Münchner Sicherheitskonferenz Drei Tage maximale Verunsicherung

Traditionell dient die Sicherheitskonferenz als Chance, Konflikte durch Dialog anzugehen. Dieses Jahr geriet das Treffen zum düsteren Gradmesser, wie verfahren die Krisen und wie sprachlos die Akteure sind.

Polens Premier Morawiecki auf der Münchner Sicherheitskonferenz

Sonntag, 18.02.2018  
14:11 Uhr

Als Sigmar Gabriel am Samstag seine Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz begann, schmunzelten viele über seine fast pathetischen Worte. Mit ernster Miene stand der Nochaußenminister am Mikrofon. Sogleich verortete er die Welt im Januar 2018 „kurz vor dem Abgrund“, Krisen und Kriege würden sich eher ausweiten als durch Diplomatie entschärft.

Die Rede Gabriels mag eine Art letzter Versuch in eigener Sache gewesen sein. Zwischen den Zeilen schwang stets mit, dass Deutschland in den nächsten Jahren und für die vielen internationalen Krisen einen erfahrenen Außenminister braucht. Gabriel ließ wenig Zweifel daran, dass er sich dafür für absolut geeignet hielte, wenn ihn seine Partei denn ließe.

Tatsächlich aber hat sich in München in krasser Deutlichkeit gezeigt, wie verfahren die derzeitigen Krisen sind. Meist sprachlos saßen sich in München Dutzende Staatschefs, Außen- oder Verteidigungsminister gegenüber. Statt sich an Lösungen zu machen, überhäuften sie sich gegenseitig mit Schuldzuweisungen.

Ein Überblick über die Hauptstreitthemen:

Das Verhältnis zu den USA bleibt angespannt und unberechenbar. Zwar war Verteidigungsminister James Mattis nach München gereist, trat aber entgegen den ungeschriebenen Regeln der Konferenz nicht öffentlich auf. Die Sprachlosigkeit des Spitzenpolitikers zu den internationalen Krisen illustrierte, wie sehr sich die USA als internationale Ordnungsmacht verabschiedet haben. „America First“, das Trump-Motto, mutiert immer mehr zur Linie „America alone“, sagen viele Konferenzteilnehmer. Amerika agiere außenpolitisch nur noch, wenn es sich eigene Gewinne fürs eigene Land erwartet.
Die Krise mit Russland ist verhärtet. Völlig unversöhnlich trat Außenminister Sergej Lawrow in München auf, unterstellte Europa eine Rückkehr in die Nazizeit, machte bei der Umsetzung des Minsker Friedensplans keinerlei Zugeständnisse. Im Streit um den möglichen Bruch des INF-Vertrags zur Ächtung von nuklearen Mittelstreckenraketen durch die Russen ließen seine Emissäre in München ebenfalls keinerlei Kompromisse erkennen. Stattdessen erklärte er als Reaktion auf die Pläne der USA, sein Atomarsenal zu modernisieren, dass Russland natürlich nachziehen müsse.
In der Ukraine ist keinerlei Lösung in Sicht. Zwar traf sich am Rand der Konferenz das sogenannte Normandie-Format mit den Konfliktparteien, es wurde aber keinerlei Annäherung erreicht. Von der angedachten Blauhelm-Mission zur Überwachung des mittlerweile vier Jahre alten Minsker Friedensplans ist man noch weit entfernt.
Im Nahen Osten stehen die Zeichen auf Eskalation. Kämpferisch trat Israels Premier Benjamin Netanyahu auf, er erklärte Iran indirekt den Krieg. Wenn Teheran seine Präsenz in Syrien, sozusagen im Hinterhof von Israel, weiter ausbaue, werde Jerusalem militärisch eingreifen. Hinter den Kulissen hieß es, die USA würden die aggressive Linie Israels mittlerweile unterstützen. Damit droht der Konflikt völlig außer Kontrolle zu geraten. Irans Außenminister Sarif machte sich kurz nach der Rede Netanyahus noch nicht mal die Mühe, auf die Vorwürfe zu reagieren. Die Konferenz, so Sarif, habe heute morgen „einen Zirkus wie in einem Comic“ erlebt. Diese Show verdiene es nicht einmal, so Sarif, „ernsthaft darauf zu reagieren“.
Das Atomabkommen mit Iran ist massiv gefährdet. Neben Israel machten auch die US-Vertreter in München sehr deutlich, dass sie neue Sanktionen gegen Teheran wollen, da Iran mit Milizen wie in Syrien oder dem Libanon die gesamte Region destabilisiere. Der Druck auf die Europäer, solche Strafmaßnahmen zu verhängen, wird in den nächsten Wochen wachsen. Damit würde das Abkommen zur Eindämmung des iranischen Atomprogramms mehr als unterminiert.

Die USA treiben die Eskalation mit Nordkorea voran. „Wir müssen das Kim-Regime unter Druck setzen – mit allen Möglichkeiten, die wir haben“, sagte Trumps Sicherheitsberater H.R. McMaster in München. Damit ist klar, dass nicht nur die teils erratischen Tweets des Präsidenten von Krieg gegen den Diktator Kim sprechen. Spätestens nach dem Ende der Olympischen Winterspiele, einer Art Feuerpause, wird der Streit um das Atomprogramm des geächteten Regimes wieder aufflammen.

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Angesichts der Lage blieb selbst dem Chef der Konferenz, dem früheren Top-Diplomaten Wolfgang Ischinger, nicht viel Raum für Optimismus. Auch wenn es in München viele Gespräche hinter den Kulissen gegeben hat, steht die Welt laut seiner Analyse gefährlich nahe am Startpunkt für neue militärische Auseinandersetzungen.

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