Katie Sowers erlebt als NFL-Trainerin Diskriminierung als Frau und Homosexuelle – DER SPIEGEL – Sport

Wenn Jimmy Garoppolo Katie Sowers charakterisieren soll, muss der Quarterback der San Francisco 49ers nicht lange überlegen. Im Gegenteil. Garoppolo redet ohne Unterbrechung, holt kaum Luft. Und er lacht. “Sie ist kratzbürstig, macht den Jungs ordentlich Dampf. Es ist schön, sie hier zu haben.”

Sowers ist Assistenztrainerin für die Offensive bei den 49ers – und damit eine Ausnahme. Laut der Liga sind 45 Prozent der Fans sowie ein Drittel der NFL-Angestellten weiblich. In den Trainerteams hingegen sind Frauen eine Rarität. Nach Angaben von ESPN gab es in der Saison 2018 zehn – sieben waren Praktikantinnen, drei festangestellt. Im März besetzten die Tampa Bay Buccaneers mit Maral Javadifar und Lori Locust als erstes NFL-Team zwei hauptamtliche Assistenzposten ihres Trainerstabes mit Frauen.Und dann ist da Katie Sowers. Die 33-Jährige arbeitet ihre dritte Saison bei den 49ers. Hinzu kommt 2016 ein Jahr bei den Atlanta Falcons, wo sie zunächst eine Praktikumsstelle als Wide Receiver-Assistentin bekam und anschließend als Scout eingesetzt wurde. Sowers ist nicht nur die dienstälteste Trainerin, sondern auch die erste offen Homosexuelle in der Machowelt der NFL. “Es gibt so viele hier, die sich als LGBT identifizieren, aber öffentlich nicht darüber sprechen wollen”, weiß Sowers.

Sowers war immer wieder Homophobie ausgesetztBislang war sie trotz ihres Outings 2017 eher unbekannt. Das änderte sich vor knapp zwei Wochen. Am 5. Januar lief während der Übertragung der Golden Globes ein Werbeclip eines Computerherstellers, in dem Katie Sowers ihre Story erzählte. Die vom kleinen Mädchen, das als Achtjährige im heimischen Garten mit ihrer Zwillings-Schwester Football spielte und davon träumte, “eines Tages zu einem richtigen Footballteam zu gehören.”Dieser Traum musste zunächst warten. Denn an der High School und am College gab es keine Footballmannschaften für Frauen. So spielte Sowers Volleyball, Basketball, Fußball, Softball und gehörte auch zum Leichtathletik-Team. Als ihre Studienzeit am Goshen-College, einer kleinen, religiösen Universität im Bundesstaat Indiana, deren Studenten fast zur Hälfte Mennoniten sind, vorbei war und sie Interesse hatte, im Trainerstab der Basketballmannschaft Erfahrungen zu sammeln, erlebte Sowers erstmals Homophobie.

Wegen ihres “Lifestyles” könne die langjährige Spielführerin nicht dem Trainerstab angehören, teilte ihr ehemaliger Coach ihr mit. Unter anderem hatten sich Eltern besorgt geäußert, ihre Töchter könnten “lesbisch werden”, sagt Sowers. “Einige denken tatsächlich, das sei ansteckend.” Rückblickend sieht Sowers dieses Erlebnis als Wendepunkt in ihrem Leben. “Wenn das damals nicht passiert wäre, wäre ich heute wohl nicht Trainerin bei den 49ers.”Sie sieht sich in der NFL nicht als “Quotenfrau”Basketball hatte sich für sie erledigt. Und tief in ihr drin war immer noch diese Liebe und Leidenschaft für American Football. Sie fand ein Team in der Women’s Football Alliance und spielte bald auch in der US-Nationalmannschaft. Sowers gehörte zum Team, das 2013 in Finnland Weltmeister wurde. Im Gegensatz zum Verein spielte Sowers auf der Position des Defensive Backs – und machte beim 107:7-Sieg gegen Deutschland auf sich aufmerksam, als ihr fünf Interceptions gelangen, von denen sie drei zum Touchdown in die gegnerische Endzone trug. Eine ihrer Teamkolleginnen war Jennifer Welter, die in der Saisonvorbereitung 2015 bei den Arizona Cardinals erste Trainerin der NFL-Geschichte werden sollte.

Bevor Sowers im Juni 2017 bei den 49ers unterschrieb, hatte sie bereits ein Jobinterview bei einem anderen NFL-Team. Ein Klub-Verantwortlicher teilte ihr jedoch mit, dass der Verein “noch nicht bereit” sei für eine Frau im Trainerteam. “Er sagte mir, dass ein Coach zu ihm gekommen sei und gefragt habe, wo man meinen Schreibtisch hinstellen solle – und wo die der anderen Trainerkollegen”, erinnert sich Sowers. Den Namen des Vereins behält sie für sich. Sie sieht sich in der NFL nicht als “Quotenfrau”, betont Sowers. “Ich bin hier, um uns zu helfen, zu gewinnen.” Fullback Kyle Juszczyk bezeichnet die Assistenztrainerin als “phänomenal.” Chefcoach Kyle Shanahan, der Sowers bereits aus seiner Zeit in Atlanta kennt, lobt seine einzige Frau im Trainerstab als “harte Arbeiterin.” Und ihre Arbeit ist in Zahlen messbar. Die 49ers-Offensive erzielte in den 16 Hauptrundenspielen die zweitmeisten Touchdowns (51).Am Sonntag erlebt Katie Sowers das bislang wichtigste Spiel ihrer Karriere. Im NFC Championship-Match hat San Francisco gegen die Green Bay Packers Heimrecht. Bei einem Sieg stünde Sowers nicht nur als erste Trainerin im Super Bowl, sondern auch als erste offen Homosexuelle.
Icon: Der Spiegel

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