Bundesregierung im USA-Iran-Konflikt Ein Anschluss unter dieser Nummer

In der Koalition wächst die Sorge vor einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den USA und Iran – vor allem wegen der komplett gekappten Gesprächskanäle. Kann Berlin vermitteln?

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Irans Außenminister Sarif, deutscher Kollege Maas (auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar): „Ausgesprochen ernste Lage“

Mittwoch, 15.05.2019  
19:11 Uhr

Wie nah der Konflikt zwischen den USA und Iran inzwischen gerückt ist, zeigte der Auftritt von Generalinspekteur Eberhard Zorn am Mittwochvormittag im Bundestags-Verteidigungsausschuss: Zorn teilte den Abgeordneten mit, dass die Bundeswehr ihre Ausbildungsmission im Irak wegen der Irankrise vorübergehend eingestellt habe. Die in der Nähe der Hauptstadt Bagdad und im Norden des Landes eingesetzten Soldaten sollen demnach in ihren Lagern bleiben, Dienstfahrten außerhalb wurden drastisch eingeschränkt.

Damit reagiert die Bundeswehr auf die Eskalation zwischen Washington und Teheran. Die USA werfen Iraks Nachbarland Iran vor, „unmittelbar“ bevorstehende Angriffe in der Region zu planen, zuletzt wurden amerikanische Kriegsschiffe und Langstreckenbomber in die Golfregion verlegt. Nachdem US-Präsident Donald Trump vor einem Jahr aus dem gemeinsam mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China ausgehandelten Atomabkommen mit Iran ausgetreten war, reagierte Teheran vor wenigen Tagen seinerseits mit einem Teilaustritt.

Aus Sicht Berlins droht die Sache, außer Kontrolle zu geraten – dafür ist die Suspendierung der Bundeswehrmission im Irak genauso ein Zeichen wie für die Loyalität gegenüber dem Verbündeten USA. Ziemlich lange habe man sich am Dienstagabend beim Koalitionsausschuss über die Krise zwischen Washington und Teheran unterhalten, ist zu hören. Man setze sich „gemeinsam entschieden dafür ein, dass der Irankonflikt trotz gravierender Differenzen unter den Konfliktparteien friedlich und diplomatisch gelöst wird“, hieß es anschließend in einer Mitteilung von CDU, CSU und SPD.

Besonders die Sozialdemokraten mahnen öffentlich, die Brisanz des Konflikts nicht zu unterschätzen. Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sprach schon vor dem Koalitionsausschuss über die USA-Iran-Krise und warnte vor einer Eskalation – in Richtung Teheran genau wie gen Washington. Zu spitz gegenüber der Trump-Regierung will man aber auch nicht auftreten, schließlich sind die Amerikaner nach wie vor ein enger Partner Deutschlands, ganz anders als Iran.

Die Bundesregierung schätzt den Konflikt mittlerweile als brandgefährlich ein. „Ein unbedachter Schritt von jeder Seite kann einen Krieg auslösen“, sagt ein erfahrener Beamter. Außenminister Heiko Maas (SPD) nannte die Lage am Mittwoch im Bundestag „ausgesprochen ernst“. Die Runde der Nachrichtendienste im Kanzleramt beschäftigte sich Teilnehmern zufolge am Dienstag mit dem Thema, Regierungschefin Angela Merkel (CDU) lässt sich vom Bundesnachrichtendienst (BND) ein tägliches Geheim-Bulletin mit den neuesten Erkenntnissen liefern.

Was die Analysten derzeit am meisten fürchten, ist eine ungewollte Eskalation. Als mögliches Horrorszenario wird immer wieder genannt, dass eine der vielen Extremistengruppen im Irak eine amerikanische Basis oder die Botschaft in Bagdad attackiert. Die USA würden einen solchen Angriff – egal wer ihn verübt hat – umgehend als Provokation Irans deuten und zum Gegenschlag ausholen. Spätestens dann könnte eine Art Dominoeffekt in Gang gesetzt werden, der nicht mehr aufzuhalten ist. Die Folgen könnten gerade Deutschland besonders betreffen, nicht zuletzt wegen der dann zu erwartenden neuen Flüchtlingsbewegungen.

Hardliner dominieren auf beiden Seiten

Aus Berliner Sicht birgt die Aufstellung der beiden Konfliktparteien enorme Risiken. In Iran, so die Analyse, steht Präsident Hassan Rohani als Führer der moderaten Kräfte so unter Druck, dass er kaum agieren kann. Zudem stellen gerade die Geheimdienste immer mehr in Frage, wie sehr Rohani die Revolutionsgarden noch unter Kontrolle hat, die letztlich das Militär aber auch die mit Iran verbündeten Milizen im Ausland kontrollieren.

In Washington sieht die Lage ähnlich düster aus. Immer deutlicher wird, dass der sicherheitspolitische Präsidentenberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo mittlerweile die Außenpolitik im Alleingang beherrschen, beide sind bekennende Hardliner in Sachen Iran. In der Vergangenheit bremste noch der damalige Verteidigungsminister Jim Mattis, er verhinderte nach einem Raketenangriff auf die US-Botschaft in Bagdad bereits vor Monaten eine Eskalation durch die USA. Mittlerweile aber wurde der erfahrene Militär abgesetzt, sein Nachfolger ist zu schwach, um die Falken zu stoppen.

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US-Außenminister Mike Pompeo: Hardliner in Iran-Fragen

Was die Sorgen der Bundesregierung vergrößert: Eine Art Rotes Telefon zwischen Washington und Teheran für den absoluten Krisenfall existiert dem Vernehmen nach nicht mehr. Dieser „Back Channel“, also eine Kommunikationsbasis, auf der zur Not auf direktem Wege Informationen ausgetauscht werden können, wurde nach Angaben aus Koalitionskreisen von der Trump-Administration gekappt.

Umso mehr könnte Berlin erneut in die Vermittlerrolle rutschen, die man zwischen den USA und Iran zusammen mit anderen EU-Ländern auch schon in der Vergangenheit gespielt hat. Anfang des Jahres hatte man gemeinsam sogar eine Finanzgesellschaft namens Instex gegründet, um trotz der US-Sanktionen gegen Iran Geschäfte mit Teheran zu ermöglichen.

Tatsächlich bemüht sich das Auswärtige Amt, den Gesprächskontakt mit der iranischen Führung nicht abbrechen zu lassen. In den vergangenen Tagen führte die Botschaft viele Gespräche, heißt es, auch der neue Politische Direktor Jens Plötner telefonierte mit seinem iranischen Amtskollegen. Dabei mahnte Berlin erneut, dass die europäischen Partner Teheran nur helfen können, wenn sich Iran an die Vereinbarungen des Atomdeals hält.

Koalitions-Außenpolitiker setzen auf deutsche Rolle

So sehen das auch die führenden Außenpolitiker der Koalition. „Deutschland muss als Geburtshelfer das Atomabkommens jetzt retten“, sagt Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul. Es sei offensichtlich, dass ein einflussreicher und gleichzeitig besonnener Akteur auf der internationalen Bühne fehle, sagt SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich. Die Bundesregierung müsse Teheran wie Washington „unmissverständlich klar machen, dass weitere Belastungen in dieser ohnehin zugespitzten Situation unterbleiben müssen“. Sein Unions-Pendant Wadephul glaubt: „Trumps Aufforderung an Teheran, ihn anzurufen, zeigt, dass die USA ansprechbar sind.“

SPD-Außenpolitiker Mützenich setzt zudem auf einen gemeinsamen europäischen Ansatz: Man könne nur „zusammen einen begrenzten und mäßigenden Einfluss ausüben“, sagt er. Möglicherweise biete das bewährte E3-Format – also Deutschland, Frankreich und Großbritannien – aus den Verhandlungen mit Iran und die derzeitige Mitgliedschaft im Uno-Sicherheitsrat eine geeignete Bühne für die deutsche Außenpolitik.

CDU-Mann Wadephul plädiert zudem für eine Erweiterung des Abkommens mit Teheran: „Wir sollten das Abkommen um einen regionalpolitischen Teil ergänzen: Dieser müsste Iran Sicherheitsgarantien geben, wenn er sich aus den Nachbarländern zurückzieht.“ Das, glaubt Wadephul, „diente auch der Sicherheit Israels und liegt damit auch im deutschen Interesse“.

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