Konzept gegen Langzeitarbeitslosigkeit Bundesagentur kritisiert Solidarisches Grundeinkommen

Berlins Modell gegen Langzeitarbeitslosigkeit stößt bei Deutschlands oberstem Jobvermittler, Detlef Scheele, auf Vorbehalte: Man solle Betroffene lieber weiterbilden, statt sie in staatlich geförderte Jobs zu stecken.

Detlef Scheele

Samstag, 20.07.2019  
11:01 Uhr

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit hält das Modell des sogenannten Solidarischen Grundeinkommens für problematisch. „Ich finde es immer lobenswert, wenn sich jemand um Langzeitarbeitslosigkeit kümmert“, sagt Detlef Scheele. Das Solidarische Grundeinkommen aber, mit dem die Stadt Berlin seit dem 1. Juli experimentiert, richte sich auch an Arbeitslose, die erst seit ein bis zwei Jahren ohne Job seien.

Diese Gruppe sollte man nach Scheeles Überzeugung lieber fortbilden oder weitervermitteln, statt sie öffentlich gefördert einzustellen. Es bestehe sonst „die Gefahr des Lock-in-Effekts“. Man kenne das aus den Neunzigerjahren. „Da sind kurzzeitig Arbeitslose in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gekommen. Das hat negative Folgen für die Betroffenen gehabt.“

Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor könne nur die „Ultima Ratio“ für Menschen sein, die bereits länger, also fünf bis sechs Jahre, arbeitslos seien“, sagt Deutschlands oberster Jobvermittler. Und dafür gebe es seit dem 1. Januar das Teilhabechancengesetz: Es richtet sich an Arbeitslose über 25, die innerhalb von sieben Jahren mindestens sechs Jahre Hartz IV bezogen haben.

Das Solidarische Grundeinkommen hingegen richtet sich an Menschen, die zwischen einem und drei Jahren arbeitslos sind – auch damit diese gar nicht erst in extremer Langzeitarbeitslosigkeit enden. Den Betroffenen wird eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit im gemeinnützigen Bereich angeboten, zum Beispiel als Mobilitätsbegleiter, Hausmeister oder Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sieht in dem fünfjährigen Modellversuch für etwa 1000 Betroffene einen Beitrag, das Hartz-IV-System zu überwinden.

Experten halten das allerdings für ein zu großes Versprechen. Denn das bislang vorliegende Konzept sieht erstens gar nicht genug Jobs für alle Langzeitarbeitslosen vor, und die geplanten Jobs erfordern, zweitens, teils Qualifikationen, die Langzeitarbeitslose gar nicht haben.

Der Begriff „Solidarisches Grundeinkommen“ ist zudem irreführend. Denn das Modell hat nichts mit einem bedingungslosen Grundeinkommen zu tun, das alle Bürger in gleicher Höhe erhalten würden, ob sie nun arbeiten oder nicht.

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