Größter Staatsfonds der Welt Die Öl-Nation Norwegen wird immer grüner

Seine Öl-Einnahmen verwaltet Norwegen im größten Staatsfonds der Welt. Doch dieser zieht nun Milliarden ab aus fossilen Industrien und investiert sie in erneuerbare. Ein Parlamentarier aus Oslo erklärt, warum.

Jan Kare NESS / NTB scanpix / AFP
Windkraftanlagen in Fitjar, Norwegen

Mittwoch, 12.06.2019  
19:31 Uhr

Manchmal schmelzen die Milliarden des norwegischen Staatsfonds in Sekundenbruchteilen dahin. 9114, 9113, 9112 Milliarden Norwegische Kronen: So rattert die Anzeige auf der Website des Fonds nach unten. Aber dann steigt die Zahl urplötzlich wieder genauso rapide hoch – je nachdem, wie sich die Aktien und Anleihen des reichsten Staatsfonds der Welt gerade entwickeln. Bestaunen lässt sich das Echtzeit-Zahlenspektakel auf www.nbim.no.

9114 Milliarden Kronen – der Stand von Dienstagnachmittag um 16.12 Uhr – entsprechen ungefähr 933 Milliarden Euro. Theoretisch würde das reichen, um 75-mal die Deutsche Bank komplett zu kaufen. Aber wer will schon die Deutsche Bank haben?

Norwegens Staatsfonds verwaltet die Erdöl- und Erdgaseinnahmen des Landes mit dem Ziel, den Wohlstand für künftige Generationen zu sichern. Und so legt der „Staten pensjonsfond Utland“, der „Staatliche Pensionsfonds Ausland“ das Geld weltweit an. Zumeist kauft er große Aktienpakete führender börsennotierter Unternehmen. Aber nun wird dieser Ölfonds just seine Anteile an Öl- und Kohlekonzernen im großen Stil abstoßen.

Das Parlament in Oslo hat an diesem Mittwoch beschlossen, dass der Fonds umgerechnet elf Milliarden Euro aus mehr als 150 Öl- und Kohleunternehmen abziehen muss. Treffen wird dieses „Divestment“ wohl auch zwei deutsche Kohleverstromer: RWE, den größten CO2-Emittenten der EU, und die E.on-Abspaltung Uniper. Im Gegenzug soll der Fonds bis zu 18 Milliarden Euro in erneuerbare Energien investieren: allen voran in Wind- und Solarkraft.

Ole Berg-Rusten/picture alliance / DPR
Henrik Asheim

Henrik Asheim (35) von der regierenden Konservativen Partei ist der Vorsitzende des Wirtschafts- und Finanzausschusses im Parlament in Oslo – und einer der Treiber hinter dem Beschluss. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE erklärt der Politiker, warum die Umschichtung der Milliarden wirtschaftlich geboten ist – und wie die schon vor Jahren eingeführte CO2-Steuer in Norwegen zum Erfolg wurde.

SPIEGEL ONLINE: Herr Asheim, warum stößt Norwegens staatlicher Ölfonds nun ausgerechnet Beteiligungen an großen Erdölkonzernen ab? Ihr Land ist einer der größten Förderer fossiler Brennstoffe in Europa. Wollen Sie sich so einen grünen Anstrich zu geben?

Asheim: Der Abbau von Beteiligungen im Erdölsektor ist hauptsächlich eine wirtschaftliche Entscheidung. Alle Einnahmen unseres Fonds stammen aus Öl und Gas. Wenn wir das Geld wieder im Ölsektor anlegen, sind wir noch abhängiger von den Ölmärkten. Als der Ölpreis vor einigen Jahren abgestürzt ist, hat uns das gezeigt, wie verwundbar die norwegische Wirtschaft ist. Also versuchen wir, das Risiko zu streuen.

SPIEGEL ONLINE: Klimaforscher sagen, dass es hochriskant ist, überhaupt noch Geld in den Abbau fossiler Brennstoffe zu investieren. Denn wenn die Menschheit es schaffen will, die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, darf sie nur noch eine begrenzte Menge an Öl, Gas und Kohle verbrennen; der Rest muss im Boden bleiben. Bereiten Sie sich auf das Ende Ihrer Produktion vor?

Asheim: Nein, wir investieren stark. Selbst die Uno erwartet, dass Öl und Gas noch bis weit in die Hälfte des Jahrhunderts hinein gebraucht werden, etwa für den Verkehr oder für chemische Prozesse. Wir arbeiten daran, dass unsere Rohstoffe so umweltschonend wie möglich gefördert werden. Bei Kohle……

SPIEGEL ONLINE: … …, die Norwegen gar nicht mehr fördert,……

Asheim: ……sieht das anders aus. Bei Kohle spielt der ökologische Aspekt eine tragende Rolle für unsere Divestment-Entscheidung. Kohle ist insgesamt wesentlich einfacher ersetzbar durch erneuerbare Energieträger. Die Kohle hat einen sehr großen Anteil am Klimaproblem – und die Branche wird immer weniger profitabel. Wir haben schon 2015 beschlossen, dass der Fonds nicht mehr in Unternehmen investiert, deren Einnahmen oder deren Stromproduktion zu mehr als 30 Prozent aus Kohle stammen. Wenn Sie die grüne Wende in der Welt schaffen wollen, dann sollten Sie nicht länger die Kohle unterstützen. Aber der Fonds wird sich nicht pauschal aus allen Kohleunternehmen zurückziehen. Wenn unsere Fondsmanager erkennen, dass diese Betriebe sich wandeln und neue Geschäftsmodelle fernab der Kohle entwickeln, können sie die Anteile auch behalten.

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SPIEGEL ONLINE: Auf der Liste der Unternehmen, deren Anteile der Fonds abstoßen wird, stehen dem Vernehmen auch die deutschen Kohleverstromer RWE und Uniper. Dabei beteuern beide Konzerne, sie wollten sich verstärkt in erneuerbaren Energien engagieren.

Asheim: Zu einzelnen Unternehmen kann ich nichts sagen. Diese Expertise haben nur die Fondsmanager.

SPIEGEL ONLINE: Welche ökonomische Erfolge erhoffen Sie sich von den Milliardeninvestments in den Erneuerbaren-Sektor?

Asheim: Das Geld ist nicht ausschließlich für regenerative Energien gedacht, sondern für Infrastruktur. Aber grüne Investments spielen hier eine tragende Rolle. Wir glauben: Mit grünen Technologien kann man gutes Geld verdienen. Denn wenn wir den Klimawandel begrenzen wollen, muss es einen Wandel hin zu diesen umweltfreundlichen Technologien geben.

SPIEGEL ONLINE: Nachdem Ihr Staatsfonds 2015 erstmals beschlossen hat, Kohleinvestments stärker zu meiden, sind eine Reihe Nachahmer mit ähnlichen Beschlüssen gefolgt: Union Investment etwa oder große Lebensversicherer wie die Allianz oder Axa. Wird das auch diesmal geschehen?

Asheim: Das kann durchaus sein. Aber es ist nicht unser Ziel, dass andere unsere Strategie nachahmen.

SPIEGEL ONLINE: Könnte denn die norwegische CO2-Steuer zum Vorbild für andere Länder werden? In Deutschland lehnt die CDU eine solche Klimaabgabe bislang ab. Ihre eigene norwegische konservative Partei hingegen unterstützt sie.

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Asheim: Norwegen hat die CO2-Steuer schon Anfang der Neunzigerjahre eingeführt. Ich habe sie immer sehr unterstützt. Wenn Sie Marktmechanismen für sinnvoller halten als Verbote, dann müssen Sie diese Marktmechanismen auch nutzen, um grüne Technologien profitabler zu machen – und klimaschädliche Technologien zu verteuern. Wissen Sie: Norwegen hat weltweit den höchsten Anteil von Elektroautos auf seinen Straßen. Das liegt zum einen daran, dass wir diese Fahrzeuge fördern. Aber eben auch daran, dass Treibstoff hier recht teuer ist, obwohl wir ein Ölförderland sind. Wegen der CO2-Steuer.

SPIEGEL ONLINE: Aber was ist mit sozialschwachen Bürgern? Trifft die es nicht besonders hart, wenn der Sprit mehr kostet?

Asheim: Norwegen hat damals nicht bloß eine CO2-Steuer eingeführt. Es hat im Gegenzug auch Steuern gesenkt, zum Beispiel die Einkommensteuer. Und unsere Regierung hat die Steuern weiter gesenkt. Wir sind nicht auf Mehreinnahmen aus der CO2-Steuer angewiesen. Aber wir wollen mit ihrer Hilfe den CO2-Ausstoß reduzieren und unseren Beitrag leisten, den Klimawandel zu begrenzen.

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