Luigi Di Maio: Darum ist der 5-Sterne-Chef zurückgetreten – DER SPIEGEL – Politik

Im Sommer, als Matteo Salvini ihn gerade verraten hatte, wurde Luigi Di Maio ausnahmsweise emotional. Er schickte einen offenen Brief an Giuseppe Conte, den Ministerpräsidenten. Es war der Tag, an dem die Regierung seiner 5-Sterne-Bewegung mit der Lega zerbrach. „Wir gehen heute erhobenen Hauptes ins Parlament“, schrieb Di Maio, „wir stehen auf der richtigen Seite der Geschichte.“ Dann lobte er den Regierungschef selbstlos noch als „rare Perle“ und als „Diener der Nation, den Italien nicht verlieren darf“.

Triumph und Absturz, Bewunderung, Spott und Hass: In den vergangenen 28 Monaten an der Spitze der Movimento 5 Stelle (M5S) hat Di Maio alles erlebt, fast immer mit einem freundlichen, unverbindlichen Lächeln im Gesicht. Was der 33-Jährige wirklich empfand, wohin er politisch zielte, war schwer zu erkennen.Zwei Mal verzichtete er darauf, Ministerpräsident zu werden, obwohl seine Movimento die mit Abstand größte Fraktion in beiden Parlamentskammern stellt. Im September gab er sogar seinen Posten als Vizepremier ab und begnügte sich mit dem Außenamt. Nur seine Führungsrolle bei den 5 Stelle hat er stets verteidigt. Bis heute. Am Abend trat Di Maio als M5S-Chef zurück, um sich auf sein Ministeramt zu konzentrieren. Ein Interimschef soll die Bewegung leiten, bis die zerstrittenen Sterne eine neue Führung finden. Wie konnte es dazu kommen?

Aufstieg – und FallAls sich der Komiker Beppe Grillo aus der von ihm gegründeten Protestbewegung zurückzog, war Di Maio eine überraschende Wahl. Der junge Süditaliener hatte kein besonderes politisches Profil, und Grillos Rolle als Übervater konnte er erst recht nicht übernehmen. Aber den autoritätskritischen Sternen gefiel seine Bescheidenheit. Und den Wählern auch: Fast 33 Prozent stimmten bei der Parlamentswahl im März 2018 für die 5 Stelle – die junge Bewegung wurde zur stärksten Kraft Italiens.Danach ging es nur noch bergab. Di Maio begab sich in eine Koalition mit Lega-Chef Matteo Salvini, die beiden Männer bildeten das erste Populistenkabinett Westeuropas. Aber nur Salvini profitierte. Bei Europa- und Regionalwahlen verdoppelte er seinen Stimmenanteil, während die 5 Stelle ihre Ergebnisse halbierten. Wochenlang demütigte Salvini seinen jungen Koalitionspartner fast täglich aufs Neue, und Di Maio fand keine Antwort darauf. Bis schließlich die Regierung zerbrach.

„Die am schwersten zu führende politische Kraft Italiens“Zögerlich wagte Di Maio daraufhin ein riskantes Manöver. Er schloss ein Bündnis mit der Demokratischen Partei (PD), verhinderte damit Neuwahlen und schickte Salvini in die Opposition. Aber zu welchem Preis? Jahrelang hatten er und seine Sterne die verhassten Sozialdemokraten bekämpft – und nun wollten sie zusammen regieren? Bei den meisten Bürgern kam das schlecht an, bei der ersten Regionalwahl nach dem Regierungswechsel straften sie die M5S ab: In Umbrien landete die Bewegung bei nur noch sieben Prozent. „Egal ob wir mit der Lega oder der PD regieren“, sagte Di Maio frustriert, „verlieren wir Stimmen“.

In der Bewegung brachen mehr oder weniger offene Machtkämpfe aus. Di Maio wollte bei den nächsten Regionalwahlen nicht antreten, um weitere desaströse Wahlergebnisse zu verhindern, die Bewegung müsse sich erstmal neu aufstellen. Doch er wurde überstimmt. Es folgten Forderungen, ein Führungsteam oder einen Rat der Weisen an der M5S-Spitze zu installieren. Und dann verließen im Wochentakt weitere Abgeordnete die Bewegung, manche wechselten zur Lega, andere ins Lager der Unabhängigen. „Ein Vorsitzender, der von 33 auf 15 Prozent abstürzt, muss abtreten“, sagte einer der Abtrünnigen.Di Maio sei unter allen Politikern derjenige, „den wir am wenigsten beneiden“, schrieb die der M5S nahestehende Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“. Die Movimento sei „die am schwersten zu führende politische Kraft Italiens“.“Alle gegen alle“Es war Beppe Grillo, der im Sommer die Koalition mit den Sozialdemokraten erzwang. Di Maio setzte den Willen des Patriarchen um, zunächst ohne große Überzeugung. Mehrfach kam der Komiker danach aus seinem Alterssitz in Genua nach Rom, um den jungen M5S-Chef zu unterstützen. Es gab Fototermine und lobende Worte für Di Maio. „Wer wäre denn besser als er?“, sagte Grillo. Aber am Ende reichte seine Unterstützung nicht mehr aus. In Rom stellte Di Maio heute neue regionale Führungskräfte seiner Bewegung vor und sprach über die Motive für seinen Rücktritt. Manchmal habe es gewirkt, als kämpften in der M5S „alle gegen alle“.Und nun? Ein Staatssekretär im Innenministerium, Vito Crimi, wird die Movimento vorübergehend leiten, bis sich die zerstrittenen Sterne auf eine Führung einigen. Vielleicht hilft ihnen ein Rat, den Grillo schon im Oktober gab: „Wir sind im Chaos“, erklärte der Polit-Clown. „Aber im Chaos entstehen schöne Ideen. Wir müssen euphorisch sein.“
Icon: Der Spiegel

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