Spekulationen über Merkels Zukunft „Viele machen sich Sorgen um Europa, auch ich“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ ihre Euro- und Flüchtlingspolitik verteidigt. Aber ein Satz sorgt besonders für Spekulationen.

Karl-Josef Hildenbrand/DPA
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt ihre Flüchtlingspolitik

Donnerstag, 16.05.2019  
07:32 Uhr

Seit einigen Wochen wird in Europa darüber spekuliert, ob Angela Merkel möglicherweise nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft eine Position in Brüssel übernehmen könnte. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagte sie nun: „Viele machen sich Sorgen um Europa, auch ich. Daraus entsteht bei mir ein noch einmal gesteigertes Gefühl der Verantwortung, mich gemeinsam mit anderen um das Schicksal dieses Europas zu kümmern.“

Dieser Satz sorgt nun für weitere Mutmaßungen.

Außerdem betonte sie das gute Verhältnis zu dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Dieser dürfte nach der Europawahl am 26. Mai neben Merkel eine Schlüsselrolle bei der Verteilung der EU-Spitzenposten spielen. In den Wechsel-Spekulationen wird Merkel meist als mögliche Nachfolgerin von EU-Ratspräsident Donald Tusk ins Spiel gebracht – auf dem Posten könnte sie als Vermittlerin ihre große Erfahrung einbringen.

Merkel sieht Verhältnis zu Macron unbelastet

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte kürzlich klar gemacht, dass er es für denkbar hält, dass Merkel nach ihrer Zeit als Kanzlerin eine Rolle auf europäischer Ebene übernimmt. „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Angela Merkel in der Versenkung verschwindet“, sagte er Ende April den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Sie ist nicht nur eine Respektsperson, sondern ein liebenswertes Gesamtkunstwerk.“ Mit Blick auf ein mögliches EU-Amt Merkels fügte er hinzu: „Hoch qualifiziert wäre sie.“

Obwohl Merkel in der „Süddeutschen Zeitung“ Meinungsverschiedenheiten mit Macron einräumte, sieht sie ihr Verhältnis unbelastet. „Gewiss, wir ringen miteinander. Es gibt Mentalitätsunterschiede zwischen uns sowie Unterschiede im Rollenverständnis.“ Das sei schon mit früheren Präsidenten so gewesen. Trotzdem stimmten Deutschland und Frankreich „in den großen Linien natürlich“ überein und fänden stets Kompromisse. „So leisten wir viel für Europa, auch heute.“ Auf die Frage, ob sich ihr Verhältnis zu Macron in den vergangenen Monaten verschlechtert habe, antwortete Merkel: „Nein. Überhaupt nicht.“

Die Kanzlerin wies auch den Vorwurf zurück, sie setze im Vergleich zu Macron weniger europapolitische Impulse, weshalb er als Reformer gelte, sie als Bremserin. „Wir finden immer eine Mitte.“ Als Beispiel nannte Merkel „enorme Fortschritte“ in der Verteidigungspolitik. So habe man beschlossen, zusammen ein Kampfflugzeug und einen Panzer zu entwickeln. „Es ist doch ein großes gegenseitiges Kompliment und ein Zeichen des Vertrauens, wenn man sich in der Verteidigungspolitik stärker aufeinander verlässt.“

Gesellschaftliche Kontroversen müssten ausgetragen werden

In dem Interview hat Merkel auch ihre Sparpolitik und ihre Flüchtlingspolitik verteidigt. „Hätten wir in der Eurokrise und in der Flüchtlingskrise nicht oder ganz anders gehandelt, hätte das meiner Meinung nach sehr viel schlimmere Folgen als manche Probleme heute gehabt“, sagte sie. Diese Entscheidungen entstünden nicht am Reißbrett, sondern seien Antworten auf das reale Leben.

„Wenn weltweit knapp 70 Millionen Menschen auf der Flucht sind, dann war es nachvollziehbar, dass sich Europa mit gut einer Million davon befassen muss“, sagte sie. Sie verstehe, dass dies zu gesellschaftlichen Kontroversen führe, aber die müssten dann eben ausgetragen werden.

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