Union und SPD ringen um Klimaschutzpaket High Noon für die GroKo

Union und SPD rühmen ihre Vorschläge zum Klimaschutz. Doch für Selbstzufriedenheit ist es zu früh, der wahre Kraftakt kommt erst noch.

iStockphoto/ Getty Images
Schlote eines Kohlekraftwerks: Wer muss für mehr Klimaschutz bezahlen?

Montag, 16.09.2019  
19:35 Uhr

Die Berichterstattung über den Klimawandel ist eine der großen journalistischen Herausforderungen unserer Zeit. Auch für den SPIEGEL ist die Klimakrise eines der wichtigsten Menschheitsthemen. Wir unterstützen deshalb in dieser Woche eine internationale Initiative, die den Blick darauf richten will: „Covering Climate Now“ wurde von der „Columbia Journalism Review“ und der kanadischen Zeitung „The Nation“ angestoßen, mehr als 200 Medienunternehmen weltweit nehmen daran teil, darunter der „Guardian“, „El País“, „La Repubblica“, „The Times of India“ , „Bloomberg“ oder „Vanity Fair“. Der SPIEGEL widmet der Klimakrise diese Woche die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe und jeden Tag besondere Aufmerksamkeit auf spiegel.de

Armin Laschet ist bester Laune an diesem Montagmittag. Immer wieder öffnet der stellvertretende CDU-Vorsitzende die Kladde unter seinem Arm, in der das eben von den Parteigremien verabschiedete 34-Seiten-Papier zum Klimaschutz steckt. Als ob das Papier auf jede Frage, die man ihm dazu stellt, Antworten gebe. „Da steckt viel Gutes drin“, sagt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident im Foyer der CDU-Zentrale. Endlich sei man sprechfähig bei diesem Thema, das so lange vernachlässigt wurde.

Dabei ist erst ein Schritt geschafft, wenn auch ein wichtiger. Wer hätte noch vor einigen Monaten gedacht, dass sich CDU und CSU auf so etwas einigen könnten: Ein Preis auf CO2, wie man ihn nun per Emissionshandel erreichen will, war lange Zeit undenkbar für viele in der Union. Aufschläge auf Flugtickets, billigere Bahnfahrkarten, die Ausweitung der Lkw-Maut – solche Vorschläge kamen in der Vergangenheit höchstens von den Grünen.

Man muss sich zu Beginn dieser Woche also auch Annegret Kramp-Karrenbauer als gut gestimmte CDU-Vorsitzende vorstellen: Sie wollte eine Leerstelle in ihrer Partei schließen, die spätestens nach den Erfolgen der Grünen bei der Europawahl Anfang Mai sichtbar wurde. Wenigstens auf Papier ist ihr das im Gleichschritt mit CSU-Chef Markus Söder nun gelungen.

Aber der nächste Kraftakt steht der Union in den kommenden Tagen bevor: Bis Freitag muss man sich mit dem Koalitionspartner SPD auf gemeinsame Maßnahmen einigen, um in Deutschland das Klima besser zu schützen. Dann will das Kabinett ein Paket verabschieden, das bis Jahresende zu einem Bündel von Gesetzen werden soll.

Die gute Nachricht: Auch der Koalitionspartner wähnt sich auf dem richtigen Weg. „Wir sind schon weit gekommen“, sagt Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD, „viel weiter, als vor einigen Wochen absehbar war.“ Die schlechte Nachricht: Bis Freitag müsse noch „sehr ernsthaft“ am Klimapaket gearbeitet werden.

Für den Moment allerdings feiern sich die Koalitionäre schon mal ein bisschen, während die Opposition meckert: CDU-Fraktionsvize Andreas Jung, der gemeinsam mit seinem CSU-Kollegen Georg Nüßlein den Kern des Unions-Konzepts erarbeitet hat, spricht von der „Aufforstung der CDU“, weshalb das für seinen Generalsekretär Paul Ziemiak ein „wichtiger Tag“ ist. Der sozialdemokratische Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz kündigt das „vielleicht größte Klimaschutzpaket in der Geschichte unseres Landes“ an.

Die Angst vor den Bürgern geht in der Union um

Nur: Zwei Konzepte machen noch keinen Kompromiss. Das liegt vor allem daran, dass CDU und CSU bei aller gewollten Ergrünung eine beinahe panische Angst davor haben, die Bürger gegen sich aufzubringen, wenn der Klimaschutz sie zu sehr im täglichen Leben einschränkt oder finanziell belastet.

Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und soziale Ausgewogenheit auf einen Schlag ist das Ziel. Manchen in der SPD wiederum kann es gar nicht radikal genug sein mit den eigenen Vorschlägen, wobei auch prominente Sozialdemokraten vor der Rache der Bürger warnen und Rücksicht auf die Wirtschaft anmahnen.

Besonders drei Konflikte erscheinen bislang schwer auflösbar:

Bei der CO2-Bepreisung hat die Union eine steuerliche Regelung ausgeschlossen, sie spricht sich für den Handel mit Verschmutzungs-Zertifikaten auf nationaler Ebene und eine Ausweitung dessen aus, was bislang schon auf europäischer Ebene praktiziert wird. Die SPD dagegen setzt auf eine CO2-Steuer. (Mehr zu den unterschiedlichen Modellen lesen Sie hier.)

Allerdings ist inzwischen bei den Sozialdemokraten zu hören, dass man am Ende vielleicht nicht darauf beharren werde. Man wolle keinen Streit über Instrumente, heißt es aus SPD-Kreisen. Da die Union inzwischen einen Mindestpreis für CO2 vorschlägt, um in jeden Fall eine Lenkungswirkung durch weniger Emissionen zu erreichen, könnte sich der Koalitionspartner schließlich auch mit diesem Modell zufrieden geben.

Mehr zum Thema

Um die Frage der Lenkungswirkung geht es auch beim zweiten grundsätzlichen Dissens: Während die Union vor allem Anreize für klimafreundliches Verhalten von Bürgern und Unternehmen schaffen will, setzt die SPD eher auf Regeln oder sogar Verbote.

Im Papier der CDU stehen unter anderem

eine bessere steuerliche Förderung der Gebäudesanierung,
eine „Abwrackprämie“ für den Austausch alter Ölheizungen,
der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, besonders im ländlichen Raum,
und die Förderung der Entwicklung klimafreundlicher Technologien.
Sozialdemokrat Scholz, der sich in diesen Wochen auch als neuer SPD-Chef bewirbt, sagt dagegen: Es dürfe nicht sein, „dass wir nur Förderprogramme machen und keine Regeln setzen“. Beispiel Ölheizungen: Die SPD will, dass nicht nur deren Austausch gefördert wird – ab 2030 soll auch der Einbau verboten werden.

Woher sollen die zusätzlichen Milliarden kommen?

Und auch die Finanzierung der geplanten Maßnahmen ist bislang offen. Dabei dürfte es um eine Größenordnung von 40 bis 50 Milliarden Euro alleine in den nächsten Jahren gehen. Einig sind sich führende Unionspolitiker und Scholz bislang darin, dass die schwarze Null auch künftig stehen soll, also keine neuen Schulden für den Klimaschutz aufgenommen werden.

Allerdings gibt es in der SPD auch andere Vorstellungen, gerade unter den Kandidaten für den Parteivorsitz. Dazu kommt: Die Spielräume, die die Schuldenbremse für neue Staatskredite gibt, würden für die erwarteten Mehrausgaben ohnehin nicht ausreichen.

Die Idee eines „Klima- und Innovationsfonds“, wie ihn die CDU in ihrem Papier vorschlägt, lehnt wiederum Finanzminister Scholz ab. Dass der Staat private Einlagen mit einem künstlichen Zins von beispielsweise zwei Prozent subventioniert, hält er in Zeiten von Null- oder sogar Minuszinsen für falsch. Selbst in der Union gibt es Widerstand gegen das Modell. Scholz argumentiert, durch einen CO2-Preis, höhere Ticketabgaben bei Flügen oder eine höhere Kfz-Steuer gebe es zusätzliche Einnahmen. Dadurch entstehe „ein Handlungsspielraum, der größer ist, als man denkt“. Aber reichen dürfte das Geld dennoch nicht.

Vier Tage haben Union und SPD noch, um sich zu einigen, die Zeit rennt. Am Donnerstag soll es einen weiteren Koalitionsausschuss geben, dazu weitere Treffen in kleineren Runden.

Dass es am Freitag, wenn weltweit für den Klimaschutz demonstriert werden soll, einen Kompromiss geben muss, ist allen klar. Denn sonst könnte die Koalition das Regieren auch gleich einstellen.

Quelle