Weltweiter Klimaprotest Worauf Arbeitnehmer achten müssen, wenn sie streiken wollen

Am 20. September wollen Menschen weltweit für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen. Was müssen Arbeitnehmer berücksichtigen, wenn sie sich anschließen wollen? Der Überblick.

Jannis Große/ imago images
Nicht nur für Schüler: Am 20. September soll der dritte globale Klimastreik stattfinden

Montag, 16.09.2019  
15:59 Uhr

Die Berichterstattung über den Klimawandel ist eine der großen journalistischen Herausforderungen unserer Zeit. Auch für den SPIEGEL ist die Klimakrise eines der wichtigsten Menschheitsthemen. Wir unterstützen deshalb in dieser Woche eine internationale Initiative, die den Blick darauf richten will: „Covering Climate Now“ wurde von der „Columbia Journalism Review“ und der kanadischen Zeitung „The Nation“ angestoßen, mehr als 200 Medienunternehmen weltweit nehmen daran teil, darunter der „Guardian“, „El País“, „La Repubblica“, „The Times of India“ , „Bloomberg“ oder „Vanity Fair“. Der SPIEGEL widmet der Klimakrise diese Woche die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe und jeden Tag besondere Aufmerksamkeit auf spiegel.de

„Fridays For Future“ plant gerade zusammen mit anderen Klimaschützern weltweit den dritten globalen Klimastreik, der am kommenden Freitag stattfinden soll. Das Datum ist bewusst gewählt: In Berlin wird an dem Tag das Maßnahmenpaket des Klimakabinetts der Bundesregierung vorgestellt und in New York laufen die Vorbereitungen auf den Uno-Klimagipfel am 23. September.

Bisherigen Demos schlossen vor allem an Schülerinnen und Schüler sowie Studenten an. Diesmal sollen alle Generationen gemeinsam auf die Straße gehen, teilte „Fridays for Future“ mit. Doch woran müssen Arbeitnehmer denken, wenn sie protestieren wollen? Antworten geben Gewerkschaftsvertreter und ein Arbeitsrechtler:

Was hat „Fridays for Future“ am 20. September vor?

In Deutschland sind in über 400 Städten Demonstrationen geplant, über tausend Unternehmen und Verbände haben bereits ihre Unterstützung zugesagt. Weltweit sind Proteste in über 2000 Städten in 129 Ländern angekündigt. „Seit neun Monaten streiken junge Leute, aber das reicht nicht. Wir brauchen ein großes gesellschaftliches Bündnis, das sich für sozialgerechte Klimapolitik einsetzt“, sagte „Fridays For Future“-Sprecherin Carla Reemtsma dem SPIEGEL. Sie sei zuversichtlich, am Streiktag nicht nur Schüler und Schülerinnen auf der Straße zu sehen – sondern zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen.

Was sagen die Gewerkschaften?

Viele Gewerkschaften unterstützen die Demonstrationen. So verkündete Ver.di-Chef Frank Bsirske, dass er selbst teilnehmen werde – und rief die rund zwei Millionen Mitglieder auf, das ebenfalls zu tun. Allerdings: nur außerhalb der Arbeitszeiten.

Mitarbeiter müssten darauf achten, sich auszustempeln,
Urlaub zu nehmen,
in der Mittagspause zu demonstrieren
oder mit dem Chef über eine Freistellung zu sprechen.

Ähnlich äußerten sich auch die IG Metall und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB): „Austausch zwischen dem DGB und „Fridays for Future“ gibt es bereits in etlichen DGB-Bezirken und Regionen“, teilte der Gewerkschaftsbund mit. Überall dort, wo es Kontakte gebe, werde man gemeinsam mit Aktivisten über die besten Wege für mehr Klimaschutz sprechen. Aus rechtlichen Gründen könne man allerdings nicht dazu aufrufen, die Arbeit für die Demos niederzulegen.

Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) teilte mit: Man begrüße zwar, wenn Menschen sich gesellschaftlich und politisch engagierten. Ob ein Mitarbeiter Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen darf, müsse allerdings der Arbeitgeber im Hinblick auf betriebliche Gründe selbst entscheiden: „Beschäftigte dürfen der Arbeit nicht einfach fernbleiben, ohne dass es darüber Einvernehmen gibt.“

Was können Arbeitnehmer tun, wenn sie streiken wollen?

„Arbeitnehmer dürfen sich von dem Wort ‚Streik‘ nicht täuschen lassen, denn rechtlich gesehen ist das weniger ein Streik als vielmehr eine Demonstration“, sagte Arbeitsrechtsanwalt Christoph Hauptvogel dem SPIEGEL. Deshalb sei völlig richtig, was die Gewerkschaften fordern: erst freinehmen, dann streiken. „Sollten die Gewerkschaften trotzdem zum Streik aufrufen, könnten Arbeitnehmer hinterher Schadensersatz verlangen, wenn sie deswegen im schlimmsten Fall ihren Job verlieren.“

Außerhalb der Arbeitszeiten zu streiken, ist dem Anwalt zufolge die einzige Möglichkeit, rechtlich legal an den Protesten teilzunehmen. Wer streikt, obwohl der Arbeitgeber keinen freien Tag bewilligt hat, verweigere die Arbeit – und riskiere eine Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung. „Bei einmaligem Demonstrieren ohne Abmeldung ist eine fristlose Kündigung zwar eher unwahrscheinlich, aber durchaus denkbar“, sagte Hauptvogel.

Warum ist der Klimastreik arbeitsrechtlich gesehen kein „Streik“?

Artikel neun, Absatz drei im Grundgesetz verankert das Recht auf Koalitionsfreiheit: Arbeitnehmer dürfen sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen, genauso wie Arbeitgeber in Verbänden. Streiks sind als Mittel des Arbeitskampfs allerdings nur zulässig, solange es auch ein „erstreikbares“ tarifliches Ziel gibt, zum Beispiel mehr Lohn, Urlaub oder bessere Arbeitsbedingungen.

Forderungen an die Regierung, wie die Klimaaktivisten sie stellen, deckt hingegen das Demonstrationsrecht ab. Von der Arbeit befreit das allerdings nicht.

Quelle