Trumps Staatsbesuch in Indien: Superlative und Schmeicheleien – DER SPIEGEL – Politik

„Sieben Millionen Menschen“ an der Strecke zwischen dem Flughafen und dem Veranstaltungsort. Donald Trump muss es nochmal betonen: „Sieben Millionen Menschen!“ Und dann sagt er an einen Mann gewandt, der nicht im Kamerabild zu sehen ist: „Kommst du auch, Steve? Ich hoffe doch!“

Der US-Präsident landet am Montagmorgen deutscher Zeit in Indien und er wirkt schon im Vorfeld beglückt von der Vorstellung, was für ein Spektakel seine Gastgeber da zu seinen Ehren auffahren werden: Auf dem Weg vom Flughafen Ahmedabad in die Stadt sollen Zehntausende Menschen Trump vom Straßenrand aus zujubeln (Trumps angeblich „sieben Millionen Menschen“ wären selbst für eine 5,5-Millionen-Stadt wie Ahmedabad aberwitzig viel). Sein Weg führt den Präsidenten zum Motera Stadion, dem größten Kricket-Stadion der Welt. 125.000 Menschen werden zugegen sein, wenn sich dort Trump und Narendra Modi – die Chefs der ältesten und der größten Demokratie der Welt – feiern lassen wie Rockstars. Der Titel der Veranstaltung: „Namaste Trump“.

Die nächsten Stopps: Das Taj Mahal im Sonnenuntergang, tags darauf geht es zu Gesprächen nach Neu-Delhi und schon am Abend fliegt die Air Force One wieder ab. Hinter Trump werden dann rund 36 Stunden voller Superlative und Schmeicheleien in Indien liegen; es wird wahrscheinlich genau die Art von Staatsempfang sein, der einem Mann wie ihm gefallen dürfte: Wenig Inhalt, viel Bombast.Bruch mit dem diplomatischen ProtokollDer politische Analyst Sanjaya Baru kommentiert im „Indian Express“ das bevorstehende Treffen so: „Modi hat die Kunst der Diplomatie als Massenevent perfektioniert.“ Der Premier lege das Augenmerk auf den Hype um den Mangel an Substanz zu verdecken. Tatsächlich ist Modis Markenzeichen unter anderem der gezielte Bruch mit dem diplomatischen Protokoll: Er überrascht Ehrengäste bei ihrer Ankunft gerne am Rollfeld. Statt förmlichem Handschlag drückt er Staatsmänner fest an sich. Emmanuel Macron, Shinzo Abe, Wladimir Putin oder Barack Obama – sie alle hat Modi schon geherzt. Auch Trump kam schon in den Genuss indischer Gastfreundschaft.

Der Vorgänger zu „Namaste Trump“ war „Howdy, Modi“ in Houston im Oktober 2019. Schon damals bejubelten 50.000 Menschen die beiden Staatschefs. Das Texas-Event produzierte schöne Bilder, aber wenig Ergebnisse. Ähnlich wird es wohl auch dieses Mal sein:Neu Delhi hat im Vorfeld angekündigt, zwei Dutzend amerikanische Militärhubschrauber im Wert von 2,6 Milliarden Dollar zu kaufen. Weitere Themen werden unter anderem sein: eine größere Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus, in der Weltraumforschung und im Indopazifik.Beim Ringen um einen „Trade Deal“, dem größten Streitpunkt zwischen den beiden Ländern, zeichnet sich jedoch keine Einigung ab. Im Juni 2019 strich die USA Indien Zollvergünstigungen beim Handel – eine Sonderbehandlung, die das Land im Rahmen eines Handelsprogramms für Entwicklungsländer genoss. Indien entgehen seitdem Exportvergünstigungen im Wert von 5,6 Milliarden Dollar. Das Land hat im Gegenzug Strafzölle auf amerikanische Produkte wie Mandeln, Walnüsse und Stahl erhoben.Indien möchte, dass ausländische Konzerne die Daten indischer Kunden künftig im Inland speichern lassen. Das stört Washington. Andersherum ist Neu-Delhi unglücklich über die restriktive Vergabe von Visa auf Seiten der USA, die es unter anderem indischen IT-Spezialisten erschwert, in den USA zu arbeiten.Mehrere Diplomaten auf indischer Seite haben bereits durchsickern lassen, dass es bei dem Treffen wahrscheinlich keinen „Big Deal“ geben werde. Allenfalls ein „Deal-chen“.Indien durstet nach internationaler AnerkennungTrump erhofft sich mit Blick auf die anstehende Präsidentschaftswahl womöglich auch, dass sein Besuch ihn bei den rund vier Millionen Amerikanern mit indischen Wurzeln – einer kleinen, aber äußerst reichen Gemeinde, die traditionell die Demokraten unterstützt – in ein besseres Licht rückt. Als wirklicher Gewinner aber wird Modi aus dem Treffen herausgehen.

Seit mehreren Monaten sieht sich Modis Regierung zunehmender Kritik ausgesetzt, die sich vor allem an Neu-Delhis Kaschmirpolitik und seinem Umgang mit Minderheiten entzündet. Amerikanische und auch europäische Abgeordnete haben Indien mehrfach ungewohnt scharf kritisiert.Trumps Besuch legitimiert Modis Politik im Inneren dagegen. Und nicht nur das: Indien hat in den vergangenen zwanzig Jahren in der Welt an Statur gewonnen, sowohl wirtschaftlich als auch diplomatisch. Aber das Land durstet nach internationaler Anerkennung – vor allem durch die USA. Wenn der US-Präsident mit dem indischen Premier die Bühne teilt und ihn einen „großartigen Freund“ nennt, dann ist das für viele Inder mehr als ein Spektakel. Es ist der Beweis, dass Indien auf der Weltbühne angekommen ist – in der Gestalt von Premier Modi.
Icon: Der Spiegel

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