CDU-Richtungsstreit Irgendwie Mitte. Und irgendwie rechts

Die CDU ringt um ihren Kurs. Prominente Stimmen fordern eine Strategie gegen die AfD – und ein neues Grundsatzprogramm. Auf den Nachfolger des scheidenden Generalsekretärs Peter Tauber kommt einiges zu.

picture alliance/ Daniel Karman
Merkel auf der Veranstaltung der kritischen Mittelstandsvereinigung, deren Chef Carsten Linnemann ist.

Sonntag, 18.02.2018  
19:48 Uhr

Sein Entschluss kommt nicht überraschend. Seit Wochen ist Peter Tauber in der Reha, nachdem er sich einer Darmoperation unterziehen musste. Am Montagvormittag aber wird der 43-jährige Generalsekretär dem Präsidium und Bundesvorstand der CDU persönlich seinen vorzeitigen Rückzug bekanntgeben. Die Entscheidung, heißt es aus seinem Umfeld, habe nichts mit der Krankheit zu tun, sie sei vor geraumer Zeit gereift.

Wie auch immer die Motivlage sein mag: Peter Taubers vorzeitiger Abgang ermöglicht der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, eine wichtige personelle Weichenstellung zu treffen. Nun muss bereits am 26. Februar auf dem Bundesparteitag – der eigentlich den Koalitionsvertrag absegnen soll – Taubers Nachfolger oder seine Nachfolgerin gewählt werden. Eigentlich wäre seine Amtszeit noch bis Dezember gegangen, jetzt wird der Posten schneller frei.

Zwei Namen wurden zuletzt als Nachfolger genannt: Jens Spahn, CDU-Präsidiumsmitglied und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, und die rheinland-pfälzische Landeschefin und Bundesvize Julia Klöckner. Beide gehören der Nachwuchsgeneration an, beide setzen unterschiedliche politische Akzente.

CDU-Politiker Klöckner, Tauber, Merkel, von der Leyen

Der 37-jährige Spahn versucht sich seit einiger Zeit als konservativ-liberaler Kritiker der Kanzlerin zu profilieren, unter anderem in der Flüchtlingspolitik. Klöckner tat das kurzweilig auch mit einem migrationskritischen Papier im Landtagswahlkampf 2016, mit dem sie sich von Merkel abzusetzen suchte, was ihr nicht gut bekam – sie verlor die Wahl. Zuletzt tat sich die 45-Jährige verstärkt wieder als Merkel-Verteidigerin hervor, nannte die Kritik der FDP an der CDU-Chefin nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen „unfair und durchschaubar“ und ärgerte sich noch kurz vor dem Jahrewechsel über das „Merkel-Bashing“.

„Unsere Marschrichtung klar definieren“

Wer auch immer auf den Posten des Generalsekretärs gelangt, eines steht fest: Der oder die Neue dürfte einen mühevollen Prozess in der CDU zu organisieren haben. Schließlich sorgen die interne Kritik an den Kompromissen in der angepeilten neuen Großen Koalition, der Verzicht auf das Bundesfinanzministerium und generell die Kursausrichtung für heftige interne Debatten. Parallel dazu verstärkt sich der Streit darüber, wie weit nach rechts die CDU angesichts des Erfolgs der rechtspopulistischen AfD ausschwenken soll.

Am Montag soll in den CDU-Gremiensitzungen in Berlin auch über die Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms bis 2020 gesprochen werden. Das aktuelle Programm stammt aus dem Jahre 2007. CDU-Parteivize Thomas Strobl forderte gegenüber dem SPIEGEL, den Wählerkreis zu erweitern. Mit Blick auf die Stärke der AfD erklärte er: „Wir müssen feststellen, dass sich manche Menschen nicht abgeholt fühlen.“ Die CDU brauche ein neues Grundsatzprogramm, „um unsere Positionen, unsere Marschrichtung klar zu definieren“.

„Von Mitte bis demokratisch Rechts“

Ähnlich sieht es Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung in der CDU/CSU. „Ein neues Grundsatzprogramm ist überfällig, und die Diskussion darum wäre eine gute Gelegenheit für eine Selbstbestimmung der CDU“, sagte er am Sonntag dem SPIEGEL. Das sei allerdings nur sinnvoll, wenn „wir dort auch klar Position beziehen und nicht bei jedem Satz überprüfen, ob er eine Abweichung von der aktuellen Regierungslinie beinhalten könnte“.

Linnemann gehört wie Spahn zur Riege der jüngeren Politiker, die Merkels Kurs kritisch sehen. „Wir müssen dabei die gesamte Bandbreite abdecken, von Mitte bis demokratisch Rechts“, erklärte er.

Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder hatte kürzlich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärt: „Wir sind für die bürgerliche Mitte, aber auch für die demokratische Rechte da.“ Der Ausspruch des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, rechts von der Union dürfe es keine demokratisch legitimierte Kraft geben, sei kein Satz für die Mottenkiste. Er bleibe „strategischer Leitsatz der Union“.

CDU-Kontrahenten Spahn und Merkel

Das führte prompt zu einer Entgegnung aus Nordrhein-Westfalen – und zwar von einem bekennenden Merkelianer, dem dortigen Ministerpräsidenten Armin Laschet. CDU und CSU müssten „ihre Politik aus ihren Werten heraus gestalten und verhindern, dass rechts von ihnen eine Partei entsteht – so herum stimmt der Satz von Franz Josef Strauß“, sagte er jetzt der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS).

Er erinnerte daran, dass die CDU in der Gründungszeit dieselbe Debatte geführt habe. „Das Ziel der CDU kann nicht sein, alles, auch programmatisch, zu sammeln, das rechts von der politischen Linken ist.“ Mit dem, der die Achsen verschieben wolle, werde er hart streiten. „Ich bin bereit, darüber eine harte Grundsatzdebatte zu führen“, so der Christdemokrat.

„Zu oft Kompromisse gemacht“

Es ist vor allem der Unionsnachwuchs, die 35- bis 45-Jährigen, der die Debatte einfordert. Viele Stimmen haben sich in den vergangenen Wochen zu Wort gemeldet, die CDU zeigt sich ungewöhnlich debattierfreudig für ihre ansonsten disziplinierten Verhältnisse.

„Noch mehr als ein neues Grundsatzprogramm braucht die CDU in der aktuellen Situation gute Nerven und einen inneren Kompass“, mahnt der neue sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer am Sonntag gegenüber dem SPIEGEL. Das Ergebnis der Bundestagswahl zwinge nun einmal zu Kompromissen, der Koalitionsvertrag trage mit der Zusage von Steuersenkungen und Kindergelderhöhungen die deutliche Handschrift der Union, widerspricht er den Kritikern in der eigenen Partei, die am Ergebnis der jüngsten Koalitionsgespräche kaum etwas Gutes finden können.

Aber auch der 42-jährige Kretschmer, der in Sachsen mit einer Bürgertour seine CDU aufrichten und sich seit der Bundestagswahl der immer stärkeren Konkurrenz der AfD erwehren muss, räumt ein: „Der CDU mangelt es nicht an Grundsätzen. Wir haben allerdings in den vergangenen Jahren bei Sachfragen zu oft Kompromisse gemacht, bei denen viele die CDU nicht mehr wiedererkannt haben.“

Sie wollen die Sonntagsfrage für den Bund beantworten? Stimmen Sie hier ab:

Quelle