Das schwedische Modell „Feministische Außenpolitik ist alles andere als weich“

Schweden hat 2014 eine feministische Außenpolitik eingeführt. Das brachte weltweit Aufmerksamkeit, Spott und Probleme. Nun zieht Stockholm Zwischenbilanz – und gibt Nachahmern Tipps.

Schwedens Außenministerin Margot Wallström

Sonntag, 02.09.2018  
10:46 Uhr

Welchen Beitrag soll eine Genderanalyse zur Bekämpfung von Terrorismus leisten? Mit Fragen wie dieser sah sich die schwedische Regierung konfrontiert, als sie vor vier Jahren eine feministische Außenpolitik ankündigte. Als nach eigenen Angaben erstes Land der Welt verfolgt Schweden seither dieses Konzept. Kurz vor den Parlamentswahlen am 9. September hat die Außenministerin ein Handbuch veröffentlicht, in dem sie ihren Kritikern antwortet.

Die 111 Seiten lange Broschüre ist zugleich Zwischenbilanz und Leitfaden für andere Regierungen. Schwedens Idee zielt im Wesentlichen auf Gleichstellung der Geschlechter ab und will Mädchen und Frauen zu ihren Grundrechten verhelfen. Dies, so heißt es aus Stockholm, sei eine demokratische Selbstverständlichkeit.

Außenministerin Margot Wallström beschäftigt sich bereits seit Jahren mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit. Bevor sie 2014 das Amt übernahm, war sie Uno-Sonderbeauftragte für das Thema sexualisierte Gewalt in Konflikten. Diese Arbeit prägt auch ihre Außenpolitik.

„Die weltweite systematische Unterordnung von Frauen unter Männer ist im Grunde eine Menschenrechtsfrage“, sagt Wallström immer wieder in Interviews. Eines der Kernziele ihrer Außenpolitik ist daher die Stärkung der Menschenrechte. Ziel sei es, „die Rechte, Repräsentation und Ressourcen von allen Frauen und Mädchen zu stärken“, so Wallström. Konkret bedeutet das beispielsweise, dass Schweden Botschafterpositionen zunehmend mit Frauen besetzt. Während 2006 noch 28 Prozent aller schwedischen Botschafter weiblich waren, stieg die Zahl bis 2016 bereits auf 40 Prozent.

Mehr Frauen als Friedensvermittlerinnen

Ganz neu ist Schwedens Idee allerdings nicht. Sie beruht im Wesentlichen auf der Uno-Resolution 1325 aus dem Jahr 2000. Diese erkennt an, dass vor allem Frauen und Mädchen von bewaffneten Konflikten und Kriegen betroffen sind. Zugleich sind jedoch weit mehr als 90 Prozent der offiziellen Friedensvermittler weltweit männlich.

Schweden will das ändern. Um Frieden und Sicherheit zu erreichen sei Gleichstellung essenziell, heißt es in dem Leitfaden. So hat die schwedische Botschaft in Kabul mehrere afghanische Frauen als Mediatorinnen geschult. In dem Handbuch beschreibt die Mitte-links-Regierung ihre Erfahrungen mit Projekten dieser Art – dabei werden allerdings hauptsächlich Erfolge beleuchtet.

Auch Robert Egnell, Professor an der Schwedischen Verteidigungsuniversität, bezeichnet die feministische Außenpolitik als „großen Erfolg“. Zwar habe das neue Konzept 2014 keineswegs einen radikalen Umbruch zu Stockholms vorheriger Linie bedeutet. Allerdings sorge allein die Verwendung des Wortes „feministisch“ für Aufmerksamkeit. „Damit haben wir es geschafft, dass das Thema Gleichstellung weltweit mehr Aufmerksamkeit bekommt und das ist wichtig“, sagt Egnell SPIEGEL ONLINE. Allerdings habe das Konzept auch zu Problemen geführt.

„Feministische Außenpolitik ist alles andere als weich“, sagt Egnell. Der Ansatz sei vielmehr eine Herausforderung und gefährlich. Mit mehreren Ländern sei es seit 2014 daher auch zu Spannungen gekommen. Bekanntestes Beispiel ist die diplomatische Krise mit Saudi-Arabien 2015. Schweden hatte damals Kritik an der Menschenrechtssituation und an dem politischen System in Saudi-Arabien geübt. Anschließend setzte Stockholm einen millionenschweren Militärdeal aus. Riad zog seinen Botschafter aus Schweden ab.

Dilemma feministischer Außenpolitik

An dem Streit mit den Saudis wird das Dilemma der feministischen Außenpolitik deutlich. Einerseits verfolgt Stockholm seine frauen- und menschenrechtlichen Ziele, anderseits kooperiert es auch mit Ländern, die deutlich davon abweichen. Auch gehört Schweden gemessen an seiner Einwohnerzahl zu einem der größten Waffenexporteure weltweit. Das führt regelmäßig zu Kritik von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen.

„Feministische Außenpolitik ist ständig mit Widersprüchen konfrontiert, da die Ordnung der Welt sich eben traditionell anders entwickelt hat“, sagt Egnell. Gleichzeitig zeige Stockholms Linie aber, dass eine Veränderung des Systems möglich sei und auch andere Länder dem Konzept nicht abgeneigt seien.

„2016 haben wir einen Platz im Uno-Sicherheitsrat bekommen – trotz unserer feministischen Außenpolitik, vielleicht aber auch genau deswegen“, sagt Egnell. Mehrere Ländern hätten bereits Interesse an dem Konzept gezeigt und das Gespräch mit Stockholm gesucht. Darunter die Niederlande, vor allem aber Kanada. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau bezeichnet sich als Feministen und zählt zu Wallströms engsten Verbündeten. Bereits 2016 hat er die Genderperspektive in kanadische Militäreinsätze integriert.

Ein Modell für Deutschland?

Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die sich für eine feministische Außenpolitik aussprechen. Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, bezeichnet Wallströms progressive Außenpolitik als „vorbildlich“. Das Handbuch sei eine gute Möglichkeit, um Frauen zu stärken. „Um glaubhaft Geschlechtergerechtigkeit in der Welt zu vertreten, muss es jedoch im Inland entsprechende Vorstöße und Standards geben“, sagte Schauws SPIEGEL ONLINE. Als Beispiele nannte sie sexuelle Selbstbestimmung, die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen und eine paritätische Vertretung in Parlamenten. In Deutschland sehe sie dabei „starken Verbesserungsbedarf“.

Und auch in Schweden ist die Zukunft des Konzepts ungewiss. In wenigen Tagen wird ein neues Parlament gewählt. Sollten Schwedens Rechte dann an die Macht gelangen, wäre das womöglich das vorläufige Ende der feministischen Außenpolitik, meint Egnell.

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