Zum Tod von Niki Lauda Die Formel 1 war zu klein für ihn

Kurz nach seinem Feuerunfall 1976 saß Niki Lauda schon wieder im Rennwagen. So war er: ein knallharter Kämpfer, dem kein Ziel zu hoch war. Jetzt ist die Formel-1-Legende mit 70 gestorben.

Dienstag, 21.05.2019  
09:03 Uhr

„Das Unmögliche zu schaffen, das ist das, was mich am meisten reizt.“ So hat er sein Lebensmotto formuliert – und sein Leben auch gelebt. So wurde Niki Lauda zu der Ikone, der weltweit über mehr als 40 Jahre immer wieder Interesse, Anerkennung und hin und wieder auch Kritik entgegengebracht wurde. Ob in der Motorsportwelt, in der Luftfahrtbranche, aber auch – nicht immer gewollt – in der Glitzerwelt des Boulevards: Niki Lauda stand stets im Rampenlicht. Er war einer der wenigen aus der Formel 1, dessen Strahlkraft über die Grenzen dieser eigenen kleinen Sportwelt hinausragte.

Wo soll man anfangen, wo aufhören in einer Erinnerung an diese einzigartige Persönlichkeit? An einen, der sich seine Rennfahrerkarriere gegen den Widerstand seiner gutsituierten Industriellen-Familie erkämpfte, auf Kreditbasis und mit gefälschtem Abiturzeugnis, um den strengen Großvater zu beruhigen. Der in seiner Ferrari-Zeit zum Helden aufstieg, durch die zwei WM-Titel 1975 und 1977, aber natürlich vor allem durch das Jahr 1976, als er auf dem Nürburgring in den legendären Feuerunfall verwickelt war und nur sechs Wochen später sein sensationelles Comeback gab.

„Ich wäre heute nicht der, der ich bin, stünde nicht da, wo ich stehe, wenn er (der Unfall) nicht passiert wäre“, sagte er angesichts des 40. Jahrestags des Dramas. Und wenn er nicht von einem achtjährigen Buben gefilmt worden wäre, der zufällig dort stand. Dessen Kamera sei der Schlüssel gewesen, „denn seine Aufnahme wird immer in Kombination mit Hospital und Überleben gezeigt. Der gleiche Unfall ohne den Film wäre nur die Hälfte wert, behaupte ich.“

Knallhart und rational

Eine typische Lauda-Analyse, knallhart, durch und durch rational. Gefühle blendete er zumindest nach außen hin aus, auch zum Selbstschutz: „Mein ganzes Leben lang sind immer positive und negative Dinge hintereinander eingetreten, zur Ruhe habe ich nie gefunden“, sagte er einmal. Das war das Maximum an Zugeständnis in der Rückschau. Aber diese Härte und Disziplin war es auch, die ihn damals hat überleben lassen.

„95 Prozent der Patienten mit derartigen Verletzungen, einem sogenannten Inhalationstrauma, die wir normal künstlich beatmet haben, sind damals gestorben“, betonte einer der Lebensretter von damals, Dr. Eike Martin, als sich die beiden 2016 auf dem Hockenheimring treffen. „Wir mussten etwas anderes probieren – und wir konnten das, weil Lauda wach und ansprechbar war. Und unglaublich diszipliniert und zur aktiven Mitarbeit bereit. Obwohl diese Therapie, bei der dann immer wieder bei vollem Bewusstsein die Lungen abgesaugt werden müssen, unglaublich schmerzhaft ist. Aber er war dazu bereit und hatte diesen unglaublichen Kampfgeist und Überlebenswillen.“

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Niki Lauda wenige Monate nach seinem Unfall auf dem Nürburgring

Und keine Zeit für psychische Nachwirkungen: „Als Rennfahrer ist so ein schwerer Unfall etwas, mit dem man sofort fertig werden muss.“ Wenn er, so Lauda, nicht 42 Tage danach damit abgeschlossen hätte, hätte er nicht wieder ins Auto steigen und fahren können. „Andere, ’normale‘ Leute schleppen so etwas das ganze Leben lang mit sich herum. Als Rennfahrer geht das nicht. Entweder du löst das Problem und fährst wieder, oder du hörst auf.“

Nach dem schweren Unfall nur zwei Rennen ausgesetzt

Er löste das Problem auf seine Art, sechs Wochen und drei Rennen später, in Monza beim Heimrennen seines Ferrari-Rennstalls, schwer gezeichnet von den Verbrennungen im Gesicht. „Ich kam am Donnerstag an. Riesentheater. Überall Fotografen. Tausende Tifosi. Ich musste von einem Medizincheck zum anderen. Um sechs Uhr abends das Okay: Du kannst fahren“, erinnerte sich Lauda 40 Jahre später. Doch einfach ins Auto setzen, als wäre nichts gewesen – das war nicht möglich.

„Ich bin also Freitag das erste Mal wieder raus auf die Strecke, schalte in den zweiten Gang. In dem Moment habe ich beinahe in die Hose geschissen. Angst. Ich konnte nicht weiterfahren. Dann bin ich erst mal ins Hotel gefahren und habe mich gefragt, was ist da los.“ In Fiorano, auf der Ferrari-Teststrecke, hatte er kurz zuvor noch problemlos fahren können. „Hier nicht. Es war alles zu viel Druck – auch das ganze Drumherum am Donnerstag.“ Der kühle Analytiker in Lauda gewann aber die Oberhand: „Ich habe mir gesagt: So, Stopp jetzt mit dem ganzen Druck. Am Samstag werde ich ganz normal fahren, als ob da gar kein Rennen wäre. Vertrauen für mich selbst schaffen, dass ich das Auto kontrollieren kann. Und auf einmal ging es – und ich war Viertschnellster.“

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Niki Lauda und Teamkollege Clay Regazzoni

Das epische Duell mit James Hunt im McLaren, später als erfolgreiches Kinodrama verfilmt, geht so bis ins letzte Rennen in Fuji. Es war eine Regenschlacht, in der Lauda nach zwei Runden ausstieg, „weil mir mein Leben wichtiger ist als eine Weltmeisterschaft“ – und den Titel schließlich um einen Punkt verlor.

Es folgten sein zweiter WM-Titel sowie der Weggang von Ferrari. 1979 trat Lauda überraschend zurück, während des Rennwochenendes in Kanada, „weil es für mich jetzt wichtigere Dinge gibt, als mit dem Auto im Kreis herumzufahren“.

Lauda Air – der zweite Karriereweg

Das Wichtige war das Luftfahrt-Business, in das der begeisterte Pilot verstärkt einsteigen wollte. Doch nach Anlaufschwierigkeiten unterbrach er seine zweite Karriere und feierte stattdessen 1982 sein Comeback in der Formel 1. Lauda hatte seine Schnelligkeit nicht eingebüßt und wurde in der Saison 1984 im McLaren-Teamduell gegen den aufstrebenden Alain Prost mit gerade mal 0,5 Punkten Vorsprung zum dritten Mal Weltmeister.

Nach dem endgültigen Rücktritt 1985 stürzte er sich erneut ins Airline-Geschäft, machte seine „Lauda Air“ zu einer beliebten Fluglinie – wenn auch nicht immer zur Freude derer, die Wert auf Arbeitnehmerrechte legen: Gewerkschaften, Betriebsräte, Mitbestimmung, das war aus Laudas Sicht eher Teufelszeug. Er war es gewohnt, zu bestimmen, seine eigenen Vorstellungen kompromisslos durchzusetzen. Wem das nicht passe, so seine Einstellung, der brauche ja nicht für ihn zu arbeiten.

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Niki Lauda im Jahr 1973

Aber das Fluggeschäft brachte ihm auch den dunkelsten Moment seines Lebens. Der Absturz eines seiner Flugzeuge in Thailand im Mai 1991 mit 223 Toten war ein Schock, der ihn tief traf, ihn stärker prägte als sein eigener Unfall, wie er oft betonte. Er stellte sich den Schreckensbildern vor Ort, zog aus der direkten Konfrontation aber auch die Kraft, nicht locker zu lassen bei der Frage nach der Verantwortung. Seiner Hartnäckigkeit, seinem ständigen Nachhaken war es zu verdanken, dass die Absturzursache aufgeklärt wurde.

Auch wenn Lauda Air später übernommen wurde – immer wieder kam Lauda mit Neugründungen und Beteiligungen ins Business zurück. Er konnte die Szene nicht komplett hinter sich lassen, brauchte die Herausforderung, den Kampf. Und auch ohne die Formel-1-Welt und das damit verbundene Rampenlicht wollte er nicht leben. In verschiedenen Rollen taucht er immer wieder im Fahrerlager auf: als Ferrari-Berater, als RTL-Experte, ab 2013 dann zusammen mit seinem österreichischen Landsmann Toto Wolff als Anteileigner und Aufsichtsratschef des bis heute so dominanten Mercedes-Formel-1-Teams.

Stets war seine Meinung gefragt, die Medien rissen sich um ihn. Die Mischung aus Heldenstatus, Charisma, Wiener Schmäh und flotten Sprüchen, die Schlagzeilen produzierten – Lauda lieferte stets Gesprächsstoff. Als er beim Rennen auf dem Hockenheimring 2018 wegen einer Lungentransplantation erstmals nicht anwesend sein konnte, fehlte auch ein Fixpunkt im Fahrerlager.

Dass das nun für immer so sein wird, konnte sich da noch niemand vorstellen.

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