Young Boys Bern vs. FC Basel: Schweizer Gipfeltreffen – DER SPIEGEL – Sport

Das St.-Jakob-Stadion in Basel umweht der Glanz vergangener Tage. Das Joggeli, wie die Nordschweizer sagen, ist ein Sehnsuchtsort des europäischen Fußballs. 1954 zog die deutsche Nationalmannschaft hier durch ein 6:1 über Österreich ins Finale der WM ein. Das Wunder von Bern hätte ohne den Sieg von Basel nie stattgefunden.

Bei der EM 2008 bezwang Deutschland hier die Türkei. 2016 gewann der FC Sevilla in Basel die Europa League. Seit dem Neubau 2001 fasst das größte Stadion der Schweiz 38.500 Zuschauer. In der Loge oberhalb der steilen Haupttribüne mit den blauen Sitzschalen sitzt Marcel Koller, der Trainer des FC Basel, und sagt: „Auch meine Erinnerungen sind sehr positiv.“Im alten Joggeli gab er einst sein Länderspieldebüt gegen Brasilien. Der 59-Jährige hätte nichts dagegen, wenn am 21. Mai dieses Jahres ein weiteres Highlight hinzukäme. Am letzten Spieltag der Super League könnte sich der FC Basel im eigenen Stadion zum Meister krönen. Zum ersten Mal seit drei Jahren. Beim langjährigen Branchenführer sehnen sie sich danach.

So schwer zu bezwingen wie die Eigernordwand“Es macht Spaß. Wir sind überall dabei“, sagt Koller. Sein Team ist der schärfste Verfolger von Spitzenreiter Bern. Gewinnen sie am Sonntag im direkten Aufeinandertreffen in der Hauptstadt (16 Uhr), würden sie an die Tabellenspitze springen. Im Sechzentelfinale der Europa League wartet Apoel Nikosia, im Cup Zweitligist Lausanne. Machbare Lose.So zufriedene Töne hat man aus Basel lange nicht vernommen. Der FC Bayern der Schweiz hat zwei holprige Jahre hinter sich. Seit Präsident Bernhard Burgener im Sommer 2017 seinen beliebten Vorgänger Bernhard Heusler beerbte, hagelte es Negativschlagzeilen.

Die Fallhöhe war groß. Von 2010 bis 2017 holte der FCB acht Meisterschaften in Serie. Achtelfinale in der Champions League, Halbfinale in der Europa League – Basel war das Non-Plus-Ultra der Schweiz. So schwer zu bezwingen wie die Eigernordwand.“Dann kommt schnell Unruhe auf“Dann aber der Bruch. 2018 schnappten die Young Boys Bern unter Trainer Adi Hütter den Nordschweizern mit begeisterndem Offensiv-Fußball den Titel vor der Nase weg – mit 15 Punkten Vorsprung. Letzte Saison betrug der Abstand des Meisters gar 20 Zähler. YB war der Konkurrenz entrückt, Basel entthront.“Und wenn die Ergebnisse nicht stimmen, dann kommt schnell Unruhe auf“, sagt Koller. Er wurde 2018 Trainer, nachdem die Vereinsführung Vorgänger Raphael Wicky bereits am zweiten Spieltag geschasst hatte.

Koller übernahm einen wankenden Riesen. Als die Vereinsführung den Fokus auf E-Sport legte: Widerstand. Als der Klub mit viel Geld beim indischen Spitzenklub Chennai City einstieg: Kritik. Als die Fußballerinnen des Vereins bei der 125-Jahrfeier Tombola-Lose verkaufen und Stullen schmieren mussten: Aufruhr. Als Sportchef Marco Streller seine Demission einreichte, nachdem er nicht den gewünschten Koller-Ersatz bekam: Skandal.Auch St. Gallen mischt im Titelrennen mit“Allmählich aber bekommen wir Ruhe rein“, sagt der neue Sportchef Ruedi Zbinden. Kapitän Valentin Stocker ergänzt: „Im Fußball bekommt man für Veränderungen kaum Zeit.“

Dass Basel zuletzt nichts mit der Meisterschaft zu tun hatte, lag auch an der Stärke der Berner. „Wir haben von den Veränderungen in Basel profitiert und waren bereit, als Basel die Liga nicht mehr dominierte“, sagt YB-Sportchef Christoph Spycher. 2016 folgte er auf Fredy Bickel. Es war der Beginn einer Erfolgsstory. Mit kluger Transferpolitik und großem Offensivdrang stürmte YB zweimal in Folge an die Spitze. „Das hat der Liga gutgetan“, sagt Spycher. Dass diese Spielzeit auch der FC St. Gallen im Kampf um den Titel mitmischt, sorgt für zusätzliche Spannung.Die Super League aber hat es schwer. „Durch die Summen, die in Top-Ligen mittlerweile fließen, hat sich Vieles verschoben“, rechnet FCB-Sportchef Zbinden vor, „weil Topspieler in England auf der Bank sitzen, müssen Ligen wie die deutsche Bundesliga Spieler holen, die früher in die Schweiz gewechselt wären.“ Hinzu kommt, dass selbst der Meister nicht mehr sicher in der Champions League startet. Die Liga verliert so wichtige Uefa-Gelder.Weniger Fans“Wir sehen uns als Ausbildungsliga“, sagt deshalb YB-Sportdirektor Spycher. Talente entwickeln, die dann den Sprung in Top-Ligen schaffen: Die Super League versucht, sich in ihrer Nische zurechtzufinden. Das Niveau ist breit gestreut. Genau wie die Zuschauerzahlen. Zu Heimspielen von Bern strömen im Schnitt 26.000 Zuschauer. In Lugano sind es nur 3200.Das St.-Jakob-Stadion wirkt da mit seiner Kapazität von 38.500 Zuschauern aus der Zeit gefallen. Der Zuspruch hat stark abgenommen. Zuletzt kamen nur noch 22.000 Fans. Gelingt es den Kickern vom Rheinknie, sich zu stabilisieren, würde sich das mit Sicherheit ändern. In den Erfolgsjahren feuerten weit über 30.000 Basler ihren Verein an.Dem Joggeli würde es guttun, wenn es wieder so wäre.
Icon: Der Spiegel

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