die Arzneimittelpreise erhöht haben“, hatte Trump getwittert und gedroht: „Wir werden darauf antworten.“

Für den US-Präsidenten sind die Unternehmen seines Landes Instrumente seiner Politik – und nicht selten auch Objekte seiner persönlichen Fehden. Trump hält sich für denjenigen, der auf dem großen Spielfeld des Kapitalismus über Gewinner und Verlierer entscheidet, und er nimmt sich heraus, die Figuren auf dem Brett nach Belieben zu verschieben.

Wirtschaft statt Wirtschaftspolitik

Im Weißen Haus wird heute Wirtschaft statt Wirtschaftspolitik gemacht. Wer nicht spurt, bekommt die ungezähmte Wut des Präsidenten zu spüren. Egal, ob Kleinunternehmer oder Börsenkonzern.

So wie Pfizer-Chef Reid konnten alle Manager in ihren Vorstandsetagen live mitverfolgen, wie es jemandem ergeht, der nach der Gewinn-und-Verlust-Rechnung anstelle von Trumps Wünschen entscheidet.

Seit Harley-Davidson angekündigt hat, infolge des Handelskriegs Teile seiner Produktion ins Ausland zu verlagern, überzieht Trump den Motorradbauer mit einer Twitter-Tirade, die in einem unverhohlenen Boykottaufruf gipfelte. Der Präsident, der sich nach dem Amtsantritt im Garten des Weißen Hauses vor einer Phalanx von schwarzen Harley-Maschinen ablichten ließ, bot nun der ausländischen Konkurrenz seine Hilfe an. „Die Administration arbeitet mit anderen Motorradherstellern, die in die USA kommen wollen.“

Video: Trump wettert gegen Harley-Davidson

Wie gefährlich ein präsidialer Bannstrahl in der hochpolitisierten Gesellschaft der USA ist, hat ein kleines Restaurant in Virginia erfahren. Die Eigentümerin des Red Hen in Lexington hatte Trumps Sprecherin Sarah Huckabee Sanders aus ihrem Lokal geworfen. Sie kassierte dafür nicht nur einen Tweet Trumps, der ihre Gaststätte als „schmutzig“ verunglimpfte, sondern in der Folge auch noch Bombendrohungen, Aufmärsche von Demonstranten vor ihrem Lokal und unzählige Hass-Mails von Trump-Anhängern. Das Restaurant schloss für zwei Wochen – die vernichtenden Kritiken ihrer Kochkunst in den Tagen danach dürften das Geschäft aber dauerhaft beschädigen.

Das Red Hen-Restaurant in Lexington

Nicht nur reine Verbalattacken

Man könnte das als volkswirtschaftlich bedeutungslose Episode in einem zerrissenen Land abtun. Aber jedes Mal, wenn der Präsident der USA online interveniert, verlieren (oder gewinnen) Leute an den Börsen viel Geld. Pfizer war nicht der einzige Pharmakonzern, der die Preise erhöht hatte. Nach einem Bericht der Bank Wells Fargo sind im letzten Monat die Kosten für mehr als hundert Medikamente gestiegen. Doch nur Pfizer traf Trumps Zorn. Die anderen nehmen die Gewinne still mit.

Der Präsident beschränkt sich nicht auf Verbalattacken. Nach einem Bericht der Washington Post drängte er persönlich die Chefin der US-Post, die Paketpreise für Amazon und andere zu verdoppeln. Trump hasst Amazon-Gründer Jeff Bezos, dessen Prime-Angebot mehr Mitglieder hat als er Wähler. Vor allem aber zielt der Präsident auf die kritische „Washington Post“, die Bezos gehört. Trump sei wild entschlossen, Amazon zu schaden, zitierte das Magazin „Vanity Fair“ einen Insider. „Das hier ist Krieg.“

(Mehr zur Aktion „Deutschland spricht“ finden Sie hier .)

Auch andere Präsidenten haben sich mit der Wirtschaft angelegt. Trumps Rezeptur aus Ultra-Mikromanagement, Politik nach Gutsherrenart und persönlichen Motiven aber ist einzigartig. Wenn er sich über den Sender CNN ärgert, attackiert er dessen Muttergesellschaft Time Warner. Dem Sender NBC drohte er gleich mit Lizenzentzug. Trump mischte sich ins Kartellverfahren zur Fusion von Time Warner und AT&T genauso ungeniert ein, wie er die Kaufhauskette Nordstrom aufs Korn nahm, nachdem die die Modemarke seiner Tochter Ivanka aus dem Sortiment genommen hatte. Die Liste der Unternehmen, mit denen er sich angelegt hat, ist so lang, dass das „Wall Street Journal“ zwischenzeitlich einen „Trump Target Index“ auflegte – von Apple bis zu Toyota.

Neue Methoden, mit dem Wüterich im Weißen Haus umzugehen

Der Amerika-CEO behandelt die wichtigste Volkswirtschaft der Welt wie einen mittelständischen Schraubenhersteller in der Provinz, in dem der Patriarch durchregiert. Im Juni wies er seinen Energieminister an, „sofortige Schritte vorzubereiten“, um die Schließung unprofitabler Kohle- und Atomanlagen zu stoppen. Zu den Ideen der Regierung gehört, die Stromversorger zu zwingen, Elektrizität von diesen Betrieben zu kaufen. Zur Erleichterung vieler Beobachter versanden allerdings viele Ideen wie diese nach kurzer Zeit.

Viele amerikanische Firmen haben zudem gelernt, mit dem Wüterich im Weißen Haus umzugehen: Sie vermarkten ihre unternehmerischen Entscheidungen öffentlich als seinen Erfolg oder stellen Trump mit symbolischen Zugeständnissen ruhig, die ihnen Ruhe verschaffen.

Auch Pfizer hat seine Kehrtwende mit einer kleinen Fußnote versehen: Die Preisentscheidung gilt nur bis Jahresende. Dann, so dürfte Top-Manager Reid kalkulieren, wird Trump längst ein anderes Opfer im Visier seiner Standortpolitik per Pistole haben.

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