Politbeben in Österreich Wiener Geschnetzeltes

Die FPÖ-Minister sind entlassen, Bundeskanzler Kurz will nun mit einer Übergangsregierung weitermachen bis zur Neuwahl. Doch am Montag könnte ihm der Sturz per Misstrauensvotum drohen.

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Stadtansicht von Wien: Im Vordergrund das Burgtheater, im Hintergrund auch.

Dienstag, 21.05.2019  
19:47 Uhr

Bis vergangenen Freitag schien Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz unangreifbar. Erst 32 Jahre jung, die Umfragewerte ziemlich hoch, unangefochten der beliebteste Politiker in Österreich. Insgesamt machte die Regierung den Eindruck, als könnte sie noch viele Jahre weitermachen, trotz eines guten Dutzends Skandale, die der kleinere Koalitionspartner, die rechtspopulistische FPÖ, zu verantworten hatte. Niemand in Österreich rechnete damit, dass diese Regierung so bald ihr Ende finden könnte.

Dann veröffentlichten SPIEGEL und „Süddeutsche Zeitung“ am Freitagabend um 18 Uhr jenes Video, das den bisherigen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seinen politischen Schützling Johann Gudenus in einer heimlichen Aufnahme zeigt, wie sie im Sommer 2017 in einer Villa auf Ibiza einer vermeintlichen russischen Milliardärsnichte Staatsaufträge gegen Wahlkampfhilfe in Aussicht stellen. Strache erzählt in der Aufnahme auch von Spenden an die FPÖ, über einen Verein, am Rechnungshof vorbei.

Seither sind alle Gewissheiten im politischen Österreich zerstört. Die Regierung Kurz ist zerbrochen, die FPÖ-Minister sind entlassen. Nur Außenministerin Karin Kneissl, die zwar auf FPÖ-Ticket ins Amt gekommen, aber parteilos ist, darf bleiben. Am Dienstagmittag verkündete Bundespräsident Alexander Van der Bellen, man betrete „in diesen Tagen Neuland“. „In dieser Form ist das, was zuletzt passiert ist, noch nicht da gewesen.“ Grund zur Besorgnis gebe es aber nicht, denn jetzt zeige sich „die Eleganz, die Schönheit unserer österreichischen Bundesverfassung“, erklärte er pathetisch. Alles, was getan werden müsse, sei darin verankert.

Ein erfolgreicher Antrag wäre eine Premiere

Neuland könnte auch das sein, was am Montag in einer Sondersitzung des Nationalrats, dem österreichischen Parlament, ansteht: Eine kleine Partei, „Jetzt – Liste Pilz“ hat einen Misstrauensantrag gegen Kurz eingebracht und möchte die gesamte Regierung aus dem Amt entlassen wissen. Nach einem erfolgreichen Misstrauensantrag – die einfache Mehrheit der Abgeordneten genügt – muss der Bundespräsident den betreffenden Minister beziehungsweise die gesamte Regierung ihres Amtes entheben.

CHRISTIAN BRUNA/EPA-EFE/REX
Sebastian Kurz

In der Geschichte Österreichs hat es bereits 185 Misstrauensanträge gegeben – kein einziger war bisher erfolgreich, weil die jeweiligen Regierungsfraktionen am Ende doch zusammenhielten oder die Betreffenden vorher freiwillig zurücktraten. Sollten die größte Oppositionspartei, die sozialdemokratische SPÖ, und die jetzt aus den Ämtern gekegelte FPÖ sich zusammentun und gegen Kurz stimmen, wäre dies der erste erfolgreiche Misstrauensantrag Österreichs.

Kurz jedenfalls hat deutlich gemacht, dass er nicht freiwillig weichen wird. Sein Plan ist, bis zum Neuwahltermin, vermutlich Anfang oder Mitte September, mit seinen ÖVP-Ministern und Außenministerin Kneissl weiterzuregieren. Die vier freigewordenen Posten – Innenministerium, Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsministerium, Verteidigungsministerium, Verkehrs- und Technologieministerium – sollen mit Spitzenbeamten aus den jeweiligen Häusern besetzt werden.

Kickl: „Wer Misstrauen gibt, kriegt Misstrauen“

Doch genau das steht dem Interesse der Opposition entgegen. Bliebe Kurz im Amt, hätte er im bevorstehenden Wahlkampf, der ziemlich hart geführt werden dürfte, den Kanzlerbonus. Diese Bühne würde die Opposition ihm gerne nehmen. Allerdings wäre sie dafür auf Stimmen der FPÖ angewiesen. Die sucht derzeit noch ihre Rolle.

Der bisherige Innenminister Herbert Kickl, den Kurz unbedingt loswerden wollte mit der Begründung, er sei zum Zeitpunkt der Videoaufnahme Generalsekretär der FPÖ gewesen und daher für mögliche illegale Spenden verantwortlich, hatte am Montag noch gesagt: „Wer Vertrauen gibt, erhält Vertrauen. Wer Misstrauen gibt, kriegt Misstrauen.“ Das, so heißt es heute aus der FPÖ, sei als Zustimmung zu einem Misstrauensantrag missverstanden worden.

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Tatsächlich trauern viele in der FPÖ der „sehr, sehr guten Zusammenarbeit“ (neuer FPÖ-Chef Norbert Hofer) mit der ÖVP nach, und anscheinend rechnen einige damit, dass die Mehrheitsverhältnisse nach der Neuwahl wieder so sein könnten, dass Kurz nicht an der FPÖ vorbeikommt. Womöglich, so die Hoffnung, könne man dann erneut ein Bündnis bilden. Eine Zustimmung zum Misstrauensantrag der Opposition wäre da nicht förderlich. Man werde sich diese Sache jetzt „sehr genau überlegen“, heißt es aus der FPÖ. Ob Kurz stürzt oder nicht, hängt also ausgerechnet von denen ab, die diese Krise hauptsächlich zu verantworten haben.

In Umfragen sind die Rechtspopulisten bereits abgesackt. Zum Verhängnis könnte ihnen werden, wenn ihnen tatsächlich eine illegale Finanzierung nachgewiesen wird. Das Nachrichtenmagazin „Profil“ deckte im Umfeld von Strache zwei mysteriöse Vereine auf, von denen mindestens einer auf Vermittlung von Johann Gudenus Geld erhalten haben soll.

Für Geldflüsse von dort zur FPÖ gibt es derzeit keine Belege, möglicherweise haben sie aber als „vorgelagerte Parteikasse“ gedient, schreibt das Magazin. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, sie habe bereits Ermittlungen aufgenommen.

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