Fußball: Unsportliches Verhalten – früher Grau, jetzt Gelb – DER SPIEGEL – Sport

Eigentlich hätte Werder Bremens Trainer Florian Kohfeldt am Samstag allen Grund gehabt, sich zu freuen. Schließlich gewann seine Mannschaft drei wichtige Punkte im Abstiegskampf gegen Fortuna Düsseldorf (1:0). Trotzdem war der Coach außer sich, sprach von „Irrsinn“. Sein Unmut richtete sich – wieder einmal – gegen die Regelhüter des Deutschen Fußball-Bundes: „Warum machen Leute die Regeln, die nie dieses Spiel gespielt haben und überhaupt nicht verstehen, was auf dem Platz passiert?“

Zu den Adressaten seiner Kritik zählt auch Lutz Michael Fröhlich, der Sportliche Leiter der Elite-Schiedsrichter. Er hatte vor Rückrundenstart dazu aufgefordert, Unsportlichkeiten härter zu sanktionieren. In einem Schreiben, das er an die Klubs geschickt hatte, sind die entsprechenden Situationen aufgelistet.Vermehrt geahndet werden sollen demnach“das Vortäuschen von Fouls, das Stören des Spiels durch Zeitverzögerungen wie zum Beispiel das Ballwegtragen nach Freistoßentscheidungen“,“das heftige, gestenreiche Reklamieren, das Unterdrucksetzen des Schiedsrichters und Rudelbildungen“,Anlass der Erregung Kohfeldts war eine Szene im Bremer Strafraum: Weil sich der bereits verwarnte Werder-Kapitän Niklas Moisander brüllend vor Schiedsrichter Felix Brych aufbaute, und damit wenigstens einer der aufgeführten Punkte erfüllt war, musste er mit Gelb-Rot vom Platz. Vorausgegangen war ein heftiger Zusammenprall mehrerer Spieler beider Teams, bei dem der Bremer Kevin Vogt eine Gehirnerschütterung erlitt. 

„Absolut korrekt gehandelt“Die Hinausstellung von Moisander war eine Folge der dezidierten Anweisungen. Es sei „eine berechtigte Gelb-Rote Karte“, sagte Spielleiter Brych. Im Gespräch mit dem SPIEGEL unterstützt Fröhlich die Entscheidung von Brych, dieser habe „absolut korrekt gehandelt“.Kohfeldt hingegen sieht sich als Opfer einer neuen „Regel“. Genauer betrachtet seien es jedoch Justierungen, die auf den bestehenden Regeln beruhen, sagt Fröhlich. Damit soll das Bild einer fairen Sportart im Gleichgewicht gehalten werden. Mögen die Anweisungen zu Beginn noch wie ein Drahtseilakt für die Unparteiischen wirken, werden sich, so ist Fröhlich überzeugt, „die aggressiven Unsportlichkeiten im Laufe des Prozesses minimieren“.

36 Verwarnungen gab es am ersten Spieltag der Rückrunde, das sind vier mehr als der Durchschnitt pro Hinrundenspieltag. Die Unparteiischen setzten die neue Direktive offenbar konsequent, aber nicht übertrieben penibel um. Beim Freitagsspiel FC Schalke 04 gegen Borussia Mönchengladbach gab es zwei Gelbe Karten, die den neuen Kriterien entsprechen: Eine, als ein Spieler den Ball bei einem Gladbacher Freistoß wegkickte, eine andere, als eine kleine Rudelbildung ausgelöst wurde. In der Partie zwischen dem 1. FC Köln und dem VfL Wolfsburg wurde ein Meckern genauso mit Gelb bestraft wie die Spielverzögerung bei einem Einwurf.

Schiedsrichter als „vernünftiger Ansprechpartner“Fröhlich verteidigt die neuen Vorgaben, weil sie helfen könnten, das zunehmend unsportliche Verhalten in den deutschen Profiligen zu bekämpfen. Außerdem kämen Wünsche nach einer Verschärfung häufig von Trainern.Fröhlich hält die Maßnahmen auch für notwendig, um den Respekt vor den Schiedsrichtern zu stärken. Denn er läuft Gefahr, keinen geeigneten Schiedsrichternachwuchs mehr zu finden. Seit 2014 gab es einen Rück­gang von 20 Pro­zent. Gerade, weil die Toleranzzone im Fußball schwindet, sieht Fröhlich Bedarf, konsequenter gegen wirklich unsportliches Verhalten vorzugehen. Das heißt allerdings nicht, dass man das Kind gleich mit dem Bade ausschütten muss. Beim Fußball ist der Schiedsrichter nicht sakrosankt – und das sei auch nicht die Erwartungshaltung: „Der Schiedsrichter soll immer auch ein vernünftiger Ansprechpartner sein.“Trotz der Verschiebung des Erlaubten herrsche weiter das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Wenn sich etwa mehrere Spieler beschweren, dann „soll derjenige verwarnt werden, der sich am stärksten hervorbringt“, sagt Fröhlich.Vorerst will Fröhlich die Anweisungen trotz der Kritik beibehalten. „Wir werden uns wöchentlich prüfen und auch die Feedbacks der Klubs einholen. Im Sommer werden wir sehen, wo wir angekommen sind.“
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