Rechtspopulisten Wären nur alle so plump wie Strache

Der unrühmliche Abgang der FPÖ aus der österreichischen Regierung ist eine gute Nachricht. Leider darf man ihn nicht für den Anfang vom Ende des europäischen Rechtspopulismus halten.

Michael Gruber/ AP
Heinz-Christian Strache: Selbstverschuldeter Rücktritt wegen erwiesener Dummheit

Dienstag, 21.05.2019  
15:50 Uhr

Am Morgen danach, als die Video-Affäre um den österreichischen Vizekanzler zum Regierungsbeben geworden war, schickte mir ein begeisterter Bekannter ein kleines Filmchen. „Schau Dir das an. Herrlich!“, kommentierte er eine Aufnahme junger Leute beim Public Viewing in einer Kneipe. Über der Bar eine Leinwand, darauf zu sehen der Gerade-Noch-Vizekanzler HC Strache: „…wo ich meinen Rücktritt…“

Der Rest ist Jubel. Tatsächlich herrlich: Die Anspannung weicht reiner Freude. Endlich ist der Rechtsradikale weg vom Fenster.

Ich habe das Video keiner forensischen Prüfung unterzogen. Mit bloßem Auge ist es schwer zu entscheiden, es ist also nur ein Gefühl, wenn ich meine: Die Aufnahme ist nicht echt. Vermutlich hat der Urheber beliebigen Fußballjubel mit der aktuellen Situation zusammengeschnitten, das wäre kreativ und emotional nachvollziehbar. Ob es die tatsächliche politische Situation korrekt zusammenfasst, wage ich zu bezweifeln.

Unbestritten gab es spontanen Jubel über Straches Rücktritt: Bei der Demonstration auf dem Wiener Ballhausplatz vor dem Amtssitz des Kanzlers, und gewiss vielfach privat, auch in Deutschland. Mein Verdacht ist nur, dass sich viele zu früh freuen, die meinen, jetzt sei die FPÖ am Ende. Und mit ihr womöglich, so der Wunsch, auch die AfD, zumindest geschwächt, überhaupt: der europäische Rechtspopulismus schwer angeschlagen.

Machen wir uns nichts vor: Es könnte sich beim Rücktritt Straches und dem Rückzug der FPÖ aus der österreichischen Regierung um eine recht kurzlebige Genugtuung handeln. „Jetzt erst recht!“, lautet der Kampfslogan der FPÖ, bei ihren eingefleischten Anhängern wird er verfangen.

Schon können sich die Rechten an der flugs gestrickten Gegenerzählung aufrichten: Die alkoholgeschwängerte Bereitschaft zum Ausverkauf des Landes an eine vermeintliche russische Oligarchennichte? Ein Einzelfall, eine Dummheit, eine „b’soffene G’schicht“. Vor allem aber: Eine Falle, gestellt von linken Manipulatoren, deren Agenda der SPIEGEL und die „Süddeutsche Zeitung“ just vor der Neuwahl des EU-Parlaments verbreiteten. So lautet der Vorwurf.

Hierzulande tat sich sogleich der geschasste Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen mit der eigenwilligen Einordnung hervor, das Problem sei vor allem die Weiterverbreitung heimlich mitgeschnittener Gespräche – und nicht etwa das, was da an Ungeheuerlichkeiten ventiliert wurde.

So denken die Rechtspopulisten also wirklich, das ist die Botschaft des Ibiza-Videos, und selbstverständlich steht das öffentliche Interesse daran weit über den Persönlichkeitsrechten der heimlich gefilmten Möchtegerne. Das Problem dabei ist nur: Ein jeder hätte bereits ahnen können, wie diese Leute denken. Auch deren Anhänger. Nur ist es denen eben egal. Oder sie finden es sogar gut.

Ziemlich wurscht war es offenbar auch dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz noch bis vor wenigen Tagen, dass er Rechtsradikale in die Regierung geholt hat, als er Ende 2017 die Koalition mit der FPÖ einging. Strache ist eben nicht darüber gestürzt, dass er als junger Mann an Wehrsportübungen mit Neonazis teilgenommen hat, dass er früher Kontakt zur Wiking-Jugend und zur rechtsextremen DVU hatte. Er musste nicht zurücktreten, weil er als Vizekanzler noch im April im Interview mit der „Kronen-Zeitung“ die Verschwörungstheorie vom „Bevölkerungsaustausch“ beförderte.

Rücktritt wegen erwiesener Dummheit

Strache musste nicht wegen seiner rechtsradikalen Positionen zurücktreten, die waren längst bekannt. Er musste gehen, weil er sich dabei hat filmen lassen, wie er sich plump einer ihm völlig unbekannten vermeintlichen Geldgeberin andiente. Es ist ein selbstverschuldeter Rücktritt wegen erwiesener Dummheit. Und wenn nur alle europäischen Rechtspopulisten so blöde wären wie die Spitzen ihrer österreichischen Gesinnungsbrüder, dann wäre sein Rücktritt tatsächlich Anlass zu großer Heiterkeit und Erleichterung.

Aber machen wir uns nichts vor: In Großbritannien führt der böse Brexit-Clown Nigel Farage die Umfragen an, in Frankreich liegt die Nationalistin Marine Le Pen vorne, in Italien die rechte Lega und in Polen die rechte PiS. Und nichts deutet auf einen Absturz der deutschen AfD hin, da kann man sich noch so sehr wünschen, Jörg Meuthen habe auf Ibiza persönlich mit am Tisch gesessen.

Von all diesen Leuten weiß jeder, wie sie denken: Nationalistisch, kleingeistig, gegen die Europäische Union und die Vielfalt unserer Gesellschaften. Deswegen werden sie gewählt. Erst wenn sich das ändert, kann Europa aufatmen.

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