GroKo-Kompromiss Rentenversicherung warnt vor Problemen bei Grundrente

Die Große Koalition feiert sich für den Kompromiss zur Grundrente. Die Deutsche Rentenversicherung erwartet allerdings erhebliche Probleme – und sieht auch Mängel bei der Finanzierung.

Die Grundrente stellt die Rentenversicherung vor Probleme

Mittwoch, 13.11.2019  
17:51 Uhr

Die Deutsche Rentenversicherung sieht erhebliche Probleme bei der Umsetzung der geplanten Grundrente. Präsidentin Gundula Roßbach nannte gleich mehrere kritische Punkte.

Roßbach sieht Schwierigkeiten bei den folgenden Themen:

den geplanten Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Finanzbehörden,
die Ermittlung der vorgesehenen 35 Jahre mit Beitragsleistung und
den geplanten Startzeitpunkt der Grundrente.
„Angesichts mehrerer Millionen laufender Renten, die zu prüfen wären, ist der relativ kurze Zeitraum bis zum 1. Januar 2021 für Entwicklung und Einsatz einer voll automatisierten Lösung aus Sicht der Rentenversicherung problematisch“, sagte Roßbach.

Die Koalition will langjährigen Niedrigverdienern Grundrente zubilligen, die 35 Jahre mit Beiträgen aus Beschäftigung, Erziehung oder Pflege aufweisen. Vorher soll das Einkommen von Betroffenen und Partnern geprüft werden.

Probleme bei Prüfung der Einkommen

Schon die Ermittlung, wer von den 21 Millionen Rentnern die nötigen Beitragsjahre aufweist, „ist alles andere als trivial“, sagte Roßbach. Möglicherweise gebe es nicht bei allen die nötigen Daten – etwa bei Menschen, die bereits in der DDR Rentner waren.

„Vor Probleme stellen wird uns vor allem aber die vorgesehene Prüfung der Einkommen der Bezieher einer Grundrente und gegebenenfalls auch ihrer Partner“, sagte Roßbach.

Um den vollen Rentenaufschlag zu erhalten, soll das Monatseinkommen bei Alleinlebenden nicht über 1250, bei Paaren über 1950 Euro liegen. Roßbach erläuterte, eine Verknüpfung der Rentenkonten von Partnern gebe es nicht.

Roßbach sieht möglichen Mehrbedarf von tausend Stellen

So werde wohl eine Übermittlung von Daten zum Familienstand durch die Meldebehörden an die Rentenversicherung nötig. Sonst drohe eine „massive Ausweitung der Sachbearbeitung“.

Die zentrale Frage sei laut Roßbach: „Welche Daten sind wann verarbeitbar?“ Nötig sei vor allem eine elektronische Übermittlung aller nötigen Daten zur Höhe der Einkommen durch die Finanzbehörden an die Rentenversicherung.

„Wenn der elektronische Datenaustausch mit der Finanzverwaltung nicht in dem ambitionierten Zeitplan realisiert werden kann, gehen wir von einem Mehrbedarf von mehreren Tausend zusätzlichen Stellen bei der Rentenversicherung aus.“

Details zur Grundrente

Roßbach machte zudem darauf aufmerksam, dass die Finanzämter Informationen zum steuerpflichtigen Einkommen erst mit Verzögerung von zwei Jahren zur Verfügung stellen können.

Bei den jährlich rund 1,6 Millionen Neurentnern aber ändere sich das Einkommen mit Eintritt in die Rente – und werde bei der vorgesehenen Prüfung voraussichtlich überschätzt. Offen sei zudem der Umgang mit Rentnern ohne Steuererklärung
.

Gleichzeitig teilte die Rentenversicherung mit, dass sie mit Hochdruck an der Umsetzung arbeite. „Wir sind bereit, alles zu tun, damit das Gesetz funktionieren kann“, sagte die alternierende Vorstandsvorsitzende Annelie Buntenbach.

Zweifel an rechtzeitiger Umsetzung der Finanztransaktionsteuer

Der Vorstandsvorsitzende Alexander Gunkel mahnte die Koalition, an der vorgesehenen Finanzierung aus Steuermitteln festzuhalten. Er äußerte „aus Erfahrung“ Zweifel daran, dass dies so kommt. Er wies darauf hin, dass die Koalition den Großteil der veranschlagten Kosten bis zu 1,5 Milliarden Euro für die Grundrente durch die noch nicht bestehende Finanztransaktionsteuer aufbringen will.

Diese Besteuerung bestimmter Finanzgeschäfte soll im europäischen Rahmen kommen. „Bislang gibt es auf europäischer Ebene keinen Konsens dazu. Insofern bestehen Zweifel, dass es zur Finanztransaktionsteuer rechtzeitig kommen wird“, so Gunkel.

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Gleichzeitig bekräftigte die Rentenversicherung, dass Rentner auf deutlich steigende Bezüge im kommenden Jahr hoffen können. Im Westen dürften die Renten nach jetzigen Planungsgrößen am 1. Juli 2020 um rund drei Prozent steigen und in Ostdeutschland noch einmal um rund 0,7 bis 0,8 Punkte stärker, sagte Gunkel.

Die Steigerung könne angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten aber auch geringer ausfallen. Endgültige Klarheit gebe es erst im Frühjahr. Am Montag war ein Entwurf für den Rentenversicherungsbericht 2019 bekannt geworden, nachdem die Renten zum 1. Juli 2020 im Westen um 3,15 Prozent und in Ostdeutschland um 3,92 Prozent steigen dürften.

Wie funktioniert die Civey-Methodik?

Das Meinungsforschungsinstitut Civey arbeitet mit einem mehrstufigen vollautomatisierten Verfahren. Alle repräsentativen Echtzeitumfragen werden in einem deutschlandweiten
Netzwerk aus mehr als 20.000 Websites ausgespielt („Riversampling“), es werden also nicht nur Nutzer von SPIEGEL ONLINE befragt. Jeder kann online an den Befragungen teilnehmen und wird mit seinen Antworten im repräsentativen Ergebnis berücksichtigt, sofern er sich registriert hat. Aus diesen Nutzern zieht Civey eine quotierte Stichprobe, die sicherstellt, dass sie beispielsweise in den Merkmalen Alter, Geschlecht und Bevölkerungsdichte der Grundgesamtheit entspricht. In einem dritten Schritt werden die Ergebnisse schließlich nach weiteren soziodemografischen Faktoren und Wertehaltungen der Abstimmenden gewichtet, um Verzerrungen zu korrigieren und Manipulationen zu verhindern. Weitere Informationen hierzu finden Sie auch in den Civey FAQ.

Warum ist eine Registrierung nötig?

Die Registrierung hilft dabei, die Antworten zu gewichten, und ermöglicht so ein Ergebnis für die Umfragen, das für die Wahlbevölkerung in Deutschland repräsentativ ist. Jeder Teilnehmer wird dabei nach seinem Geschlecht, Geburtsjahr und Wohnort gefragt. Danach kann jeder seine Meinung auch in weiteren Umfragen zu unterschiedlichen Themen abgeben.

Wie werden die Ergebnisse repräsentativ?

Die Antwort jedes Teilnehmers wird so gewichtet, dass das Resultat einer Umfrage für die Grundgesamtheit repräsentativ ist. Bei der Sonntagsfrage und beim Regierungsmonitor umfasst diese Grundgesamtheit die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Die Gewichtung geschieht vollautomatisiert auf Basis der persönlichen Angaben bei der Registrierung sowie der Historie früherer Antworten eines Nutzers. Weitere Details zur Methodik stehen im Civey-Whitepaper.

Erreicht man online überhaupt genügend Teilnehmer?

Meinungsumfragen werden in der Regel telefonisch oder online durchgeführt. Für die Aussagekraft der Ergebnisse ist entscheidend, wie viele Menschen erreicht werden können und wie viele sich tatsächlich an einer Umfrage beteiligen, wenn sie angesprochen werden. Internetanschlüsse und Festnetzanschlüsse sind in Deutschland derzeit etwa gleich weit verbreitet – bei jeweils rund 90 Prozent der Haushalte, Mobiltelefone bei sogar 95 Prozent. Die Teilnahmebereitschaft liegt bei allen Methoden im einstelligen Prozentbereich, besonders niedrig schätzen Experten sie für Telefonumfragen ein.Es gibt also bei beiden Methoden eine Gruppe von Personen, die nicht erreicht werden kann, weil sie entweder keinen Anschluss an das jeweilige Netz hat oder sich nicht an der Umfrage beteiligen möchte. Deshalb müssen für ein aussagekräftiges Ergebnis immer sehr viele Menschen angesprochen werden. Civey-Umfragen sind derzeit neben SPIEGEL ONLINE in mehr als 20.000 andere Webseiten eingebunden, darunter auch unterschiedliche Medien. So wird gewährleistet, dass möglichst alle Bevölkerungsgruppen gut erreicht werden können.

Woran erkenne ich die Güte eines Ergebnisses?

Bis das Ergebnis einer Umfrage repräsentativ wird, müssen ausreichend viele unterschiedliche Menschen daran teilnehmen. Ob das bereits gelungen ist, macht Civey transparent, indem zu jedem Umfrageergebnis eine statistische Fehlerwahrscheinlichkeit angegeben wird. Auch die Zahl der Teilnehmer und die Befragungszeit werden für jede Umfrage veröffentlicht.

Was bedeutet es, wenn sich die farbigen Bereiche in den Grafiken überschneiden?

In unseren Grafiken ist der statistische Fehler als farbiges Intervall dargestellt. Dieses Intervall zeigt jeweils, mit welcher Unsicherheit ein Umfragewert verbunden ist. Zum Beispiel kann man bei der Sonntagsfrage nicht exakt sagen, wie viel Prozent eine Partei bei einer Wahl bekommen würde, jedoch aber ein Intervall angeben, in dem das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen wird. Überschneiden sich die Intervalle von zwei Umfragewerten, dann können streng genommen keine Aussagen über die Differenz getroffen werden. Bei der Sonntagsfrage heißt das: Liegen die Umfragewerte zweier Parteien so nah beieinander, dass sich ihre Fehlerintervalle überlappen, lässt sich daraus nicht ableiten, welche von beiden aktuell bei der Wahl besser abschneiden würde.

Was passiert mit meinen Daten?

Die persönlichen Daten der Nutzer werden verschlüsselt auf deutschen Servern gespeichert und bleiben geheim. Mitarbeiter von Civey arbeiten für die Auswertungen lediglich mit User-IDs und können die Nutzer nicht mit ihrer Abstimmung in Verbindung bringen. Die persönlichen Angaben der Nutzer dienen vor allem dazu, die Antworten zu gewichten und sicherzustellen, dass die Umfragen nicht manipuliert werden. Um dies zu verhindern, nutzt Civey statistische wie auch technische Methoden. Darüber hinaus arbeitet Civey mit externen Partnern zusammen, die Zielgruppen für Werbetreibende erstellen. Nur wenn Nutzer die Datenschutzerklärung sowohl von Civey als auch von einem externen Partner akzeptiert haben, dürfen Ihre Antworten vom Partner zur Modellierung dieser Zielgruppen genutzt werden. Ein Partner erhält aber keine Informationen zu Ihren politischen und religiösen Einstellungen sowie solche, mit denen Sie identifiziert werden können. Civey-Nutzer werden auch nicht auf Basis ihrer Antworten mit Werbung bespielt. Der Weitergabe an Partner können Sie als eingeloggter Nutzer jederzeit hier widersprechen. Mehr Informationen zum Datenschutz bei Civey finden Sie hier.

Wer steckt hinter Civey-Umfragen?

An dieser Stelle haben Leser in der App und auf der mobilen/stationären Website die Möglichkeit, an einer repräsentativen Civey-Umfrage teilzunehmen. Civey ist ein Online-Meinungsforschungsinstitut mit Sitz in Berlin. Zur Erhebung seiner repräsentativen Umfragen schaltet die Software des 2015 gegründeten Unternehmens Websites zu einem deutschlandweiten Umfragenetzwerk zusammen. Neben SPIEGEL ONLINE gehören unter anderem auch der „Tagesspiegel“, „Welt“, „Wirtschaftswoche“ und „Rheinische Post“ dazu. Civey wurde durch das Förderprogramm ProFit der Investitionsbank Berlin und durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert.

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