Handelsstreit Hohe Zölle, prima Show

Trotz weltweiter Kritik hat Donald Trump die umstrittenen Einfuhrzölle für Stahl und Aluminium angeordnet. Doch diese dienen weniger den US-Arbeitern – sondern vielmehr dem Image des US-Präsidenten.

US-Präsident Donald Trump

Freitag, 09.03.2018  
08:26 Uhr

Wenn Donald Trump sich volksnah zeigen will, umgibt er sich mit Arbeitern. Acht Männer und eine Frau aus der Stahl- und Aluminiumindustrie wurden am Donnerstag hastig in den Roosevelt Room des Weißen Hauses gebracht: Dort durften sie zuschauen, wie der US-Präsident zwei Proklamationen unterschrieb, um seine umstrittenen Einfuhrzölle auf den Weg zu bringen.

Einer der Gäste war Scott Sauritch, der Chef eines kleinen Ortsverbands der US-Stahlgewerkschaft USW in Pennsylvania. Er erzählte, wie sein Vater Herman wegen Billigimporten seinen Job verloren habe. Trump wandte sich an ihn und sprach: „Ihr Vater Herman schaut vom Himmel herab, er ist jetzt sehr stolz auf Sie.“ Woraufhin Sauritch trocken erwiderte: „Oh, er lebt noch.“

Ein bezeichnender Wortwechsel: Fakten sind für Trump eher nebensächlich – was zählt, ist die telegene Show. Erst recht bei den Strafzöllen, die er entgegen dem Rat wichtiger Berater und trotz weltweiter Proteste engster Verbündeter verhängt hat.

Von Trump per Federstrich erlassen, sollen die Zölle in zwei Wochen kommen. Es droht ein globaler Handelskonflikt – oder „Handelskrieg“, wie der für alles Militärische schwärmende Trump gerne sagt. Auf die Konfrontation hat er es abgesehen: So kann er vor seiner Basis den starken Mann geben und sich Stimmen in „Blue Collar“-Staaten wie Pennsylvania, Ohio und Kentucky sichern – egal, ob die Importzölle letztlich mehr US-Arbeitsplätze vernichten als retten.

Die Arbeiter, der internationale Aufruhr, die Spaltung des Westens: All das ist hauptsächlich nur Staffage für Trumps Verführung der Wähler. Die wiederum lassen sich willig manipulieren, wie die erste Jubelreaktion der USW zeigt. Die traditionell linke Gewerkschaft hatte 2016 noch Hillary Clinton unterstützt. Nun hat Trump sie auf seine Seite gezogen.

Der Niedergang der Stahlindustrie ist nicht nur eine Folge der weltweiten Handelsströme, sondern auch des technologischen Wandels. Doch dass die Stahlgießer trotz der Zölle am Ende leer ausgehen könnten, dürften sie erst merken, wenn die nächsten Wahlen gelaufen sind. Bis dahin könnte Trumps Stimmenpoker die US-Beziehungen zu den Alliierten zerrütten.

Dabei ist schon die gesetzliche Grundlage für die Zölle umstritten. Die Proklamationen – eine für Stahl, eine für Alu – sind zunächst nur Absichtserklärungen. Also schwächere Versionen jener Dekrete, mit denen Trump im ersten Amtsjahr am liebsten Politik machte – und dann oft vor Gericht scheiterte. Diesmal beruft er sich auf eine Passage, genannt Section 232, eines US-Handelsgesetzes von 1962. Diese ermächtige den Präsidenten nach Rücksprache mit dem Pentagon, gewisse Aspekte der Industriepolitik im Alleingang zu steuern, sofern das der „nationalen Sicherheit“ diene.

Das US-Verteidigungsministerium kann jedoch keinen Engpass an militärischem Stahl und Aluminium erkennen und widerlegte damit Trumps Hauptargument. Seine Ankündigung, Mexiko, Kanada und andere Staaten von den Zöllen zu befreien, falls sie seine Forderungen erfüllen, zeigt obendrein, dass er das Spektakel nur als Druckmittel nutzt, um als knallharter Verhandler zu punkten.

Handelsstreit mit den USA

Zudem kursiert noch die Version, Trump habe die Zölle in einem Wutanfall über die vielen Skandale rund ums Weiße Haus forciert. Das Handelsministerium arbeitete zwar seit Januar daran, die Zoll-Pläne mit einer Studie zu rechtfertigen. Doch Trumps plötzlicher Beschluss traf die Berater so unvorbereitet, dass die Formalitäten bis zuletzt nicht erledigt waren.

Einstweilen bleiben die Übertreibungen, mit denen Trump die Zölle begründet, unwidersprochen. Seine Behauptung, die USA hätten seit 1990 wegen „unfairen Handels“ sechs Millionen Produktionsjobs verloren, ist ebenso unwahr wie das von ihm propagierte US-Handelsdefizit von 800 Milliarden Dollar. Die wahre Zahl von 566 Milliarden Dollar offenbart ein viel besseres Bild für die USA, vor allem was den Handel mit modernen Dienstleistungen angeht.

Doch Trump hängt in seinem starrem Achtzigerjahre-Weltbild fest: Vom „unfairen“ Handel zulasten Amerikas ist er seit drei Jahrzehnten besessen.

Die Eskalation des Handelskonflikts wird von einem Mann mitbetrieben, der an der Zerstörung der Stahlindustrie kräftig verdiente: Handelsminister Wilbur Ross – der mit den Stahlarbeitern im Roosevelt Room stand – wurde zum Multimillionär, indem er US-Stahlfirmen zerschlug und verscherbelte. Ein weiterer Trump-Vertrauter, der Investor Carl Icahn, stieß Ende Februar Stahlaktien im Wert von 31,3 Millionen Dollar ab – wenige Tage vor Trumps erster Strafzoll-Ankündigung.

Trump und seine reichen Freunde profitieren mal wieder – wie bereits bei der Steuerreform. Beides, die Steuerreform und die Strafzölle, wird Trump als Sieg für seine Basis verkaufen. Am kommenden Dienstag findet im Westen des Bundestaates Pennsylvania eine Nachwahl für einen umkämpften Sitz im Repräsentantenhaus statt. Im sogenannten „Rust Belt“ gilt Trump als Held der Arbeiterschaft. Am Samstag hat er sich zu einer Wahlkampfveranstaltung in einem Vorort von Pittsburgh angesagt – der einst blühenden „Steel City“.

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