Migration EU-Kommissar gegen Flüchtlingslager auf dem Balkan

Österreich will Flüchtlinge außerhalb der EU unterbringen. Nun kommen Widerworte aus der EU-Kommission: Solange es kein gemeinsames europäisches Asylrecht gebe, seien entsprechende Lager sinnlos.

EU-Kommissar Johannes Hahn

Donnerstag, 14.06.2018  
16:23 Uhr

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn lehnt die Idee ab, im Zuge der Migrationskrise Flüchtlingslager in Balkanstaaten zu errichten. „Ich habe schon bei der ersten Welle im Jahr 2015 davor gewarnt, dass Länder in der Region, die nicht Mitglied der EU sind, keine Parkplätze für Flüchtlinge werden dürfen. Das bleibt auch 2018 so“, sagte Hahn im Gespräch mit dem SPIEGEL und anderen europäischen Zeitungen am Donnerstag in Brüssel.

Hahn stellt sich damit gegen Überlegungen, die zuletzt Österreichs Kanzler Sebastian Kurz angestellt hatte. „Ja, es gibt Bestrebungen, dass wir Schutzzentren außerhalb Europas schaffen, wo wir Flüchtlinge unterbringen können, wo wir Schutz bieten können, aber gleichzeitig nicht das bessere Leben in Mitteleuropa“, hatte Kurz am Dienstagabend dem österreichischen Fernsehsender ORF gesagt. Möglicherweise könnte ein solches Aufnahmezentrum in Albanien eingerichtet werden. Das Land ist kein Mitglied.

Hahn gehört ebenso wie Kurz der Österreichischen Volkspartei an. Bereits vor Kurz hatten Politiker immer wieder die Idee für EU-Auffanglager ins Gespräch gebracht, beispielsweise auch in Nordafrika.

28 verschiedene Asylgesetze in der EU

Er verstehe, dass die Idee, das Flüchtlingsproblem quasi auszulagern, für Politiker attraktiv sei, sagte Hahn. Allerdings seien solche Lager praktisch nicht denkbar, solange es kein gemeinsames europäisches Asylrecht gebe. „Heute haben wir 28 verschiedene Asylgesetze. Soll es sich der Asylsuchende dann aussuchen können, welches für ihn angewendet werden soll?“, so Hahn. Die EU müsse verhindern, dass sich Migranten in der Balkanregion stauen.

Die EU hatte den Ländern des Westbalkans – unter anderem Serbien und Albanien – zuletzt angeboten, bis zum Jahr 2025 Mitglied der Gemeinschaft zu werden, wenn sie alle Beitrittsbedingungen erfüllen. Vor allem in Deutschland hatte es scharfe Kritik daran gegeben, dass die Brüsseler Behörde erstmals ein sogenanntes indikatives Datum für einen Beitritt in den Raum gestellt hatte.

Kanzler Kurz hatte ebenfalls immer wieder klargemacht, dass es ein wichtiges Ziel der österreichischen Ratspräsidentschaft sei, die Länder des Westbalkans an die EU heranzuführen. Flüchtlingslager, so heißt es in Brüssel, seien für dieses Ziel eher kontraproduktiv, sie könnten die Lage in den Ländern destabilisieren. Österreich übernimmt ab 1. Juli die rotierende Ratspräsidentschaft in der EU.

Sebastian Kurz

Hahn betonte, es sei nicht zu beanstanden, wenn sich die Regierungen der EU-Mitglieder mit Krisenszenarien beschäftigen würden und sich auf den Krisenfall vorbereiten. Die Bilder von 2015 sollten sich nicht wiederholen, so Hahn. „Sie haben bei den Bürgern den Eindruck erweckt, dass es einen Kontrollverlust gegeben hätte.“

Die EU will deutlich mehr Geld für den Schutz der Außengrenzen einsetzen

Allerdings, so der Kommissar, gebe es derzeit keinerlei Hinweise, wonach sich die Situation im Herbst 2015 wiederholen würde: „Wenn ich mir die Zahlen anschaue, kann ich keine neue Migrationswelle erkennen.“

In der gesamten Region inklusive der angeblich neuen Route über Albanien seien derzeit rund 2000 Flüchtlinge unterwegs. (Lesen Sie hier mehr über diese Strecke.) Nach Informationen des SPIEGEL befinden sich darunter auch etwa 1000 Migranten, die über Iran nach Serbien gekommen sind, nachdem das Land die Visumspflicht für Iraner aufgehoben hat.

Hahn betonte, dass der Entwurf für den künftigen Finanzrahmen der EU deutlich mehr Mittel als bislang bereitstelle, um die Migrationsprobleme in den Griff zu bekommen. Für die Jahre 2021 bis 2027 will die EU-Kommission für außenpolitische Bemühungen wie Entwicklungshilfe 123 Milliarden Euro ausgeben. Zum Vergleich: im aktuellen Finanzrahmen sind es rund 95 Milliarden Euro.

Die EU will zudem deutlich mehr Geld für den Schutz der Außengrenzen einsetzen und beispielsweise die EU-Grenzschutzagentur Frontex auf bis zu 10.000 Mann verstärken.

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