Hansi Flick beim FC Bayern: Der Klimaretter – DER SPIEGEL – Sport

Allein die Entstehung des 4:0 in der 58 Minute, als das Spiel doch schon längst entschieden war, sagt viel über das derzeitige Klima beim FC Bayern aus. Wie Thiago und Joshua Kimmich im Mittelfeld gemeinsam den Ball eroberten. Wie Robert Lewandowski den Pass annahm, wie er zwei Gegenspieler aussteigen ließ und uneigennützig abspielte. Wie Thiago das Tor erzielte.

Es war ein Spiel, das insgesamt zum Leidwesen der Konkurrenz zeigte, dass die Bayern nun doch eben wieder in großer Selbstüberzeugung die nächste Meisterschaft anpeilen – und dass das alles vor allem ein Verdienst von Hansi Flick ist.Wie lange waren die Bayern in der Hinrunde auf der Suche nach sich selbst. Doch allein die ersten beiden Spiele der Rückrunde haben gezeigt, dass die Bayern sich wieder gefunden haben. Das 4:0 bei der Hertha, nun das 5:0 gegen Schalke, zwei fulminante Siege, die noch vielsagender waren als die anfängliche Siegesserie unter Flick.

Mit einer souveränen Leichtigkeit schmunzelten Flicks Bayern damit alle Zweifel hinfort, wie sie wohl aus der Winterpause kommen würden, ob der Effekt des neuen Trainers nicht schon wieder verpufft sei, ob der Kader ausreiche. Eine große Tageszeitung, eine der seriöseren des Landes, hatte dem Rückrundenauftakt mit den zwei Spielen bis Ende Januar gar schon „Finalwochen“-Charakter bescheinigt. Die Bayern scheinen es gelesen zu haben.

Flick funktioniert auf vielen EbenenEine Stunde nach Abpfiff stand der unter vielen starken Bayern-Spielern noch herausragende Leon Goretzka vor Mikrofonen und Notizblöcken, in der Hand hielt der Torschütze des 3:0 eine Sushi-Box mit zwei Holzstäbchen. Wie er sich den Erfolg unter Flick erkläre, zehn Siege in zwölf Spielen bei zwei Niederlagen gegen Leverkusen und Gladbach, 41:7 Tore. „Er hat ein Klima geschaffen, in dem wir uns alle wohlfühlen“, sagte Goretzka. „Und er hat an einigen Schrauben gedreht.“Das hohe Pressing, das frühe Attackieren, ganz anders als unter Niko Kovac, das war schon bei den ersten Spielen zu sehen. Den Gegner einschnüren, einengen, ihm keine Luft lassen und vor allem keine Hoffnung, dass gegen die Bayern etwas zu holen sei.

Die neue, nun nach der Winterpause noch viel deutlich erkennbare Qualität ist, dass sich die Akteure endgültig eingespielt haben, gerade in der Defensive. Keiner fragt etwa mehr, ob Joshua Kimmich mal wieder rechts hinten spielt. Oder David Alaba links. Kimmich ist Sechser, Alaba zentraler Abwehrchef, dazu Alphonso Davies und Benjamin Pavard in der Außenverteidigung.

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Hansi Flickt machte David Alaba zum Abwehrchef
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Das Spiel der Bayern ist nun so, wie es Karl-Heinz Rummenigge auch gern unter Niko Kovac gesehen hätte. Als er anmahnte, man müsse wieder„bayern-like“ auftreten. Bayern-like, so spielen sie nun wieder, doch nicht nur, weil Hansi Flick ihnen die richtigen taktischen Vorgaben gibt.

Wer sich umhört an der Säbener Straße, erfährt, wie begeistert man in der Klubzentrale von Flick sei, von seinen taktischen Fähigkeiten ebenso wie von seinen empathischen. Er lasse die Spieler Wertschätzung spüren, habe ein gutes Gefühl dafür, wann ein Spieler eine Aufmunterung brauche. Ein Lächeln. Ein Klaps auf die Schulter. Eine Umarmung. Ein Gespräch. Ganz einfache Dinge, aber sehr wirksame.Erinnerungen an HeynckesDer einzige Trainer, dem sie in den vergangenen zehn Jahren beim FC Bayern auch solche Qualitäten bescheinigten, fachlich und menschlich, war Jupp Heynckes. Die beiden zu vergleichen, wäre vermessen, aufgrund der Vita, der Erfolge, der Erfahrung. Aber im Ansatz steckt charakterlich in jedem Fall ein klein bisschen Heynckes auch in Hansi Flick.

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Der aktuelle Bayern-Trainer freute sich angesichts der Leipziger 0:2-Pleite in Frankfurt über „einen sehr gelungenen Spieltag“, und Thomas Müller gleichzeitig auf den Moment, in dem man nicht mehr Verfolger sei, sondern Gejagter. Als Tabellenführer.Nach Münchner Zeitrechnung soll die Bundesligaspitze dann in zwei Wochen übernommen werden, nach dem Spitzenspiel gegen Leipzig. Vor zu viel Euphorie warnte aber auch Müller selbst, er sagte, es bringe nichts, wenn man sich schon im Januar feiern würde. Die richtigen Endspiele sind eben doch immer noch im Mai.FC Bayern – Schalke 04 5:0 (2:0)1:0 Lewandowski (6.)2:0 Müller (45.+2)3:0 Goretzka (50.)4:0 Thiago (58.)5:0 Gnabry (89.)München: Neuer – Pavard, Boateng, Alaba, Davies – Kimmich, Thiago (61. Coutinho) – Goretzka (78. Tolisso) – Thomas Müller, Lewandowski, Perisic (68. Gnabry)Schalke: Schubert – Kenny (80. McKennie), Kabak, Nastasic, Oczipka – Mascarell – Caligiuri, Serdar – Harit – Gregoritsch (57. Kutucu), Matondo (57. Boujellab)Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)Schiedsrichter: Gräfe
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