Karriereende von David Villa Tiki-Taka-Stürmer

Kein Angreifer verstand Spaniens Spielstil so gut wie David Villa. Nun beendet er seine Karriere – und das Land wartet immer noch auf einen Nachfolger.

Er galt „der Unsichtbare“, schoss Spanien jedoch zu den größten Triumphen: David Villa

Mittwoch, 13.11.2019  
21:16 Uhr

„Ich wollte den Fußball verlassen, bevor der Fußball mich verlässt“, sagte David Villa, und das klang fast so poetisch, wie es das Spiel seiner Mannschaften sein konnte. Villa war der Torjäger eines Spaniens, das mit einem unverwechselbaren Stil die Welt eroberte. Im japanischen Kobe hat er nun erklärt, dass die wenigen ausstehenden Saisonspiele seine letzten sein werden.

Villa, 37, geht wenige Monate nach seinem alten Sturmpartner Fernando Torres, viele Jahre nach Xavi und Carles Puyol und nicht lange, bevor es sein momentaner Vereinskollege Andrés Iniesta tun wird, derweil Iker Casillas die Hoffnung auf ein Comeback nach seinem Herzinfarkt noch nicht ganz aufgegeben hat. Ihre Namen wird man nie vergessen, sie waren die Schlüsselfiguren der „Goldenen Generation“, die Spanien bei der EM 2008 zum ersten Titel seit 44 Jahren und 2010 zur Weltmeisterschaft führte. Torschützenkönig jeweils: David Villa. Der Mann, der das spanische Tiki-Taka veredelte.

59 Tore in 98 Spielen erzielte er insgesamt, Spaniens Rekord. Die Torquote von 0,6 ist besser als die von Cristiano Ronaldo für Portugal oder von Lionel Messi für Argentinien, erzählt aber noch nicht die ganze Geschichte. Um seine Bedeutung zu würdigen, muss man daran erinnern, dass das große Spanien zwar eine dominante, aber keine übermäßig torgefährliche Mannschaft war. Bei der WM 2010 traf sie im ganzen Turnier nur achtmal. Fünf Tore davon, mehr als die Hälfte also, schoss Villa.

Spaniens vollkommenes Glück

Am liebsten kam er vom linken Flügel und tauchte punktgerecht in der Mitte auf. Wie es im Passspiel sein soll, kamen auch seine beidfüßigen Abschlüsse gern „al primer toque“, mit der ersten Ballberührung. Doch nicht nur deshalb fügte er sich so gut in diesen komplexen, vom Mittelfeld beherrschten Spielstil ein. Die Teamkollegen feierten immer besonders seine unsichtbare Arbeit: die Antritte, das Gespür für einen freien Raum, und sei er auch noch so klein, denn das war er gegen tiefstehende Gegner fast immer. Der kleine, schmächtige Villa konnte gleichzeitig Teil wie Auflösung eines Angriffszugs sein, er hatte das Verständnis wie die Geduld für die langen Passtaffeten, die bisweilen die eigenen Stürmer nicht minder verwirren als die Rivalen.

Marcus Brandt/DPA
Hatte 2010 maßgeblich Anteil am WM-Triumph Spaniens: David Villa

Bei Spanien wird ein Angreifer wie er bis heute vermisst, wenn die Nationalmannschaft zwar die Qualifikation zur EM 2020 frühzeitig geschafft hat, aber auf drei erfolglose Turniere in Serie zurückblickt. So sehr, dass er 2017 nach drei Jahren Pause sogar noch einmal für ein paar Spiele zurückberufen wurde. Doch auch wenn er bis zuletzt gut traf, lässt sich die Zeit nicht zurückdrehen und wird Spanien weiter in jeder Länderspielwoche über seine Stürmer debattieren. Diego Costa, Álvaro Morata, Rodrigo, Paco Alcácer, die „falsche Neun“ – nichts nähert sich bisher annähernd dem vollkommenen Glück mit Villa.

Beidfüßig dank Beinbruch

In ihren Verabschiedungen nannten ihn seine alten Weggefährten nun wieder „Guaje“, das Wort stand auch auf den Laschen seiner Fußballschuhe. Es bezeichnete im Dialekt seiner nordspanischen Heimat Asturien ursprünglich die Hilfsjungen der Grubenarbeiter.

In Valencia wurde Villa zum Star

Villa kommt aus dem Bergbauort Tuilla, sein Urgroßvater hörte auf den Spitznamen Trotzky, die Großmutter hieß Libertad, Freiheit. Auch der Vater fing noch untertage an. Als sich der kleine David mit vier sein rechtes Bein brach, sagte er: Dann schießt du halt mit links! Seither war er beidfüßig, doch die Mine machte dicht, das Dorf schrumpfte, und bald gab es nicht mal mehr einen regelmäßigen Bus in die benachbarte Regionshauptstadt Oviedo. Erst mit knapp 18 nahm ihn dann der Lokalrivale Sporting Gijón unter Vertrag. „Ohne zu kämpfen, erreicht man nichts“, hat er aus seiner Herkunft gelernt.

Das galt auch für seine Auswahlkarriere. Groß war das Geschrei, als der Bursche ohne Hausmacht ab der WM 2006 Real Madrids Legende Raúl verdrängte. Da hatte er sich nach einer Station bei Saragossa gerade in Valencia etabliert. Vergleichsweise spät, mit 28, kam er als Ersatz für den gescheiterten Zlatan Ibrahimovic zum Großklub FC Barcelona, wo er sowohl beim legendären 5:0 gegen José Mourinhos Real als auch im gewonnen Champions-League-Finale 2011 doppelt traf.

Die Entwicklung zum Globetrotter

Hilfsarbeiter blieb er trotzdem, für Messi, der später angeblich den Daumen über ihn senkte. Villa verpasste 2011/12 fast die gesamte Saison inklusive EM wegen eines Schienbeinbruchs, und wurde danach nie wieder ganz der Alte. Er revanchierte sich aber, indem er Barça nach seinem Wechsel zu Atlético Madrid 2013 die Meisterschaft entriss.

Von 2015 bis 2019: David Villa erzielte in 124 Spielen für New York City FC 80 Treffer

In der Folge entwickelte sich der schüchterne, bodenständige Villa zum Globetrotter: Vor Japan spielte er bereits in Melbourne und New York. Dort wird er jetzt zum Klub-Miteigentümer. Ab 2021 soll das im Aufbau befindliche Franchise Queensboro in der zweiten amerikanischen Liga spielen. Villa hat schon Erfahrung mit Fußballschulen gesammelt.

Und während auf dem Platz noch die Frage bleibt, ob seine Karriere mit dem Pokalhalbfinale am 21. Dezember oder dem Endspiel am 2. Januar endet, verlässt hier eigentlich niemand irgendwen. „Wir hängen die Schuhe an den Nagel, aber nie die Erinnerungen“, schrieb ihm Sergio Ramos zum Abschied. Die Erinnerungen an Spaniens beste Zeit.

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