Drohende Katastrophe in Sambia „Die fürchterlichste Dürre, an die sich Menschen erinnern können“

Kaum eine Region leidet so sehr unter den Folgen des Klimawandels wie das südliche Sambia. In dem afrikanischen Land macht sich eine Dürre breit. Bauern warnen vor einer Hungerkatastrophe.

Bartholomäus Grill/ DER SPIEGEL
Emmanuel Hantobolo: Der Boden seines Ackers ist staubtrocken

Montag, 16.09.2019  
17:26 Uhr

Die Berichterstattung über den Klimawandel ist eine der großen journalistischen Herausforderungen unserer Zeit. Auch für den SPIEGEL ist die Klimakrise eines der wichtigsten Menschheitsthemen. Wir unterstützen deshalb in dieser Woche eine internationale Initiative, die den Blick darauf richten will: „Covering Climate Now“ wurde von der „Columbia Journalism Review“ und der kanadischen Zeitung „The Nation“ angestoßen, mehr als 200 Medienunternehmen weltweit nehmen daran teil, darunter der „Guardian“, „El País“, „La Repubblica“, „The Times of India“ , „Bloomberg“ oder „Vanity Fair“. Der SPIEGEL widmet der Klimakrise diese Woche die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe und jeden Tag besondere Aufmerksamkeit auf spiegel.de

Emmanuel Hantobolo steht auf dem kahlen Acker hinter seinem Gehöft und schaut resigniert auf die Maisstrünke, die auf dem harten, staubtrockenen Boden herumliegen. „Die letzte Ernte war eine Katastrophe“, sagt der Kleinbauer. „Der Mais wird normalerweise zweieinhalb Meter hoch, aber diesmal reichten mir die höchsten Pflanzen nur bis zu Hüfte, die meisten waren verdorrt.“

Hantobolo hat nur eine Schubkarre voll geerntet. „Ein einzige Schubkarre, lächerlich!“ sagt er. Die paar Kilo sind zu wenig, um seine große Familie zu ernähren.

Der drahtige 52-jährige Mann bewirtschaftet acht Hektar, die er von seinem Vater 1984 geerbt hat. Anfangs lief es ganz gut, er hat vier Kühe, zwei Bullen, eine kleine Ziegenherde und Hühner; er baut Mais, Sojabohnen, Erdnüsse und Gemüse an. Doch dann kam dieses verfluchte Jahr 1995, in dem kaum noch Regen fiel, erinnert er sich.

„Die fürchterlichste Dürre, an die sich die Menschen erinnern können“

Am Ende der letzten Saison sollte es noch viel schlimmer kommen. Hantobolo säte vergangenen November aus, aber übers Jahr fielen nur noch ein paar Tropfen vom Himmel, alle Pflanzen starben ab. „Wir erleben hier die fürchterlichste Dürre, an die sich die Menschen erinnern können.“

Emmanuel Hantobolo lebt in Kanchomba, einer armen, unterentwickelten Streusiedlung im Süden Sambias. Exakte meteorologische Daten über die Region erhält man von der Außenstelle des Agrarministeriums in der achtzig Kilometer entfernten Provinzhauptstadt Choma. „Im Jahresmittel messen wir 800 bis 1000 Millimeter Niederschläge, in dieser Saison, von November bis April, waren es 327 Millimeter“, rechnet Zandonda Tembo, 38, vor.

Der Beamte trägt ein Pepita-Sakko mit schwarzen Samtkragen, er ist zuständig für die regionale Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, aber es gibt nicht mehr viel zu vermarkten. „Vor zehn Jahren haben wir rund 60.000 Tonnen Mais produziert, 2019 sind es noch mickrige 5000 Tonnen.“

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Dass seit nunmehr sechs, sieben Jahren die Regenfälle stetig zurückgehen, führt Tembo auf den Klimawandel zurück. Er glaubt, dass die jüngsten Wetterphänomene durch den Wirbelsturm Idai verursacht worden seien, die Ausläufer des Zyklons hätten die Feuchtfronten über Sambia einfach weggeblasen.

Das Ministerium versucht mit der Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen, die Subsistenzbauern auf die veränderte Lage einzustellen und ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken. Sie lernen organischen Landbau, nachhaltige Bodenbearbeitung und Düngung, die Vermarktung ihrer Produkte durch E-Commerce. Sie werden beraten beim Bau von zusätzlichen Staudämmen und können sogar Versicherungen gegen Ernteausfälle abschließen. „Aber die Anpassung geht zu langsam, und es fehlt uns an den notwendigen Mitteln“, sagt Tembo.

Das ganze Land schreit nach Wasser

Die Temperaturen in der Savanne sind jetzt, im Südwinter, erträglich. Das Problem ist die flächendeckende Trockenheit. Der Busch wirkt regelrecht ausgebleicht, die dürren Blätter rascheln wie Pergament, kein Grün weit und breit. Die meisten Bäche und Flüsse sind ausgetrocknet, auch der Pegel des riesigen Kariba-Stausees an der Grenze zum Nachbarland Simbabwe ist um drei Meter abgesunken. Das ganze Land schreit nach Wasser.

Im gesamten südlichen Afrika ist die Lage mittlerweile kritisch, denn der Subkontinent liegt in einer weitgehend ariden oder semi-ariden Zone, die besonders anfällig ist. Malawi, Sambia, Namibia, Simbabwe, Botsuana und Südafrika spüren die Folgen des Klimawandels immer stärker: größere Hitze, geringere Niederschläge, längere Dürreperioden.

Bündnis Entwicklung Hilft

Der Subkontinent befinde sich an der vordersten Front des globalen Klimawandels, stellt eine Studie des südafrikanischen Umweltministeriums fest.

Im Binnenland Südafrikas liege die Temperatur bereits um zwei Grad Celsius höher als vor hundert Jahren,
im benachbarten Botsuana betrage der Unterschied sogar drei Grad – dort werde die höchste Zunahme in der südlichen Hemisphäre gemessen.
Auf den Weiden im Süden Sambias stehen nur noch strohartige Gräser, die Rinder sind abgemagert, weil sie kaum noch Futter finden. Deshalb ziehen viele Viehzüchter mit ihren Herden in die wenigen Gegenden, die nicht so stark von der Dürre betroffen sind. Durch die unkontrollierte Wanderung breiten sich Viehseuchen aus.

Die weltweit höchste Entwaldungsrate pro Kopf

Die meisten Kleinfarmer in Kanchomba hätten noch nie vom Klimawandel gehört, sagt Emmanuel Hantobolo. Auch für ihn ist das nur ein abstrakter Begriff, er glaubt, dass die Krise vor allem hausgemachte Ursachen hat: das zunehmende Fällen der Bäume, um Brennholz zu gewinnen und die Brandrodungen, um neue Wirtschaftsflächen zu erschließen. Dadurch beschleunigt sich die Erosion. Wenn die ohnehin nährstoffarmen Böden ausgelaugt sind und nichts mehr hergeben, ist die Herstellung von Holzkohle eine alternative Einkommensquelle. Sambia hat die weltweit höchste Entwaldungsrate pro Kopf – ein Raubbau, der die Auswirkungen des Klimawandels verschärft.

Hantobolo steht vor seinem Kornspeicher, einem korbartigen Behälter auf Stelzen, darüber ein spitzkegeliges Reetdach. Der Speicher ist leer, die Not zwang seine Großfamilie, sogar das Saatgut aufzubrauchen. Er hat zehn Kinder, auf einem Holzgestell trocknen ein Dutzend Blechteller, aus dem sie jeden Tag Nshima essen, Maisbrei, das Grundnahrungsmittel in Sambia. Hantobolo hat ein paar Ziegen verkauft, aber das brachte nicht viel, weil derzeit alle Farmer ihr Vieh verkaufen und die Preise eingebrochen sind. Gleichzeitig wird durch die Ernteausfälle das Maismehl immer teurer: ein Sack mit 25 Kilogramm ist von 45 auf 115 Kwacha gestiegen, von umgerechnet drei auf acht Euro.

Die seit vier Jahren anhaltende Dürre treibt die Kleinbauern immer tiefer in die Armut, und wenn es in der kommenden Saison wieder zu wenig regnen sollte, droht eine Hungersnot. „Dann werden die Menschen sterben“, sagt Emmanuel Hantobolo, „und es gibt nichts, was wir dagegen tun können. Wir können nur hoffen, dass uns der liebe Gott hilft.“

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