Entrepreneurs for Future „Das Wichtigste ist, dass die jungen Leute weiter nerven“

Sind die Forderungen von „Fridays for Future“ weltfremd? Nach Forschern widersprechen jetzt auch Unternehmer dieser Kritik. Die „Entrepreneurs for Future“ sagen: Die Schüler haben recht – und wir die geforderten Alternativen.

EntrepreneursForFuture/Jörg Farys
Solarunternehmer Melzer (l.) und andere Mitglieder der Initiative

Dienstag, 21.05.2019  
19:08 Uhr

Was bringen die „Fridays-for-Future“-Proteste? Alex Melzer bringen sie neue Kunden. Melzer ist Co-Gründer des Start-ups Zolar, das Solaranlagen inklusive Installation verkauft. Durch die Schülerstreiks für Klimaschutz sei das Interesse daran spürbar gewachsen, berichtet Melzer. „Die Leute rufen bei uns an und sagen: Ich kann meinen Kindern nicht gegenüber argumentieren, warum ich keine Solaranlage habe.“ Das zeige, dass „Fridays for Future“ „auch bei den Hausbesitzern, auch bei den Leuten, die nicht in der Stadt wohnen, ankommt“.

Zusammen mit anderen Firmenchefs stellte Melzer am Dienstag in Berlin die Initiative „Entrepreneurs for Future“ vor. Sie solidarisiert sich mit den von der Schwedin Greta Thunberg begonnenen Klimastreiks – ähnlich, wie es zuvor schon die Wissenschaftler-Initiative „Science for Future“ getan hat.

Tausend „Unternehmen der innovativen Wirtschaft“ unterzeichneten bislang einen Forderungskatalog, der jenem der Schüler ähnelt. Zu seinen insgesamt acht Punkten gehören ein umfassender CO2-Preis, ein schneller Kohleausstieg und die Einhaltung des sogenannten 1,5-Grad-Ziels. Neben einigen Großunternehmen wie dem Versorger Veolia oder dem Recyclingkonzern Remondis sind viele Mittelständler vertreten, etwa der Babykosthersteller Hipp oder der Maschinenbauer elobau.

Wie die Solarfirma Zolar setzen viele der unterzeichnenden Unternehmen selbst auf Klimaschutz. Dass sie damit auch ein geschäftliches Interesse am Erfolg von „Fridays for Future“ haben, verschweigen die Initiatoren nicht – im Gegenteil. So wie die Forscher öffentlich bezeugten, dass die Demonstranten sich auf seriöse Prognosen stützen könnten, so wollen die Unternehmer zeigen: Auch die von den Schülern geforderten wirtschaftlichen Alternativen gibt es bereits.

Motiviert durch Christian Lindner

Kritiker hingegen stellen die Forderungen der jungen Aktivisten gerne als weltfremd dar. FDP-Chef Christian Lindner etwa sprach ihnen die Fähigkeit ab, „alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare“ zu sehen. „Das ist eine Sache für Profis.“

Melzer, diplomierter Wirtschaftsingenieur, begründet mit dieser Aussage seine Teilnahme an den „Entrepreneurs for Future“. „Okay, dann sind wir halt die Profis“, habe er sich gedacht. „Ich würde behaupten, dass ich von den Themen mehr Ahnung habe als Herr Lindner.“

Bislang stehen die „Entrepreneurs for Future“ nach eigenen Angaben für gut 100.000 Arbeitsplätze – angesichts von knapp 45 Millionen Erwerbstätigen eine überschaubare Zahl. Doch auch abseits der Ökonische hat die Initiative erste Unterstützer gefunden – etwa den Mittelstandsverband BVMW.

Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der sozial-ökologischen GLS-Bank, wies am Dienstag zudem darauf hin, dass auch Konzerne wie Bosch und Daimler eine Umstellung auf klimaneutrale Produktion angekündigt haben. Verstärken werde sich diese Dynamik, falls die Regierung mit einem CO2-Preis klare Rahmenbedingungen schaffe, an denen sich Unternehmen mit ihren Investitionen dann orientieren könnten. Bislang aber fielen der Politik beim Klimaschutz „hauptsächlich dirigistische und planwirtschaftliche Maßnahmen“ ein.

„Wir bei Veolia sind überzeugt, dass ein solches Instrument notwendig ist und kommen wird“, sagte Kommunikationschefin Martina Rauch über die CO2-Bepreisung. Für sie hat sogar der Industrieverband BDI schon Sympathie gezeigt. Im Gegensatz zu den „Entrepreneurs for Future“ fordert er aber eine entsprechende Einigung unter den G20-Staaten. „Das ist ein Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag“, kritisierte Katharina Reuter vom Verband UnternehmensGrün, einem der Initiatoren. „Und keiner traut sich, das auf den Tisch zu legen und zu sagen: Da sitzen dann die Bremser.“

Auf den Druck der Straße wollen die Unternehmer angesichts solcher Widerstände nicht verzichten. Deshalb lassen sie auch eigene Mitarbeiter an den Freitagsprotesten teilnehmen, die in dieser Woche sogar weltweit stattfinden sollen.

„Bei uns fehlt regelmäßig ein Drittel am Freitag“, erzählte Christian Kroll, Gründer des Suchmaschinenbetreibers Ecosia. Bankchef Jorberg ließ durchblicken, dass seine Mitarbeiter nicht um Erlaubnis bitten müssten. Und Solarunternehmer Melzer nannte als größten Wunsch an die Schüler: „Das Wichtigste ist, dass die jungen Leute weiter nerven.“

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