Deutsche Handballer: Nach der EM ist vor Olympia – DER SPIEGEL – Sport

„Ich habe schon bessere Turniere gespielt“, sagte Kapitän Uwe Gensheimer nach dem Ende der Handball-EM aus deutscher Sicht. Seine Unzufriedenheit rührt daher, dass dieses Ende vor dem Finale am Sonntag (16.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL.de) kam, nach dem Spiel um Platz fünf – und nicht nach dem Spiel um Platz eins.

Der 33-Jährige spricht immer häufiger davon, wie wichtig ihm große Titel mit der Mannschaft sind. Doch ihm läuft auf der Hatz nach dem großen Triumph langsam die Zeit weg. Noch vor einem Jahr, bei der WM im eigenen Land, war Gensheimer ebenfalls ambitioniert – aber eben auch eine prägende Figur gewesen. Dort riss der Linksaußen mit seinen Treffern das Publikum mit – und ließ sich wiederum von der Atmosphäre in Berlin, Köln und Hamburg mitreißen.Vielleicht lag es an der ungewohnten Stille in Trondheim in der Vorrunde, dass Gensheimer ein schwaches Turnier spielte. Im ersten Turnierspiel gegen die Niederlande sah er die Rote Karte, anschließend vergab er gegen Spanien zwei Siebenmeter, ehe er sich durch die restlichen Partien quälte. Gegen Portugal saß er wegen einer Erkältung fast ausschließlich auf der Bank.

Der Mann mit dem kompletten Wurf-Repertoire verkrampfte zuletzt, wenn er sich selbst zu sehr unter Druck setzte, wenn er sportliche Ziele mit aller Macht erreichen wollte. So wirkte es auch diesmal. „Damit bin ich nicht zufrieden, klar“, sagte er.

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Ein Titel mit dem Nationalteam fehlt Uwe Gensheimer noch
Robert Michael/ dpa

Im April wird Gensheimer wieder gebraucht, denn beim Olympia-Qualifikationsturnier in Berlin geht es nicht nur für ihn darum, erfolgreich zu sein. Für die gesamte Sportart ist wichtig, dass die Männer-Nationalmannschaft im Sommer in Tokio dabei ist. Der Kapitän will auf diesem Weg vorangehen, wo er auch immer endet.Weber schwimmt sich freiAngeführt wird das Team derzeit aber von Philipp Weber. Der Rückraumspieler spielte eine starke EM – und er steht erst am Anfang, obwohl er schon 27 Jahre alt ist.

Dabei war er vor dem sportlichen Desaster bei der EM 2018 noch vom Vizepräsidenten des Deutschen Handballbundes, Bob Hanning, zur Führungsfigur ernannt worden war. „Wenn wir unsere Ziele in den kommenden Jahren erreichen wollen, brauchen wir einen starken Spielgestalter. Weber soll diese Mannschaft in den nächsten Jahren führen“, hatte Hanning damals gesagt. Nur ein Jahr später spielte Weber bei der Heim-WM keine Rolle mehr.Im zweiten Anlauf hat sich Weber nun freigeschwommen, spätestens seit der dramatischen Niederlage gegen Kroatien, das gegen Spanien am Sonntag um den EM-Titel kämpft. Gegen die aggressive Deckung der Kroaten konnte er seine Stärken im Eins-gegen-Eins, seine Geschwindigkeit und Wendigkeit optimal zur Geltung bringen.

Kein Lausbube mehrWeber schwang sich über das gesamte Turnier zu einer prägenden Figur auf. Mit 20 Treffern zählt er zu den besten deutschen Torschützen, fast 70 Prozent der Würfe fanden das Ziel, ein starker Wert für einen Rückraumspieler. Zudem gab er 18 Torvorlagen, nur Kai Häfner hatte aus deutscher Sicht mehr.

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Philipp Weber hat sich durchgesetzt
Robert Michael/ dpa

Er strahlt auf dem Feld viel Selbstvertrauen aus – und auch im Gespräch wirkt er reifer und reflektierter. Aus dem Lausbuben ist inzwischen ein Mann geworden, bereits früh galt Weber als großes Talent, in Leipzig hatte er aber auch den Ruf eines Heranwachsenden, der möglicherweise nicht professionell genug für seinen Sport lebt und arbeitet. Das änderte sich – und zahlt sich jetzt aus.„Wenn wir unsere Ziele in den kommenden Jahren erreichen wollen, brauchen wir einen starken Spielgestalter.“ Die Worte von Hanning aus dem Januar 2018 können ohne Weiteres auf den Januar 2020 projiziert werden, vom 17. April bis zum 19. April steht das Olympische Qualifikationsturnier in Berlin an, in einer Vierergruppe müssen die Deutschen gegen Schweden, Slowenien und einem noch nicht feststehenden afrikanischen Vertreter mindestens Zweiter werden.Diesmal scheint Weber bereit, das deutsche Team zu führen.
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