Überschwemmungen Italiens Regierung ruft Notstand in Venedig aus

Während große Teile Venedigs weiter unter Wasser stehen, hat die italienische Regierung den Notstand verhängt. Damit sollen laut Ministerpräsident Conte 20 Millionen Euro an Soforthilfen freigegeben werden.

FILIPPO ATTILI/AFP
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte macht sich ein Bild von den Schäden

Donnerstag, 14.11.2019  
21:59 Uhr

Es ist das schlimmste Hochwasser seit mehr als 50 Jahren, jetzt hat die italienische Regierung in Venedig den Notstand ausgerufen.Das Kabinett habe den Notstand gebilligt, teilte Ministerpräsident Giuseppe Conte am Donnerstagabend auf Twitter mit. 20 Millionen Euro sollten „für die dringendsten Maßnahmen“ bereitgestellt werden, fügte er hinzu. Weite Teile der Lagunenstadt standen am Donnerstag immer noch unter Wasser.

Das als „Acqua Alta“ betitelte Hochwasser war in der Nacht zum Mittwoch auf einen Pegel von 1,87 Meter gestiegen. Der Markusplatz und die Krypta des Markusdoms standen unter Wasser. Nur einmal seit Beginn der Aufzeichnungen hatte das Wasser noch höher gestanden: 1966 lag der Pegel bei 1,94 Meter. Das von Regen, Wind und den Gezeiten verursachte Hochwasser stieg am Donnerstag nicht noch weiter an, am Freitag sollte es dann bei 1,45 Meter liegen.

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Schulen und Museen in Venedig blieben am Donnerstag geschlossen. Conte nahm in der Stadt an einer Krisensitzung teil und besuchte Ladenbesitzer, deren Geschäfte durch das schmutzige Salzwasser verwüstet wurden. „Ich lebe davon. Was soll ich sonst machen?“, sagte der 54-jährige Stefano Gabbanato, der seinen Zeitungskiosk am Dogenpalast bis zum nächsten Hochwasser wieder geöffnet hat – und derzeit vor allem Gummistiefel verkauft. Die Hochwasserkatastrophe sei „ein Stich in das Herz unseres Landes“, sagte Conte.

Auf dem Markusplatz wateten unbeirrt Touristen durch die Pfützen und machten Selfies mit den Überschwemmungen im Hintergrund. „Es ist komisch. Touristen machen Fotos, während die Stadt leidet“, sagte die österreichische Touristin Cornelia Litschauer. Der Hongkonger Jay Wong berichtete, seine Venedig-Reise sei durch das Hochwasser „ein Abenteuer“ und eine „tolle Erfahrung“ geworden.

Video: Für Touristen eine Attraktion, für die Bewohner ein Problem

Manuel Silvestri/ REUTERS

Bürgermeister beziffert die Schäden auf mehrere Hundert Millionen Euro

Nach dem schlimmen Hochwasser am Dienstagabend waren Einheimische und Touristen in Gummistiefeln durch überflutete Gassen gewatet. Viele Anlegestellen für die berühmten Touristen-Gondeln wurden weggerissen. Ein 78-jähriger Mann wurde durch einen Stromschlag getötet, als Wasser in sein Haus eindrang.

Nach Angaben des Präsidenten der Region Venetien, Luca Zaia, hatten 80 Prozent der Stadt unter Wasser gestanden. Bürgermeister Luigi Brugnaro bezifferte die Schäden auf mehrere hundert Millionen Euro. Conte kündigte vor der Verhängung des Notstandes bereits Entschädigungszahlungen an, die für Bewohner bei 5000 Euro und für Geschäftsleute bei 20.000 Euro liegen sollten.

Brugnaro machte den Klimawandel für die Katastrophe verantwortlich. „Wir müssen widerstandsfähig sein und uns anpassen. Wir brauchen eine Politik, die das Klima mit ganz anderen Augen betrachtet“, sagte nun auch Umweltminister Sergio Costa.

Laut „CNN“ war am Dienstag auch der Regionalrat Venetiens überflutet worden – nach Angaben eines Abgeordneten nur zwei Minuten, nachdem dort ein Antrag mit Klimaschutzmaßnahmen abgelehnt worden war.

Übernächste Woche soll zudem eine Sonderkommission über die „Probleme Venedigs“ beraten, wie Conte ankündigte. Dabei soll es seinen Angaben zufolge auch um ein geplantes Anlegeverbot für große Kreuzfahrtschiffe und ein umstrittenes Hochwasserschutzsystem gehen, das die Lagunenstadt mit schwimmenden Barrieren schützen soll.

Das Großprojekt Mose ist schon seit 2003 in Bau, aber immer noch nicht funktionstüchtig. Ursprünglich waren dafür zwei Milliarden Euro veranschlagt, mittlerweile hat der Bau schon sechs Milliarden Euro verschlungen. Conte sagte nun, der Bau sei mittlerweile zu 93 Prozent abgeschlossen und „wahrscheinlich“ im Frühjahr 2021 fertig. Zuletzt hatten Ingenieure entdeckt, dass Teile der Konstruktion verrostet waren.

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