Deutsche Wirtschaft Ökonomen warnen vor Rezession bei langfristigem Ölpreisanstieg

Nach der Attacke auf wichtige Raffinerien in Saudi-Arabien steigt der Ölpreis. Ökonomen warnen: Für die deutsche Wirtschaft sei nun entscheidend, wie sich die Lage in der Golfregion entwickelt.

Christian Charisius / DPA
Öltanker im Hamburger Hafen: Sorge vor einem Krieg in der Golfregion

Montag, 16.09.2019  
11:32 Uhr

Experten hatten nach der Attacke auf die größte Ölverarbeitungsanlage der Welt in Saudi-Arabien einen sprunghaften Anstieg der Ölpreise vorhergesagt. Am Montag gab es dann auch den kräftigsten Ölpreisanstieg seit 1991. Die Ölsorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich zeitweise um knapp 20 Prozent und kostete 71,95 Dollar je Barrel (159 Liter).

Wenn es sich lediglich um einen kurzfristigen Effekt von einigen Tagen handele, werde dies keine spürbaren Auswirkungen auf die Konjunktur haben, sagte der Deutschland-Chefvolkswirt von UniCredit, Andreas Rees. Andere Öl produzierende Länder könnten ihre Produktion erhöhen und den Ölmarkt stabilisieren. „Allerdings könnten die geopolitischen Unsicherheiten die Stimmung der Unternehmen und Konsumenten belasten, in Deutschland und weltweit“, warnte Rees. „Neben dem Handelskonflikt und dem Brexit ist ein weiterer Unsicherheitsfaktor dazu gekommen.“

„Der Drohnenangriff hat den Rohölpreis um sieben Dollar ansteigen lassen“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer der Nachrichtenagentur Reuters. „Das erhöht die deutsche Ölrechnung um schätzungsweise fünf Milliarden Euro.“ Das entspreche allerdings nicht einmal 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Krieg zwischen Iran und den USA als größte Gefahr

„Ein Anstieg der Ölpreise um zehn Euro pro Barrel würde die deutsche Wirtschaft vermutlich endgültig aus der Stagnation in eine milde Rezession abrutschen lassen“, sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. Er sieht aber gute Chancen dafür, dass sich der Ölmarkt wieder beruhigt. „Allein am Öl wird es wohl nicht liegen, ob es zur Rezession kommt“, sagte er.

Ganz anders sähe die Lage aus, wenn die USA einen Krieg gegen den Iran beginnen sollten. „Das würde die gesamte Golfregion destabilisieren“, sagte Commerzbank-Chefökonom Krämer. „Immerhin gehen 30 Prozent der seewärtigen Ölexporte durch die Straße von Hormus.“ In diesem Risikoszenario wäre eine Verdoppelung des Ölpreises nicht ausgeschlossen. „Dann würde sich die deutsche Ölrechnung um einen Betrag erhöhen, der 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspräche“, sagte Krämer. „Das wäre ein riesiges Problem für die deutsche Wirtschaft, zumal ein Krieg mit dem Iran die allgemeine Unsicherheit massiv erhöhen würde.“

Ob der Ölpreis für die deutsche Wirtschaft zum Problem werde oder nicht, hänge daher davon ab, wie die Amerikaner auf den Drohnenangriff reagieren. US-Präsident Donald Trump hat bereits Vergeltung für die Attacke angedroht. Iran wies Vorwürfe aus den USA zurück, für die Angriffe auf saudi-arabische Ölanlagen verantwortlich zu sein.

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Die wachsenden Spannungen versetzen Anleger weltweit in Unruhe. Der deutsche Leitindex Dax verlor zeitweise um 0,6 Prozent. „Höhere Ölpreise belasten zwar auch direkt die Wirtschaft“, sagte Marktanalyst Milan Cutkovic. „Die Angst, dass sich die geopolitischen Spannungen nun weiter verschärfen, wiegt aber schwerer.“

Vor diesem Hintergrund verteuerte sich Gold um bis zu 1,6 Prozent auf 1511,91 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).

Die Sorge um den Ölpreis gab Währungen von Exportstaaten wie Kanada, Norwegen oder Russland Auftrieb. Währungen von Staaten, deren Wirtschaft stark von Energie-Importen abhängt, gerieten dagegen unter Verkaufsdruck. Dies gelte vor allem für die Türkei und Indien, weil deren Notenbanken nicht zugetraut werde, den Inflationsdruck steigender Ölpreise mit Zinserhöhungen abzufangen, sagte Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. „Dazu sind beide Zentralbanken viel zu sehr unter der Fuchtel ihrer Regierungen.“

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