Primera División: Betrugsskandal im spanischen Fußball – Es mauscheln doch alle – DER SPIEGEL – Sport

Dies sei kein amerikanischer Prozess wie aus einer dieser Fernsehserien, versuchte der Richter in einem Gerichtsaal in Pamplona im Norden Spaniens zu schlichten. Der ehemalige Präsident des Erstkligaklubs Atlético Osasuna, Miguel Archando, hatte den Anwalt der spanischen Liga unflätig beschimpft. Doch so fiktiv die Verhandlung zu sein scheint, ihr Hintergrund ist ein großer Manipulationsskandal im spanischen Fußball..

Der spanische Abstiegskampf der Saison 2012/2013 war nichts für schwache Nerven. Vier Spieltage vor Schluss lagen sechs Vereine sechs Punkte auseinander, die Hälfte von ihnen würde absteigen. Es war der Moment, als man sich bei Osasuna zu einer konzertierten Investition entschlossen haben soll. Mit Duellen zwischen Abstiegskandidaten und Teams aus dem gesicherten Mittelfeld hielt das Wochenende interessante Partien bereit. Osasuna soll Getafe, dem eigenen Gegner, 400.000 Euro gezahlt haben, damit er verliert – sowie Betis Sevilla und Real Valladolid je 150.000 Euro, damit sie Celta de Vigo respektive Deportivo La Coruña schlagen. Alle Ergebnisse traten ein, Osasuna konnte sich absetzen und hielt letztlich die Klasse.

Ein Jahr später steckte der Traditionsklub aus Pamplona schon wieder im Schlamassel. Vier Punkte aus den letzten beiden Spielen müssten her, so offenbar die Kalkulation. Für 250.000 Euro soll Espanyol Barcelona am vorletzten Spieltag ein Remis abgekauft worden sein, derweil wieder Betis für 400.000 Euro gegen Valladolid gewinnen sollte, um sich dann gegen weitere 250.000 Euro am letzten Spieltag von Osasuna besiegen zu lassen. Erneut endeten alle Partien wie mutmaßlich vereinbart, aber Resultate auf anderen Plätzen durchkreuzten den Plan. Osasuna stieg trotzdem ab.Die Schilderungen stützen sich auf Aussagen des ehemaligen Klubmanagers Ángel Vicay vor einem Gericht in Pamplona. Nach jahrelangen Ermittlungen, ursprünglich ausgelöst durch eine Wirtschaftsprüfung der Vereinskonten, wird den Geschehnissen der Saisonfinals 2013 und 2014 seit dieser Woche der Prozess gemacht.

Elf Männer beschuldigtBeschuldigt sind mit Jordi Figueras, Xavi Torres, Antonio Amaya drei damalige Betis-Profis, sechs Ex-Funktionäre von Osasuna und zwei Immobilienmakler. Für Spielmanipulationen oder Versuche zu deren späterer Vertuschung sollen mindestens 2,2 Millionen Euro veruntreut worden sein. Die Haftanträge lauten auf bis zu 14 Jahre für Vicay oder den damaligen Präsidenten Archando. Dieser und andere Funktionäre gestanden bei ihren ersten Vernehmungen aber nur die „Motivationszahlung“ an Betis für den Sieg gegen Valladolid.

Derlei Prämien gehören fest zur spanischen Fußball-Folklore; ein bisschen wie einst in Deutschland die Würstchen-Laster von Uli Hoeneß für erfolgreiche Bayern-Rivalen. Zwar sind eigentlich auch sie verboten, haben aber nicht denselben Beigeschmack wie die Verabredung zur absichtlichen Niederlage. Die wiederum erfolgt dem Brauchtum nach oft formlos, etwa durch Absprachen während der Hinrunde – nach dem Motto: „Im Rückspiel die Punkte für den, der sie braucht!“ Oder eben durch kurzfristige Geldzahlungen.

Erwähnenswert ist etwa eine Partie zwischen Athletic Bilbao und UD Levante, die den Gastgebern am letzten Spieltag der Saison 2006/2007 den Klassenerhalt sicherte. Geheime Tonbandaufnahmen eines Gesprächs zwischen Präsident und Kapitän von Levante legten ein Jahr später nahe, dass sie das Match verkauft hatten. Bei Levante spielten damals auch Luis Rubiales und José Francisco Molina, heute Präsident und Sportdirektor des spanischen Fußballverbandes, die laut der Aufzeichnung zu einer Fraktion von Profis gehörten, die sich gegen die Verschiebung wehrten. Torwart Molina war mit etlichen Paraden bester Mann, konnte das 0:2 aber nicht verhindern; trotz gültigen Vertrages beendete er nach dem Spiel die Karriere, offenbar seine stille Form des Protests. Strafrechtlich blieb das Match ohne Aufarbeitung.Mammutprozess über SpielmanipulationMittlerweile verfolgen Liga wie Justiz dubiose Fußball-Vorkommnisse engagierter. Ein Mammutprozess über die Partie zwischen Real Saragossa und – erneut – Levante vom letzten Spieltag der Saison 2010/2011 endete kurz vor Weihnachten jedoch mit Freisprüchen für 36 Spieler: die Indizien, so das Gericht, wiesen zwar auf eine Verschiebung zugunsten von Saragossa hin, das sich durch den Sieg damals vor dem Abstieg rettete; die Beweislage reiche jedoch nicht aus.Beobachter spanischer Sportbetrugsverfahren mochten darin ein bekanntes Muster entdecken. Umfängliche Untersuchungen – 2386 Seiten Ermittlungsbericht im Fall Osasuna – und lange Verfahren enden meistens mit wenig bis nichts, im Fall Osasuna wird seit 2015 verhandelt. Die berühmte „Operación Puerto“, die den Dopingskandal um den ehemaligen Radsport-Teamarzt Eufemiano Fuentes aufdeckte, ist insofern ein Paradebeispiel: Zehn Jahre nach ihrem Beginn wurde sie 2016 ohne juristische Konsequenzen archiviert. Ihr Erbe bleibt in der Polizeiarbeit, die ein grelles Licht auf Doping im Radsport warf – und in sportrechtlichen Verfahren, die daraufhin in anderen Ländern geführt wurden. Und diesmal? Das heutige Osasuna – als Nebenkläger registriert – wie auch Betis, Getafe und Espanyol, die sich bestechen lassen haben sollen, müssen allenfalls von der Uefa etwas befürchten; in Pamplona sitzen sie nicht auf der Anklagebank. Derweil widersprechen sich die Beschuldigten bisher gegenseitig. Ex-Präsident Archando stellte im Gerichtssaal gar die Theorie auf, dass durch eine Absprache in der Abstiegssaison eigentlich Osasuna verraten worden sei, die dem Konkurrenten Granada am letzten Spieltag den rettenden Sieg in Valladolid ermöglicht habe und in die auch Liga-Präsident Javier Tebas verwickelt gewesen sei. „Cosi fan tutte“, es mauscheln doch alle – so die Argumentation. Das eigene Vergehen lässt sich da schnell zum Präventivakt verklären.Es geht durchaus unterhaltsam zur Sache im Saal. Wohl auch am Donnerstag, wenn die drei Betis-Profis vernommen werden sollen. Das Prozessende ist für den 28. Februar angesetzt.
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