Merkel in Paris Das Gelöbnis

Beim ersten Besuch der Kanzlerin nach ihrer Wiederwahl in Paris überließ Emmanuel Macron ihr die große Bühne, beide zelebrierten Einigkeit. Auch Finanzminister Scholz besuchte seinen Amtskollegen. Dort gab es weniger Übereinstimmung.

Emmanuel Macron, Angela Merkel

Freitag, 16.03.2018  
21:10 Uhr

Es war alles wie immer, der Kolonial-Dekor und die Kronleuchter im ehrwürdigen Pariser Elysee-Palast, und doch nichts wie vorher: Selten zuvor dürfte der gewöhnliche Arbeitsbesuch einer deutschen Kanzlerin oder eines deutschen Kanzlers beim französischen Präsidenten so viel Weltpresse angelockt haben. Über viele dutzend Meter standen die Journalisten aus aller Welt vor dem Elysee-Palast Schlange: Spanier und Italiener, Japaner und Chinesen.

„In unserer Epoche, wo so viel durcheinander gerät, gibt es wenigstens dieses Duo, das funktioniert, auch wenn es nicht alle Probleme der Welt lösen kann“, sagte die libanesische Reporterin Mona Es Said, die seit 1984 aus Paris für den Libanon berichtet.

Von einem Routinebesuch im Ausland, wie er jedes Mal zu Beginn einer neuen Regierungsperiode für Kanzlerin oder Präsident fällig ist, sollte dieses Mal keine Rede sein. „Wir haben so lange gewartet, dass wir uns jetzt stärker außenpolitisch engagieren können“, sagte Merkel nach fast sechsmonatiger Regierungsbildung daheim. Für sie, die zuvor fast immer leise und zurückhaltend im Elysee-Palast auftrat, glich das einem Gelöbnis.

Die Kanzlerin wollte einen neuen Ton treffen: Die deutsch-französische Afrika-Strategie, sagte sie, sei „ein neuer Pfad, den Deutschland mit Enthusiasmus gehen will“. Sie diagnostizierte einen „Multilateralismus unter Druck“. Gegen diesen Trend aber wollte sie sich mit Frankreich stemmen, um „Aktivitäten der Weltgemeinschaft neu zu erkämpfen“. Wann hat man Angela Merkel außenpolitisch je so kämpferisch und enthusiastisch reden hören?

Merkel darf die großen Reden halten

Hatte sich zuvor etwa jemand beschwert, dass Deutschland zu spät auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Vertiefung der Europäischen Union reagiere? Der neue deutsche Koalitionsvertrag beginne mit dem „neuen Aufbruch für Europa“, sagte Merkel, das sei doch schon „eine erste Antwort auf Frankreich“. Sie versicherte das in immer neuen Varianten: „Wir wollen jetzt einen gemeinsamen Weg finden. Es ist mir sehr wichtig, dass wir jetzt ein gemeinsames Bild abgeben.“

Eigentlich, dachte man, beim Duo Merkel/Marcon hält er die großen Reden. Aber an diesem Abend war sie es.

Genau darauf hatte das Publikum gewartet: Macron stand die vergangenen Monate als einer der letzten namhaften westlichen Staatschefs gerade für die Werte des Westens. Jetzt sollte demonstriert werden, dass er nicht mehr allein ist und tatsächlich wieder eine namhafte Verbündete auf seiner Seite hat. In diesem Sinne tat Merkel ihr Bestes, übrigens mit seinem Beistand.

Macron fiel vor allem damit auf, dass er Merkel gleich mehrmals überschwänglich zu ihrer Widerwahl als Kanzlerin gratulierte – wohlwissend, dass US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putines bisher nicht taten – zumindest nicht persönlich am Telefon. Damit habe nun alles „ein gutes Ende gefunden“, sagte Macron – ganz so, als ob es eine Katastrophe gewesen wäre, wenn Merkel nicht wieder Kanzlerin geworden wäre.

Bei den Finanzministern knirschte es schon eher

Er jubilierte: „Die Kanzlerin hat viel gearbeitet, die Sache ist erledigt und die ganze Freude nun auf unserer Seite“. Das nennt man französischen Stil. Der natürlich in der Sache nichts besagt, ebenso wie Merkels demonstrative deutsche Schnörkellosigkeit an diesem Abend. Der Sinn der Veranstaltung war, dass man wieder an das deutsch-französische Duo glaubt, am besten auch in Japan und China.

Auf die Dauer wird das nicht einfach sein. Ein paar Stunden zuvor trafen sich der neue deutsche Finanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire in Paris. Da traten dann die Differenzen hervor. Man müsse „Stück für Stück gemeinsame Ziele entwickeln, die wir verfolgen können“, sagte Scholz.

Bruno Le Maire, Olaf Scholz

Aber hatte Macron in seinen Reden nicht viele Ziele bereits vorgegeben? Scholz wollte sie offenbar neu formulieren, mahnte zudem die Einsetzung von Experten an, bevor sich Deutschland und Frankreich gemeinsam weiter voran bewegen könnten. Gut, dass dort nicht die Weltpresse dabei war. Die Widersprüche bei den Auftritten von Scholz auf der einen und Merkel auf der anderen Seite wären Japanern und Chinesen sofort aufgefallen.

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