Teherans Atomdrohung Irans Mister 20 Prozent

Iran erwägt, künftig wieder Uran auf 20 Prozent anzureichern – ein möglicher erster Schritt auf dem Weg zur Atomwaffe. Den Europäern bleiben kaum Mittel, das Nuklearabkommen noch zu retten.

Behrouz Kamalvandi, Sprecher der iranischen Atomenergiebehörde

Dienstag, 18.06.2019  
21:13 Uhr

Die USA haben das Atomabkommen mit Iran schon aufgekündigt – und den Europäern bleiben weniger als drei Wochen, um es zu retten. Dann endet die 60-Tages-Frist, die Irans Präsident Hassan Rohani am 8. Mai gesetzt hatte.

Damals verkündete der Regierungschef in Teheran, Iran werde sich vorläufig nicht mehr an bestimmte Vorschriften aus dem Atomabkommen (JCPOA) halten. Rohani kündigte vergleichsweise kleine Verstöße gegen den Vertrag an. So werde Iran zwar die erlaubte Menge an angereichertem Uran von 300 Kilogramm überschreiten. Der im JCPOA vereinbarte Grad der Anreicherung von 3,67 Prozent solle aber weiterhin eingehalten werden.

Natürliches Uran besteht zu mehr als 99 Prozent aus dem Isotop Uran-238 und zu weniger als einem Prozent aus Uran-235. Um in üblichen Leichtwasserreaktoren nutzbar zu sein, muss der Anteil des spaltbaren Uran-235 in einem komplizierten Prozess auf 3 bis 5 Prozent gesteigert werden. Erst ab einem Anreicherungsgrad von 20 Prozent spricht man von hochangereichertem Uran. Für die Verwendung in Atomwaffen sind mindestens 85 Prozent notwendig.

Davon bliebe Iran nach wie vor weit entfernt, selbst wenn der Vorrat an niedrig angereichertem Uran auf mehr als 300 Kilogramm steigen sollte.

Ein Reaktor aus US-Produktion gerät wieder ins Blickfeld

Brisanter ist, was der Sprecher der iranischen Atomenergiebehörde, Behrouz Kamalvandi, am Montag bekräftigte: Nach Ablauf des Ultimatums an die europäischen JCPOA-Partner Deutschland, Frankreich und Großbritannien werde man Anfang Juli Uran möglicherweise wieder auf 20 Prozent anreichern – so wie es vor Inkrafttreten des Atomabkommens der Fall war. Auch könnte man die Produktion von Schwerem Wasser wieder starten, das in Nuklearreaktoren verwendet wird.

Mit dem auf 20 Prozent angereicherten Uran soll laut Kamalvandi ein Forschungsreaktor in Teheran betrieben werden. Dieser Reaktor war schon während der jahrelangen Verhandlungen zwischen Teheran, den fünf Uno-Mächten und Deutschland ein Streitthema. Das iranische Regime beteuerte stets, der Reaktor diene Forschungszwecken und liefere Isotope für die Krebsbehandlung. Daran hatten Irans Verhandlungspartnern stets Zweifel. Deshalb schrieb das JCPOA vor, Teheran müsse seine Vorräte an auf 20 Prozent angereichertem Uran aufgeben müsse.

Eine stärkere Anreicherung wäre daher weitaus mehr als ein symbolischer Bruch des Atomdeals. Sie würde nach Ansicht von Experten die Zeit deutlich verkürzen, die Iran für die Herstellung einer Atomwaffe benötigte. Wie lange das Regime dann noch für diesen Schritt bräuchte, kann derzeit niemand genau sagen.

Iran und EU hoffen auf Trumps Abwahl

Hinter Irans 20-Prozent-Ankündigung dürften zwei Motive stehen:

Erstens muss das politische Lager um Präsident Hassan Rohani nach Innen ein Zeichen der Stärke setzen, nachdem die US-Regierung den JCPOA einseitig aufgekündigt hat. „Die pro-westlichen Kräfte im Iran sind blamiert“, sagt Leo Hoffmann-Axthelm von der internationalen Kampagne zur atomaren Abrüstung (Ican). „Die Hardliner können leider sagen, dass sie Recht behalten haben mit ihrer Warnung, dass die USA kein vertrauenswürdiger Partner seien.“
Zweitens will die iranische Regierung mit ihren Drohungen offenbar den Druck auf die EU erhöhen, die US-Regierung von ihrem aktuellen Konfrontationskurs abzubringen und die Wirtschaftssanktionen wieder zu lockern. Ob das allerdings Erfolg haben wird, ist zumindest zweifelhaft, denn die Europäer stecken im Dilemma: Sie wollen den Atomdeal unbedingt retten, sind aber nicht in der Lage, die Wirtschaftssanktionen der USA nennenswert abzufedern – zumindest nicht, ohne einen schweren Konflikt mit Washington zu provozieren.
„Die EU kann momentan vor allem auf Zeit spielen und hoffen, dass Trump nächstes Jahr abgewählt wird und sein Nachfolger seine Entscheidungen rückgängig macht“, sagt Hoffmann-Axthelm. Bis dahin müsse die EU „Iran das Gefühl geben, dass es sich lohnt, den Deal am Leben zu erhalten“.

Die EU will sich peinlichst genau ans Atomabkommen halten

Ein Instrument dafür soll Instex sein, ein Finanzmechanismus, mit dem die EU die US-Sanktionen gegen Banken umgehen will. Allerdings haben die Europäer den Mechanismus schon vor fünf Monaten angekündigt, geschehen ist seitdem wenig. In Brüssel will man Instex dennoch schnellstmöglich umsetzen. „Das müssen wir schon deshalb tun, um den Reformern den Rücken zu stärken und der iranischen Bevölkerung unseren guten Willen zu zeigen“, sagt ein EU-Diplomat.

Über ein Ende des JCPOA will man in Brüssel derzeit ungern spekulieren. „Die iranischen Ankündigungen sind bisher genau das: Ankündigungen“, sagt der EU-Diplomat. Und darauf werde man ebenso wenig reagieren wie auf die 60-Tage-Frist Irans. Auch wenn die Internationale Atomenergiebehörde IAEA eines Tages einen Verstoß Irans gegen das Atomabkommen feststellen sollte, werde man sich peinlichst an die Regeln des Vertrags für einen solchen Fall halten – schließlich wolle man den Deal ja retten.

Im Atomabkommen ist festgelegt, dass sich die Vertragsparteien bei einem Verstoß zunächst an eine gemeinsame Kommission wenden müssen. Sollte dort keine Lösung gefunden werden, werden die Außenminister eingeschaltet. Zusätzlich kann noch ein Ausschuss externer Berater hinzugezogen werden. Erst wenn dann immer noch keine Einigung gefunden wird, können die Parteien den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anrufen, der dann über eine Wiederaufnahme der Uno-Sanktionen gegen Iran entscheiden müsste.

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