Die Lage am Donnerstag Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute beschäftigen wir uns mit den Ermittlungen gegen Donald Trump in Washington. Außerdem blicken wir auf die Vorbereitungen der Grünen auf einen kuscheligen Parteitag – und auf die Probleme mit der euphorisch gefeierten Grundrente.

Die Selbstreinigungskraft der US-Demokratie

Liu Jie/Xinhua/ DPA

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Heft 46/2019

Der Nullzins frisst das Vermögen der Deutschen auf. Was man jetzt tun muss für sein Geld

Notorische Feinde der USA überboten sich zuletzt mit steilen Thesen. Nach dem Motto: Das Land befindet sich auf dem Weg in die Autokratie, wenn nicht gleich in die Diktatur. Was für ein Mumpitz!

Unabhängig davon, was dem aktuellen Präsidenten für eine Staatsform vorschweben mag – der gestrige Tag war ein weiterer Beleg dafür, dass die Vereinigten Staaten eine höchst lebendige Demokratie sind. Es wurden die ersten drei Zeugen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump vor dem Geheimdienstausschuss des Kongresses öffentlich angehört.

Die Abgeordneten gingen dabei ebenso engagiert wie gewissenhaft vor. Und die Zeugen lieferten weitere Indizien, dass Trump im Umgang mit der Ukraine sein Amt missbraucht haben könnte, um den politischen Rivalen im eigenen Land zu schaden. Wie auch immer dieser Prozess ausgehen wird: Die Selbstreinigungskräfte der amerikanischen Demokratie sind intakt.

Das Kuschelseminar der Grünen

JENS SCHLUETER/EPA-EFE/REX

Am morgigen Freitag kommen die Grünen in Bielefeld zu ihrem nächsten Kuschelseminar zusammen. Früher hießen diese Treffen Parteitag – und oft ging es dort kontrovers zu. Fundis und Realos rangen um den Kurs der Partei. Bei besonders zünftigen Zusammenkünften wurde auch mal der eigene Außenminister mit Farbbeuteln beworfen.

Seit Annalena Baerbock und Robert Habeck an der Spitze der Partei stehen, scheint der ewige Friede begonnen zu haben. Für sowas Schnödes wie Flügelkämpfe und Machtspiele ist man sich inzwischen zu fein. Bis auf Cem Özdemir scheinen auch alle im neuen Modus angekommen zu sein.

Den einzig verbliebenen Konflikt beschreibt meine Kollegin Valerie Höhne. Es geht um die Haltung zur Wissenschaft. Vor einigen Monaten konnte sich die Partei nur schwer eine Position zur Impfpflicht abringen, in den vergangenen Wochen stritt man darüber, ob homöopathische Mittel Kassenleistung bleiben sollen. Nun drängt der Streit über die Grüne Gentechnik in die Breite der Partei.

In Zeiten, in denen die grüne Vorfeldbewegung „Fridays for Future“ von der Politik verlangt, auf Wissenschaftler zu hören, müssen die Grünen althergebrachte Positionen hinterfragen. Doch Anhänger und Mitglieder sind gespalten – und antiaufklärerische Tendenzen noch immer spürbar. Andererseits wollen sich die Grünen auch gern progressiv geben.

Genügend Zeit zum Kuscheln wird in Bielefeld dennoch bleiben.

Trümmerhaufen Rente

Marijan Murat/ DPA

Die Spitzen von Union und SPD sind verdammt stolz auf ihre neue Grundrente. Von einem „Meilenstein in der Sozialpolitik“ ist die Rede. Leider hat es der Senioren-Lobby-Verband „GroKo“ versäumt, die neue Leistung in ein tragfähiges Gesamtkonzept für die Alterssicherung einzufügen, wie mein Kollege Michael Sauga analysiert. Aktuell beträgt die Halbwertzeit ihrer Rentenpolitik genau fünf Jahre.

Auf die Frage, wie es mit dem größten Zweig des deutschen Sozialstaats nach 2025 weitergeht, verweigert die GroKo bis heute jede Antwort. Entweder steigen die Beiträge in astronomische Höhen oder das Niveau der Altersgelder sinkt für weite Kreise der Bevölkerung auf Grundrentenniveau. Das bejubelte Koalitions-Konzept, meint Sauga, sei deshalb lediglich ein weiterer „Bestandteil eines Trümmerhaufens“.

Tagesordnung des Wahnsinns

Jörg Carstensen/ DPA

Die Tagesordnung der heutigen 127. Sitzung des Deutschen Bundestags ist pickepackevoll. Es wird wieder spät. Um 22.55 Uhr etwa soll der Regierungsantrag „Satellitengeschützte Erdbeobachtung intensivieren, Europas Rolle im All“ beraten werden, gleich im Anschluss der FDP-Antrag „Horizonte erweitern – Tempo für die europäische Raumfahrt“. Danach geht es um „Nachhaltige Mobilitätsforschung“ (23.40 Uhr), um „30 Jahre Uno-Kinderrechtskonvention“ (0.25 Uhr) und schließlich um das „Bundesprogramm Jugend erinnert'“. Das Sitzungsende ist für 1.40 Uhr vorgesehen. Vorigen Donnerstag sind an einem ähnlich langen Sitzungstag zwei Abgeordnete im Plenum zusammengeklappt.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich halte all die oben genannten Themen für wichtig. (Ok, das Tempo der europäischen Raumfahrt stand bislang nicht ganz oben auf meiner Prioritätenliste, aber das kann ja noch werden.) Aber Debatten um diese Uhrzeiten sind absoluter Wahnsinn. Das Volk schläft dann längst. Und seine Vertreter sollten es auch tun.

Gewinner des Tages …

…ist die deutsche Rüstungsindustrie. Allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von 7,42 Milliarden Euro. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken hervor. Das bisherige Rekordjahr 2015 dürfte somit übertroffen werden – und das obwohl Exporte an den rüstungshungrigen Schurkenstaat Saudi-Arabien seit dem bestialischen Mord an Regimekritiker Jamal Khashoggi vorübergehend ausgesetzt wurden.

Ich persönlich könnte auf solche Erfolgsmeldungen übrigens gut verzichten. Kein deutsches Exportgut ist mir unangenehmer. Aber da bin ich vielleicht eine Spur zu romantisch.

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Ich wünsche Ihnen einen heiteren Donnerstag.

Ihr Markus Feldenkirchen

Quelle