Politische Krise in Österreich Präsident Van der Bellen und Kanzler Kurz setzen auf Experten in der Regierung

Sie sollen Beamte sein, die Erfahrung in Spitzenpositionen haben: Österreichs Kanzler Kurz will noch am Dienstag die Namen für die vakanten Posten der FPÖ-Minister nennen. Bundespräsident Van der Bellen mahnt zu Geschlossenheit.

Leonhard Foeger/ REUTERS

Dienstag, 21.05.2019  
15:39 Uhr

Im österreichischen Kabinett sollen nach dem Rücktritt der FPÖ-Minister die Posten rasch neu besetzt werden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen beauftragte Kanzler Sebastian Kurz nun damit, die frei gewordenen Regierungsposten mit Experten zu besetzen. Das teilten beide bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit.

Er werde dazu bis zum Abend Vorschläge machen, sagte Kurz. Es sei sinnvoll für ihn, auf Personen zurückzugreifen, die bereits Spitzenbeamte sind oder waren. Diese Personen könnten eine ordentliche Verwaltung der Ministerien gewährleisten. Van der Bellen sagt, er gehe davon aus, dass die Übergangsregierung bis zur Neuwahl halten werde. Diese ist für September angesetzt.

Die Rochade ist eine weitere Konsequenz aus der Ibiza-Affäre. Der SPIEGEL und die „Süddeutsche Zeitung“ hatten am vergangenen Freitag Ausschnitte aus einem Video veröffentlicht, die den ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache zeigen. Dieser stellte in dem Video einer angeblichen russischen Oligarchennichte öffentliche Aufträge in Aussicht, sollte sie der FPÖ zum Erfolg bei den Nationalratswahlen 2017 verhelfen.

FPÖ-nahe Außenministerin bleibt

Bislang kontrollierte die FPÖ in der schwarz-blauen Koalition sechs Ministerien, die ÖVP acht. Die Ministerien verteilen sich unter den Christdemokraten wie folgt:

Sebastian Kurz (Bundeskanzler)
Gernot Blümel (Kanzleramt, Kultur und Medien)
Juliane Bogner-Strauß (Frauen, Familien und Jugend)
Heinz Faßmann (Bildung und Forschung, ÖVP-nah)
Elisabeth Köstinger (Tourismus und Nachhaltigkeit),
Hartwig Löger (Finanzen)
Josef Moser (Justiz)
Margarete Schramböck (Digitalisierung und Wirtschaft)

Die Rechtspopulisten wiederum hatten in dem Kabinett unter anderem die Kontrolle über die in der Sicherheitspolitik maßgeblichen Ressorts Inneres und Verteidigung. Sie stellten folgende Minister:

Heinz-Christian Strache (Vizekanzler, Öffentlicher Dienst und Sport)
Beate Hartinger-Klein (Arbeit und Soziales)
Norbert Hofer (Verkehr und Technologie)
Herbert Kickl (Inneres)
Karin Kneissl (Äußeres und Integration, FPÖ-nah)
Mario Kunasek (Verteidigung)
Die letztgenannten Minister sollen mit Ausnahme der parteilosen Außenministerin Kneissl nun durch Experten ersetzt werden. Anders als häufig in Österreichs Nachbarland Italien soll es aber keine komplette Technokratenregierung geben, die von Experten dominiert wird – auch Kanzler Kurz und seine ÖVP-Minister sollen bleiben.

Bundespräsident Van der Bellen sagte, dass er zu dem skizzierten Weg derzeit keinen Plan B verfolge. „Stand heute gehe ich davon aus, dass die demnächst zu ernennende neue Übergangsregierung, die ja nicht auf ewig bestehen wird, sondern nur einige Monate, bis zur Nationalratswahl halten wird.“ Es gelte, das Vertrauen der Bürger in die Politik zurückzugewinnen.

Das Staatsoberhaupt appellierte auch an die Kompromissfähigkeit aller politischen Kräfte. „Es geht darum, wieder einen Schritt aufeinander zuzugehen“, sagte Van der Bellen. „Es geht um Ruhe, um Vernunft, und last, not least, um staatspolitische Verantwortung.“

Nach den Berichten überschlugen sich in Österreich die Ereignisse, die Koalition aus ÖVP und FPÖ platzte. Bundespräsident Van der Bellen will nach eigenen Worten nun dem Ersuchen von Kanzler Kurz zustimmen, die Minister der FPÖ aus der Regierung zu entlassen. Außenministerin Kneissl habe ihren Amtsverbleib angeboten. Er beabsichtige, diesem Angebot zuzustimmen, sagte Van der Bellen.

Die kleine Oppositionspartei Jetzt – Liste Pilz will zudem am Montag bei einer Sondersitzung des österreichischen Nationalrates einen Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Kurz einbringen.

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