Regierungskrise in Thüringen: Spahn kritisiert geplante Wahl Ramelows durch die CDU – DER SPIEGEL – Politik

Es gehe um nicht weniger als die Substanz der CDU: Jens Spahn, Gesundheitsminister und möglicher Kandidat für den Parteivorsitz, stemmt sich gegen den am Freitag verkündeten Kompromiss in Erfurt. Um die Regierungskrise in Thüringen zu überwinden, sollen einige CDU-Abgeordnete bei einer neuen Wahl des Ministerpräsidenten für den Linken-Politiker Bodo Ramelow stimmen. Aber: „Eine Wahl von Bodo Ramelow durch die CDU lehne ich ab“, twitterte Spahn am Samstag.

„Wir sind als Union in einer Vertrauenskrise. Die letzten Wendungen aus Thüringen kosten weiteres Vertrauen. (…) Ja, die CDU trägt Verantwortung – aber eben auch Verantwortung für ihre eigene Zukunft und Glaubwürdigkeit. Und um nichts weniger geht es“, schrieb er.

Und weiter: „So schwierig die Lage für unsere Kollegen vor Ort in Thüringen ist: Nachdem die Suche einer überparteilichen Persönlichkeit gescheitert ist, hilft kein weiteres Taktieren. Ich sehe einen Weg nach vorn nur in zügigen Neuwahlen. Da müssen wir dann zusammen mit aller Kraft kämpfen.“Nach vielen Stunden zäher Verhandlungen haben sich Linke, SPD, Grüne und CDU in Thüringen am Freitagabend endlich auf einen Kompromiss auf eine Ministerpräsidentenwahl am 4. März geeinigt. Die Neuwahl des Parlaments soll im Jahr darauf am 25. April 2021 erfolgen. Bis dahin soll es eine verbindliche Zusammenarbeit zwischen CDU und Rot-Rot-Grün bei verschiedenen Projekten geben – darunter der Haushalt für das kommende Jahr.

Die CDU-Fraktion soll in dieser Zeit nicht die Mehrheit mit FDP und AfD nutzen, um Anträge gegen die rot-rot-grüne Minderheitsregierung durchzusetzen.“Wir sind uns unserer Parteitagsbeschlüsse bewusst“Ein Parteitagsbeschluss blockiert eigentlich eine Zusammenarbeit der CDU sowohl mit der Linken als auch mit der AfD. Darauf angesprochen entgegnete Thüringens CDU-Vizechef Mario Voigt: „Wir sind uns unserer Parteitagsbeschlüsse bewusst.“ Als Demokraten seien die Mitglieder der CDU-Fraktion aber aufgerufen, „Lösungen zu produzieren.“Dazu gab es Gegenstimmen aus der Partei, etwa von Kai Wegner, dem CDU-Landesvorsitzenden in Berlin. Er hält eine mögliche Wahl von Ramelow für eine „historische Dummheit“. Er twitterte: „Einen Tabubruch korrigiert man nicht durch einen weiteren“. Die CDU setze die beiden Extreme nicht gleich, aber sie verhelfe ihnen auch nicht zur Macht. „Das wäre ein Stich ins Herz unserer Partei.“

CDU-Bundestagsabgeordneter Matthias Hauer schrieb am Samstag: „Wer ein CDU-Mandat dazu missbraucht, um einen Linken – gegen klare Parteitagsbeschlüsse – zum MP zu wählen, sollte aus der Partei ausgeschlossen werden.“ Präsidiumsmitglied Bernd Althusmann fordert, die CDU dürfe ihre Position zur Linken nicht „taktisch über Bord werfen“. Andernfalls sei es ein „schleichendes Gift für die CDU“.

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hält das in Thüringen vereinbarte Vorgehen für falsch. Das sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). „Die Politik in Thüringen hat die Deutschen jetzt schon lange genug mit ihrem Unvermögen zu politischer Vernunft beschäftigt. Jeder weiß, wie die CDU zur Unterstützung eines Ministerpräsidenten der Linken steht.“ 

SPD fordert Worttreue von der Bundes-CDUMit der Einigung soll eine mehr als zwei Wochen andauernde Regierungskrise in dem Bundesland beendet werden. Deren Auslöser war die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten. Der 55-Jährige war am 5. Februar mit Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Regierungschef gewählt worden – das hatte bundesweit für Entrüstung und Proteste gesorgt.Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sieht in dem nun gefundenen Kompromiss offenbar eine gute Lösung – und forderte die CDU als Koalitionspartner im Bund auf, wie vereinbart in Thüringen eine Regierungsbildung und baldige Neuwahlen zu ermöglichen.Esken twitterte: „In der Koalition im Bund haben wir vereinbart, dass die Koalitionsparteien ihren Beitrag für eine demokratisch getragene Regierung und baldige Neuwahlen in Thüringen leisten. Die Demokraten in Thüringen haben einen Weg gefunden. Wir erwarten, dass die CDU im Bund Wort hält.“
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