„Islamischer Staat“ Irakisches Gericht verurteilt weitere Deutsche

Ihr drohte die Todesstrafe, weil sie im „Islamischen Staat“ gelebt hatte. Doch Fatima M. kam glimpflich davon: Nach SPIEGEL-Informationen hat ein irakisches Gericht die Deutsche nur zu einer kurzen Gefängnisstrafe verurteilt.

Vom IS zurückeroberte Stadt Mossul im Irak (Juli 2017)

Donnerstag, 15.02.2018  
19:46 Uhr

Ihr Mann Magomed A. schwärmte vom „Islamischen Staat“. Dort hätten sie alles, sagte er ihr, Kindergärten und Arbeit. Doch Fatima M. hatte Zweifel. Sie habe gedacht, für sie werde es schwerer, dort gebe es bestimmt keine Spülmaschinen. Magomed aber überzeugte sie: Das sei alles kein Problem, sagte er. So erzählte es Fatima jedenfalls später Beamten des Bundeskriminalamts (BKA). Also reiste das Paar aus dem nordrhein-westfälischen Detmold zusammen mit seinen beiden Söhnen im Frühsommer 2015 in das Herrschaftsgebiet des IS.

Ihr Mann starb bereits wenige Wochen nach der Ankunft, von seinem ersten Kampfeinsatz kehrte er nicht zurück. Fatima M. aber lebte als Witwe im IS und geriet erst zwei Jahre später in Mossul in Gefangenschaft: Irakische Truppen nahmen sie fest. Ihre Söhne indes sind verschollen.

An diesem Donnerstag stand Fatima M. nun in Bagdad vor Gericht. Ihr drohte wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung die Todesstrafe. Nach SPIEGEL-Informationen verhängte die Kammer aber ein glimpfliches Urteil – wegen illegaler Einreise muss M. für ein Jahr in Haft, außerdem soll sie 400 Dollar Geldstrafe bezahlen. Auch „Zeit Online“ berichtet über die Entscheidung.

Der deutsche Anwalt von Fatima M., Gabor Subai, bestätigte dem SPIEGEL das Urteil auf Anfrage. „Die Familie ist sehr erleichtert. Es besteht Grund zur Hoffnung, dass meine Mandantin in naher Zukunft nach Hause kommen kann.“ Ihr werde wohl die Dauer der Untersuchungshaft angerechnet, bei guter Führung sei zudem eine Entlassung nach drei Vierteln der Strafe möglich, so Subai.

Die Bräute des Dschihad

Die nun verurteilte Deutsche mit tschetschenischen Wurzeln ist eine von vier deutschen Frauen, die im Juli 2017 nach dem Fall der IS-Hochburg Mossul von den irakischen Sicherheitskräften festgenommen worden waren. Eine andere, die noch minderjährige Linda W. aus Pulsnitz in Sachsen, hatte wegen ihres geringen Alters weltweit für Aufsehen gesorgt – die Rede war von sogenannten Dschihad-Bräuten.

Eine andere aus der Gruppe, Lamia K., verurteilte ein irakisches Gericht vor einigen Wochen wegen der Mitgliedschaft im IS zum Tode. Das Auswärtige Amt hofft aber, dass ein Richterrat die drakonische Strafe schon bald in eine langjährige Gefängnisstrafe umwandelt. Alle vier Frauen werden von der Botschaft in Bagdad betreut.

Lamia K. war den deutschen Behörden bereits vor ihrer Ausreise als radikale Islamistin bekannt, vor Gericht machte sie aus dieser Gesinnung keinen Hehl und gestand sogar, dass sie IS-Mitglied sei und die Gruppe zumindest unterstützt habe. Ihre Tochter, die noch als Minderjährige von der Mutter nach Syrien genommen worden war, wurde hingegen ähnlich wie jetzt Fatima M. nur wegen illegaler Einreise zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Die Konsularabteilung des AA betreut derzeit neben den vier Frauen in Bagdad noch zwei weitere Deutsche, die im Nordirak gefasst wurden. Daneben bemühen sich die Behörden um Informationen zu mehreren Deutschen, die nach der Flucht vom IS in Nord-Syrien festgenommen worden sein sollen.

Kaum eine in Deutschland in Haft

Insgesamt sind nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden etwa 970 Islamisten aus Deutschland nach Syrien oder in den Irak gezogen, etwa ein Fünftel von ihnen ist weiblich. Ein Drittel der Dschihadisten kehrte inzwischen in die Bundesrepublik zurück, darunter befinden sich etwa 50 Frauen. Kaum eine von ihnen kam jedoch in Haft.

Strafrechtlich verfolgt wurden die mitreisenden Ehefrauen in Deutschland bislang nur, wenn sie Terrororganisationen konkret unterstützt oder wenn sie selbst gekämpft hatten. Ihre Rolle als Mütter und Ehefrauen betrachteten die deutschen Strafverfolger lange Zeit als „sozialadäquates Verhalten“, wie ein hochrangiger Ermittler sagt. Doch das will der Generalbundesanwalt nun ändern (Lesen Sie hier die Hintergründe dazu). Auch ohne Kampfeinsatz soll man künftig einer Terrororganisation zugerechnet werden können – was strafbar ist.

Für Fatima M. dürfte der Ausflug in den Terror aber wohl keine strafrechtlichen Konsequenzen in Deutschland haben. Die Bundesanwaltschaft führt zwar ein Ermittlungsverfahren gegen sie, aber viel scheint gegen die 30-Jährige nicht vorzuliegen. Die Ermittler betrachten sie eher als Mitläuferin. Eine extremistische Gesinnung, heißt es in einem BKA-Vermerk, sei „nicht feststellbar“.

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