Aus in der Champions League Mission Ajax auf der Kippe

Das Überwintern in der Champions League war fest eingeplant – doch nach dem bitteren Aus gegen den FC Valencia könnte für Ajax Amsterdam der Wiederaufstieg zu einem europäischen Topklub beendet sein.

Peter Dejong AP
Hakim Ziyech würde am liebsten gar nicht mehr aufstehen

Mittwoch, 11.12.2019  
15:29 Uhr

Bis vor fünf Tagen war es eine fantastische Ajax-Saison. In der Ehrendivision hatte das Team von Erik ten Hag nach 15 Spieltagen noch keine einzige Partie verloren, in der Gruppenphase der Champions League war man Tabellenführer vor dem FC Valencia und dem FC Chelsea. Die Reise nach der rauschhaften Vorsaison, als man souveräner Meister wurde und in der Champions League das Finale nur hauchzart verpasste, schien ähnlich weiterzugehen.

Fünf Tage später steht das ganze Erfolgsprojekt Ajax Amsterdam auf der Kippe.

Die erste Niederlage in der Liga am Freitag gegen Willem II haben sie in Amsterdam noch als Betriebsunfall hingenommen, die 0:1-Heimpleite gegen den FC Valencia in der Champions League vom Dienstagabend jedoch ist weit mehr als nur ein verlorenes Fußballspiel.

Durch das Resultat zogen Valencia und Chelsea an den Niederländern vorbei, das Champions-League-Achtelfinale, fest eingeplant, findet ohne Ajax statt. In den Niederlanden sind sich viele einig, dass dies nachhaltige Folgen haben wird. Für den Kader, für den Trainer, für den gesamten Verein.

„Das kann das Ende einer Ära bedeuten“, titelte das „Algemeen Dagblad“. Die Zeitung ordnet die Partie gegen die Spanier als „absolutes Schlüsselspiel in der modernen Vereinsgeschichte“ ein. Der Journalist Marco Timmer vom Fachblatt „Voetbal International“ urteilt: „Ajax will strukturell den Anschluss an die europäische Spitze, doch dazu gehört das Überwintern in der Champions League“. Das haben sie verpasst, „leichtfertig weggegeben“, wie Trainer ten Hag nach dem Spiel beklagte.

Zuhause ist der Wurm drin

Letztlich war es die Heimschwäche, die Ajax das Weiterkommen kostete. Wie gegen den FC Chelsea zeigten sich die Niederländer nicht imstande, das Spiel im eigenen Stadion zu dominieren. Während Ajax in den vergangenen zehn Auswärtsspielen in der Champions League ungeschlagen blieb und dabei mit überragendem Konterspiel brillierte, tut sich das Team zu Hause schwer. Das war schon in der Vorsaison so, wo man weder gegen die Bayern in der Gruppenphase, noch später gegen Real, Juventus und Tottenham in der K.-o.-Runde in Amsterdam gewann – während man in Madrid, Turin und London in teilweise überragender Manier siegte.

Ajax hat auf niedrigerem Niveau ein ähnliches Problem wie Thomas Tuchels Paris Saint-Germain in Frankreich. Der eigenen Liga sind sie fast entwachsen, es gibt kein anderes Ziel als die Meisterschaft. Aber seit der Vorsaison haben sich die Ambitionen erweitert, ein gutes Abschneiden in der Champions League ist zum eigentlichen Saisonziel gereift. Mit dem Unterschied, dass PSG genug Geld hat, um seine wertvollsten Spieler zu halten, auch wenn es in der Königsklasse nicht rund läuft.

Ajax ist finanziell und strukturell in den Niederlanden ein Gigant, europäisch jedoch bestenfalls ein Schwellenklub zwischen der gehobenen Mittelklasse und den Topvereinen. Immer wenn Ajax zuletzt eine Mannschaft auf höherem Niveau gebaut hatte, erweckte dies Begehrlichkeiten der noch größeren Vereine in Europa. So schien nach dem Sturm durch die Champions League im Vorjahr auch klar, dass diese Mannschaft, die Real Madrid und Juventus auf beeindruckende Weise füsiliert hatte, im Sommer zerrupft werden würde.

Jetzt droht tatsächlich der Ausverkauf

Am Ende waren es allerdings nur zwei Leistungsträger, die den Klub zur neuen Saison verließen – Abwehrboss Matthijs de Ligt wechselte zu Juventus, Mittelfeld-Mastermind Frenkie de Jong zum FC Barcelona. Nach dem Sieg von Barça am Dienstag bei Inter Mailand machte in den sozialen Medien ein Bild die Runde, wie de Jong nach dem Abpfiff das Ajax-Aus auf der Anzeigetafel kopfschüttelnd kommentierte.

Andere – wie der heftig umworbene Hakim Ziyech, Torwart Andre Onana, Stürmer David Neres oder Verteidiger Nicolas Tagliafico – entschieden sich zum Bleiben, weil das Ajax-Management um die früheren Vereinsgrößen Edwin van der Sar und Marc Overmars sie überzeugen konnte, dass in Amsterdam wieder etwas entsteht. Das wird künftig erheblich schwieriger zu argumentieren.

Das gilt auch für den Coach. Dass ten Hag beim FC Bayern seit Längerem auf der Wunschliste steht, ist bekannt. Der Trainer selbst hat sich nicht abgeneigt gezeigt, nach München zurückzukehren, wo er vor einigen Jahren schon zum Trainerstab gehörte. Der 49-Jährige ist der Architekt dieser Mannschaft, im Sommer noch sinnvoll ergänzt durch Angreifer Quincy Promes, der gegen Valencia wie Nebenmann Neres verletzt fehlte. Auch das war ein Grund für das Ausscheiden – Vorbereiter Ziyech und Vollstrecker Promes, das hatte sich in den vergangenen Wochen als Erfolgskombination eingespielt.

Ausgerechnet jetzt, wo Ajax sich im Tal befindet, geht es am Wochenende zum Topspiel in der Liga gegen AZ Alkmaar, das einzige Team, das in der Eredivisie mit Ajax noch einigermaßen mithalten kann. Einziger Trost für Ajax: Es ist ein Auswärtsspiel.

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